1. Lebensdaten

Die Lebensdaten des Donat sind unbekannt.

2. Person und Werk

Aelius Donatus war um die Mitte des 4. Jh. in Rom als Grammatiker und Rhetor tätig [fl. 353]. Lehrer des Hieronymus. Von seinen Werken sind erhalten:

Die ars grammatica ist eine Elementargrammatik:

1. Teil (de partibus orationis oder ars minor): Frage- und Antwortkatalog über die acht Wortarten, also den mittleren Teil der ars maior (s.u.).

2. Teil (ars grammatica oder ars maior): ausführliche, lehrbuchartige Wiederholung der ars minor mit zusätzlichen Kapiteln de uoce, littera, syllaba, pedibus, tonis ..., uitia orationis, uirtutes. Enthielt viele Klassikerzitate, vor allem aus Vergil.

Die beiden Teile wurden schon im Altertum als Ars duplex bezeichnet. Das Prinzip der zweifachen Anordnung geht auf Cominianus (Konstantinopel, 1. Hälfte 4. Jh.) zurück. Die ars minor ist für Kinder, die ars maior für alle gedacht. Die Absicht des Werkes ist, die aktive Beherrschung der lateinischen Sprache mit einem übersichtlichen Regelwerk zu fördern.

St. Hieronymus (commentatio in Ecclesiastes, I) schreibt seinem Lehrer Donatus folgenden Ausspruch zu:

Pereant qui ante nos nostra dixerunt.
“Zum Teufel mit denen, die vor uns unsere Aussprüche getan haben!”

3. Vorläufer

Die ersten Grammatiken des Abendlandes wurden zu hellenistischer Zeit in der philologischen Schule von Alexandria abgefaßt. Aristarch von Samothrake (~217/6-145/4) schrieb eine tékhne grammatiké des Griechischen. Die vermutlich erste autonome grammatische Schrift ist die tékhne grammatiké des Dionysios Thrax (2. Jh. v.Ch.), die die Phonologie und Morphologie einschließlich der Wortarten umfaßt. Die Syntax ist Gegenstand eines sehr systematischen Werks des zweiten bedeutenden griechischen Grammatikers, des Apollonios Dyskolos (2. Jh. n.Ch.). Im Jahre 169/8 importierten die Römer die griechische Grammatik und adaptierten sie.

Das erste (jetzt verlorene) Lehrbuch der lateinischen Grammatik verfaßte Remmius Palaemon (ca. 0 - 50). Donat fußt natürlich auf früheren Grammatikern, bes. Scaurus und Cominianus. Z.T. übernimmt er Aussagen von wesentlich Früheren wörtlich und unkritisch, ohne ein fundiertes eigenes Urteil zu haben.

4. Textüberlieferung und -ausgabe

Der Text ist in zahllosen Handschriften überliefert, die allerdings riesige Abweichungen aufweisen, weil Kommentare, Regeln, Beispiele eingefügt wurden. Allerdings ist durch die vielen Zitate bei antiken Grammatikern der ursprüngliche Text mit einiger Sicherheit zu restituieren.

Erste Ausgabe: Keil IV:353-402. Ersetzt durch Holtz 1981, mit sorgfältiger Dokumentation der Handschriften.

Der Text ist mehrfach auf dem Internet verfügbar:
Fortlaufender Text
Typographisch aufbereitet.
Typographisch aufbereitet und emendiert.
Typographisch aufbereitet, mit Scanfehlern. Mit Konkordanz.
Mit teilweiser Übersetzung auf Englisch.

5. Aufbau der Artes

Donatus' Grammatik ist, im Unterschied zu anderen wie der des Charisius, ein Schulbuch. Beschränkt sich gezielt auf das Wesentliche, gibt eine Synthese des Früheren. Sprachgeschichtliche Aspekte werden ausgespart. Verweise auf frühere Autoritäten unterbleiben. Dies liefern die Kommentatoren nach. Problematisches wird auf das Kapitelende verschoben. Donat strebt nach äußerster Kürze, wodurch gelegentlich die Präzision auf der Strecke bleibt.

Die Ars minor ist nicht nur das elementare Propädeutikum, sondern, lt. dem Kommentar des Pompeius, auch der Kern der Grammatik.

Die ars minor fängt nicht, wie bis dahin üblich, mit einer Definition von ars grammatica oder mit vox, littera, syllaba an, sondern mit den acht Wortarten.

