Zwei Ausdrücke einer Sprache sind synonym genau dann, wenn sie unter allen Umständen dasselbe bedeuten. Dieses Definiens wird unten so operationalisiert werden, daß man in keinem Kontext durch Austausch des einen gegen den anderen einen Bedeutungsunterschied erzielen kann. Ein Beispiel ist dt. ehe = bevor.

Vollsynonymie, Teilsynonymie, Übersetzungsäquivalenz

Die Bedeutungen zweier Ausdrücke können sich verschieden stark unterscheiden. Z.B. gleichen sich die Bedeutungen von Relation und Beziehung stark, aber in einem Kontext wie Erna unterhält enge Beziehungen zu Erwin wird man kaum Relation für Beziehung einsetzen. Man spricht deshalb auch von Teilsynonymie und Vollsynonymie. Daß es in diesem Sinne Teilsynonyme gibt, ist in der Wissenschaft unumstritten. Ob oder in welchem Sinne es Vollsynonymie gibt, ist dagegen strittig. Das hängt damit zusammen, daß man die Bedingung der Austauschbarkeit in allen Kontexten verschieden eng fassen kann. In der folgenden Darstellung soll Synonymie “Vollsynonymie” besagen.

Zum rechten Verständnis des Kriteriums der Austauschbarkeit in allen Kontexten muß man zunächst die festen Redewendungen ausschließen. Z.B. kann man in dem Ausdruck Erna muß mal wieder ihren Senf dazu geben für Senf nicht Mostrich einsetzen. Das berührt aber die Frage, ob Senf und Mostrich synonym sind, nicht, weil sich die Austauschbarkeit nicht auf Ausdrücke erstreckt, deren Wortlaut zur Norm gehört. Selbstverständlich kann man auch in Zitaten synonyme Ausdrücke nicht austauschen, ohne das Zitat zu verfälschen. Das Kriterium der unterschiedslosen Austauschbarkeit ist auf solche Fälle nicht anwendbar.

Etwas anders liegt der Fall, wenn zwei Ausdrücke zwar in ihrer Grundbedeutung synonym sind, es für einen davon jedoch einen metaphorischen Gebrauch gibt. Z.B. sind Edelstein und Juwel synonym (sie könnten in der untigen Tabelle von Synonymen mit einem Fremdwort stehen). Aber Juwel ist auch eine Metapher für “wertvolle Entität”. In einem Satz wie unsere Putzfrau ist ein Juwel kann man nicht Edelstein einsetzen. Da eine usuelle Metapher zu erhöhter Polysemie und folglich zu einer erweiterten Bedeutung führt, liegt in solchen Fällen keine Vollsynonymie vor.

Eine erste Gruppe von zweifelhaften Kandidaten für Synonymie sind Paare von Ausdrücken, die sich nur im Stil unterscheiden. Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele:

Die Antwort auf die Frage, ob solche Ausdrücke synonym sind, hängt offensichtlich davon ab, ob der Stil, dem ein Ausdruck angehört, zu seiner Bedeutung im hier relevanten Sinne gehört. Synonymie ist bedingungslose Austauschbarkeit. Man kann aber in einem formellen Schreiben in dem Satz Bedauerlicherweise habe ich die Belege schon weggeworfen nicht weggeschmissen einsetzen. Soll also Synonymie in diesem Sinne verstanden werden, so sind Ausdrücke wie die der obigen Tabelle, die sich im Stil unterscheiden, nicht synonym.

Eine weitere Gruppe von Kandidaten für Synonymie sind Paare von gleichbedeutenden Ausdrücken, von denen der eine einheimisch und der andere ein Fremdwort ist. Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele:

Gegen solche Kandidaten wird oft der Einwand erhoben, daß Fremdwörter auf einen anspruchsvolleren Stil hinweisen, daß also auch solche Paare verschiedenen Stilebenen angehören. Gemäß dem soeben Gesagten wären also auch sie nicht synonym. In dieser Hinsicht dürfte allerdings ideolektale Variation herrschen. Es gibt durchaus Sprechergruppen, für die publizieren und veröffentlichen ohne jeglichen Stilunterschied synonym sind. Wenn die pauschale Unterstellung, Fremdwörter gehörten einer höheren Stilebene an, nicht gilt, gibt es kein grundsätzliches Hindernis, warum ein Erbwort und ein Fremdwort nicht synonym sein könnten.