Ars minorArs maior
Kap.TitelKap.TitelDeutsch
1.De voceStimme/Laut
2.De litteraBuchstabe
3.De syllabaSilbe
4.De pedibusFuß
5.De tonisAkzent
6.De positurisPhonotaktik
[0. De partibus orationis; einleitender Absatz]7.De partibus orationis Wortarten
1.De nomine8.De nomineNomen
2.De pronomine9.De pronominePronomen
3.De verbo10.De verboVerb
4.De adverbio11.De adverbioAdverb
5.De participio12.De participioPartizip
6.De coniunctione13.De coniunctioneKonjunktion
7.De praepositione14.De praepositionePräposition
8.De interiectione15.De interiectioneInterjektion
16.De barbarismoWortfehler durch Fremdeinfluß
17.De soloecismoSyntaxfehler
18.De ceteris vitiisSonstige Fehler
19.De metaplasmoPhonologische Prozesse
20.De schematibusStilfiguren (Syntax)
21.De tropisStilfiguren (Semantik)

Einzelkommentar zur Ars maior

1. De uoce

Z. 5, quantum in ipso est "betrachtet unter diesem Aspekt", d.h. ohne Rücksicht auf Semantik.

Z. 7: confusa: z.B. Schreie von Menschen und Tieren.

2. De littera

Der Abschnitt entspricht dem 6. Perì stoikheíou des Dionysios Thrax. Der hatte mindestens ansatzweise zwischen stoikheion “(lautliches) Element” und grámma “Buchstabe” unterschieden. Die Unterscheidung von littera und elementum zuerst bei Priscian, dann Diomedes und Terentianus Maurus.

Z. 13, potestatem: Der Begriff wird fälschlich erst am Schluß des Kapitels eingeführt. Es gibt keine Definition von consonans (solche erstmals bei Priscian). Die Feststellung, i und u gingen schon in die Konsonantenklasse über, hängt insoweit in der Luft.

Z. 12ff: Die Erörterung von i und u ist weitgehend unklar. Daß innerhalb einer Silbe keine zwei i geschrieben würden, betrifft die Composita von iacere (abicere usw.). Tatsächlich wäre in solchen Fällen, analog zu seruus, die Schreibung mit zwei i angebracht, da die erste Silbe von Wörtern wie abicere de facto geschlossen und somit metrisch lang ist. Die Stelle ist vermutlich seit dem Autograph korrupt (so jedenfalls Beck 1996).

Z. 21: Die Bemerkung über die Aspiration ist so zu verstehen, daß Konsonanten im Lateinischen nicht aspiriert werden. Die Aspiration in Wörtern wie pulcher war spätestens seit Varro beliebter Diskussionspunkt, und die Mode wechselte bis Donat wiederholt.

S. 368, Z. 2: communem syllabam: wird S. 369, Z. 3 erläutert.

Z.3: bezieht sich auf Elision des finalen -s z.B. bei Plautus sowie auf die Fähigkeit des s, am Silbenanfang vor Konsonant zur Folgesilbe zu gehören (vgl. S. 369, Z. 7).

Z. 8: Ad k und q: Hier irrt Donat, und seine Kommentatoren haben ihm diese Behauptung auch nicht abgenommen. Donat befindet sich allerdings mit seiner falschen Formulierung in der Gesellschaft des Audax, Maximus Victorinus und z.T. des Charisius. Bereits Quintilian weist eine notwendige Schreibung von k vor a ausdrücklich zurück.

Z. 14f: Der Hinweis auf die Akzidentien des Buchstabens (nomen, figura, potestas), der hier am Schluß kommt, gehörte an den Anfang. Wie die Buchstaben heißen, wird nicht gesagt (dies erst bei Priscian1 ).

3. De syllaba

Der Abschnitt fußt auf Dionysios Thrax, 7 - 9. Die meisten der Bestimmungen über Silbenlänge stammen ziemlich wörtlich dorther.

Z. 18f, tempus "Quantität".

Z. 19, communis: ambivalent (anceps), so wie beim genus commune.

Z. 22, positione: Durch die Gegenüberstellung mit natura (vgl. Varros natura vs. usus) wird klar, daß es nicht um syntagmatische Position, sondern um Festsetzung, Konvention geht. Darin aber irrt er, denn geschlossene Silben sind "von Natur" lang.

Die Silbe wird nicht als eigenständige Einheit konzipiert, sondern implizit aus Konstellationen von Vokalen und Konsonanten abgeleitet. Silbengrenzen werden ebenfalls nicht vorausgesetzt. So wird die Länge der ersten Silbe von arma nicht darauf zurückgeführt, daß sie geschlossen ist, sondern daß ihr zwei Konsonanten folgen.