Eine weitere Gruppe von Kandidaten sind Paare von Ausdrücken, die verschiedenen Dialekten angehören. Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele:

Ein Ausdruck einer Sprache L1 und ein Ausdruck einer Sprache L2 sind übersetzungsäquivalent gdw. als Übersetzung des L1-Ausdrucks in allen Kontexten der L2-Ausdruck auftritt und umgekehrt. Übersetzungsäquivalenz ist also so etwas wie Synonymie über Sprachen hinweg. Übersetzungsäquivalenz findet man wahrscheinlich häufiger als Synonymie. Denn bestimmte universale Designata drängen sich den Sprachgemeinschaften zur Bezeichnung auf (mehr dazu anderswo), was eben zur Übersetzungsäquivalenz führt.

Angenommen nun, die Grenzen zwischen den Dialekten sind scharf, so daß in Texten des einen Dialekts niemals sprachliche Einheiten des anderen Dialekts auftreten. Dann ist die Synonymie von Ausdrücken verschiedener Dialekte nichts anderes als Übersetzungsäquivalenz. Die Grenzen zwischen Dialekten sind allerdings in vielen Fällen nicht scharf. So haben die meisten Sprecher des Deutschen die beiden Ausdrücke Samstag und Sonnabend in ihrem passiven Wortschatz; und einige haben sie sogar beide in ihrem aktiven Wortschatz und verwenden sie nach stochastischen Prinzipien. Für solche Sprecher sind die beiden Wörter also vollsynonym. Ferner kann auch ein Fremdwort nur in einigen Dialekten ein Erbwort verdrängen. So wird in einigen Gegenden weiterhin Vetter gesagt, während mittlerweile das Fremdwort Cousin weithin als hochdeutsch gilt.

Als letzte Gruppe seien hier einige Paare angeführt, die keines der vorgenannten Probleme aufweisen und deshalb unter allen Bedingungen als synonym gelten können.

Deutsche Synonyme
SubstantivGildeInnung
MumpsZiegenpeter
BriefträgerPostbote
SchornsteinfegerKaminkehrer
RanzenTornister
SetzeiSpiegelei
Verbentgegnenerwidern
Adverbbisherbislang
einstweilenvorerst/vorläufig
inzwischenmittlerweile/derweil
mithinsonach
mittlerweileunterdessen
überdieszudem
Konjunktionbevorehe
obgleichobwohl

Wahrscheinlich gibt es in jeder Sprache relativ wenige solcher Paare. Synonymie als solche ist nämlich funktionslos. Das betrifft natürlich nicht die zuvor angeführten Unterschiede in Stil und Dialekt. Dasselbe in anderen Worten zu sagen und sich durch die Wortwahl im Stil oder Dialekt zu unterscheiden, erfüllt selbstverständlich eine soziale Funktion. Für Vollsynonymie dagegen gibt es keine Funktion, die sie in regelhafter Weise erfüllte. Für Synonymie gilt nämlich ähnlich wie für Homonymie, daß sie den Zwecken der Sprachtätigkeit, Designata durch verschiedene Ausdrücke auseinanderzuhalten und im optimalen Falle eine biunikale Beziehung zwischen Designata und Bezeichnungen herzustellen, zuwiderläuft. Sie ist insoweit dysfunktional, ein Unfall der Semiose, der mit einer gewissen – ziemlich niedrigen – Wahrscheinlichkeit auftritt. Auf den zufälligen, unsystematischen Charakter von Synonymie weist auch die relativ hohe diesbezügliche ideolektale Variation hin.

Synonymie wird meist in bezug auf Wörter diskutiert. Der Begriff ist aber auf alle bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache anwendbar. Es können auch zwei Morpheme wie dt. -heit und -keit oder zwei Konstruktionen wie engl. to Vinf und V-ing (wie in Linda tried to sing und Linda tried singing) synonym sein. Sätze, die annähernd oder voll synonym sind, nennt man auch Paraphrasen. Zum Einsatz der Paraphrase als Methode der linguistischen Analyse s. anderswo.

In Definitionen besteht eine eigene Form der Synonymie zwischen Definiendum und Definiens (mehr dazu anderswo). Eine Definition eines Ausdrucks behauptet, daß das Definiens mit dem Definiendum synonym ist, ohne allerdings mit ihm in allen Kontexten austauschbar zu sein. Bei erschöpfenden Definitionen würde dies jedenfalls zu einem Stilbruch führen, falls das Definiens überhaupt anstelle des Definiendums in den Text eingebaut werden könnte. Eine lexikographische Definition stellt Synonymie zwischen Definiens und Definiendum empirisch fest, eine Nominaldefinition dagegen setzt sie fest.

Methodisches

Gemäß dem eingangs Gesagten sind zwei Ausdrücke synonym, wenn ihr Austausch in keinem Kontext einen Bedeutungsunterschied macht, wenn sie also nicht in Opposition stehen. Falls das voraussetzt, daß sie in allen Kontexten füreinander einsetzbar sind, so handelt es sich um die paradigmatische Relation der freien Variation. Tatsächlich aber gilt diese Voraussetzung nicht für Synonymie, denn auch Elemente, die in komplementärer Verteilung stehen, sind synonym. Komplementäre Verteilung setzt eine völlige Unterwerfung des Gebrauchs unter Regeln des Sprachsystems voraus. Sie findet sich nur bei stark grammatikalisierten signifikativen sowie bei distinktiven Einheiten. Beispiele für die komplementäre Verteilung von Synonymen wird man also am ehesten bei grammatischen Affixen finden, also etwa dt. -er und -en als Träger der Bedeutung “Plural”. Bei der Synonymie von Wörtern oder Einheiten noch höherer Ebenen spielt die komplementäre Verteilung dagegen kaum eine Rolle.

Ausdrücke, die in freier Variation stehen, sind in allen Kontexten austauschbar, ohne daß es für das Gemeinte irgendeinen Unterschied macht. Eine methodische Überprüfung zweier Ausdrücke bzgl. Synonymie geht also so vor, daß man zunächst für den einen alle Kontexte, in denen er verwendet wird, systematisch zusammenstellt und dann in den betreffenden Beispielen den anderen Ausdruck einsetzt. Dabei empfiehlt es sich, den Kontext möglichst umfangreich zu machen.

Die Default-Annahme jeglicher strukturaler linguistischer Analyse ist, daß verschiedene Ausdrücke etwas Verschiedenes bedeuten.1 Diese Hypothese verfolgt man insbesondere dann, wenn für zwei Ausdrücke oder Konstruktionen vorgeschlagen wird, sie seien synonym. Gemäß dem soeben Gesagten ist das viel seltener der Fall, als man leichthin anzunehmen geneigt ist. Die Aufgabe besteht allermeist darin, zu erweisen, daß zwei Ausdrücke nicht synonym sind. Ähnlich ist übrigens der methodische Ansatz gegenüber scheinbar übersetzungsäquivalenten Ausdrücken.

Für den Einzelnen ist die Frage, ob zwei Ausdrücke synonym sind, eine Frage seiner individuellen Sprachkompetenz ganz ebenso wie die Frage, ob ein Satz grammatisch ist. Natürlich gehen in solchen Punkten die Sprecherurteile auseinander. Solchen Sachlagen kann man methodisch mit Statistik zuleibe rücken. Das Verfahren ist einfach: Man gibt ein putatives Synonymenpaar einer Menge von Informanten zur Bewertung. Dazu gibt man zwei Bewertungsmöglichkeiten vor: ‘(voll-)synonym: ja oder nein’? Wenn der Informant mit ‘nein’ antwortet, hat er zusätzlich anzugeben, worin der Bedeutungsunterschied besteht.
Bei der Auswertung gruppiert man die Antworten wie folgt:

  1. eine Menge von Deklarationen von Synonymie,
  2. für alle Deklarationen von Nicht-Synonymie je eine Teilmenge für jeden angegebenen Bedeutungsunterschied.

Für die Auswertung kommt es nun vor allem darauf an, ob es in der zweiten Menge eine Teilmenge von signifikanter Größe gibt. Alle anderen Teilmengen in der zweiten Menge kann man getrost der ersten Menge zurechnen. Wenn aber diejenigen, die die Wörter für nicht-synonym erklären, in ihrer semantischen Differenzierung signifikant übereinstimmen, muß man konstatieren, daß ein Teil der Sprachgemeinschaft einen semantischen Unterschied macht, den der andere Teil nicht kennt. Das kann bedeuten, daß der erstere Teil die Sprache besser beherrscht (es kann sich freilich auch um einen dialektalen Unterschied handeln). Dieser Test läßt sich probeweise mit der letzten o.a. Liste von Synonymen durchführen.


1 Daß es die Default-Annahme ist, besagt natürlich nicht, daß es ein Dogma ist. Einige Linguisten würden angesichts von Paaren wie denen der letzten Tabelle entgegnen “Ja, aber diese Ausdrücke unterscheiden sich bestimmt in feinen Bedeutungsnuancen” bzw. “sie werden bestimmt unter verschiedenen Bedingungen verwendet”. Das ist jedoch eine Petitio Principii. Da die Sprache kein Naturphänomen ist, kann man Ausnahmen von Gesetzen (wie dem, daß verschiedenen Bedeutungen verschiedene Ausdrücke zugeordnet sind) nicht ausschließen.