In dem Teil über ambivalente Silben fehlen Beispiele. Die Modi 3 und 8 sind unpräzise definiert: die Silbe ist nur dann anceps, wenn den Konsonanten noch ein Vokal im selben Wort folgt.

II.2. De nomine:

S. 373, Z. 5: uocabulum vs. appellatio: Ist bei Varro LL in allen drei Vorkommen dasselbe. Quintilian 1, 4, 24 meint, Palaemon habe beide Begriffe unter nomen getan, andere hätten damit die Wortarten auf 9 vermehrt, andere hätten einen Unterschied zwischen 'konkret' und 'abstrakt'.

Z. 22: nepos "Verschwender".

S. 374, Z. 2: über mediae significationis

Z. 29f: Relative Adjektive.

S. 377, Z. 14: Zur Unmöglichkeit der Komposition vgl. Quintilian 1,5,66, der Pacuvius: Nerei repandirostrum incuruiceruicum pecus nicht goutiert.

6. Fazit

Die extreme Kürze führt zu Einfachheit und überwiegend auch zu Klarheit, gelegentlich aber auch zu Unklarheit oder Falschheit. Diomedes (1, 299, 8f) leitet seine Grammatik programmatisch ein mit den Worten:

sane, ne quid esset incognitum, uitanda fuit nimium constricta breuitas.
“vernünftigerweise, damit nichts unverstanden bleibe, war allzu gedrängte Kürze zu meiden”

womit er womöglich auf Donat reagiert.

7. Bedeutung und Nachwirkung

Spätere Grammatiker wie Priscian, Cassiodor, Maximus Victorinus, Asper, Beda zitieren ihn lobend, verzichten auf eigene Grammatikkapitel, weil sie es nicht besser sagen könnten, und verwenden sogar seinen Text selbst als Beispiel von Latinitas. Er wird ausdrücklich den anderen Grammatikern vorgezogen, weil er die Dinge zurechtgerückt habe, z.B. bei der Anzahl der Wortarten. Seit dem 5. Jh. beschränkt man sich oft auf Kommentare zu Donat, anstatt eine eigene Grammatik zu schreiben (Servius, Sergius [Schüler Donats], Cledonius, Pompeius [auf Servius basierend], Iulianus Toletanus, Remigius von Auxerre u.v.a.m.). Die Kommentatoren sind übrigens oft ihrerseits nicht sonderlich kompetent. Andererseits tadeln ihn seine Kommentatoren auch nicht selten, worin sie teils recht, teils unrecht haben.

Der "Donat" war die Grundlage des Lateinunterrichts in Westeuropa im gesamten Mittelalter. Donat und Priscian gehörten zu den meistgelesenen Werken des Mittelalters. Bis in die Neuzeit war Donat synonym mit lateinische Grammatik.

Der normative Druck auf der Basis des Donat war erheblich. Papst Gregor der Große, dessen Latein durchaus zu wünschen übrig ließ, sah sich veranlaßt, in der Einleitung zu seinen Moralia in Iob (~600) zu schreiben, es sei dem Thema seiner Abhandlung nicht angemessen, die Sprache der göttlichen Weissagungen den Regeln des Donat zu unterwerfen.

Im Mittelalter verwendete man im Lateinunterricht die Ars minor und darauf aufbauend den dritten Teil der Ars maior, d.h. Kap. 16ff, unter dem Namen Barbarismus. Der größte Teil der Ars maior gerät in Vergessenheit. Wenn die Späteren Donat zitieren, meinen sie die Ars minor.

8. Schriftenverzeichnis

Keil, Heinrich 1864, "Donati Ars grammatica." Keil (ed.) IV:353-402.

9. Sekundärliteratur

Beck, Jan-Wilhelm 1996, Die Zuverlässigkeit der bedeutendsten lateinischen Grammatik: Die ‘Ars' des Aelius Donatus. Mainz: Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Geistes- und Sozialwissenschaftliche Klasse, Jahrgang 1996, Nr. 8).

Chase 1926

Holtz, Louis 1981, Donat et la tradition de l'enseignement grammatical. Étude sur l'Ars Donati et sa diffusion (ive-ixe siècle) et édition critique. Paris: Éd. du CNRS (Documents, Études et Répertoires).

Schmidt, P.L. 1989, "Aelius Donatus". Herzog, Reinhard (ed.), Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. München: _; 145.


1 Lt. W. Pfaffel, Kratylos 44, 1999:97 gehen die Namen der lateinischen Buchstaben auf Varro zurück.