1. Einführung

Zur Linearisierung

B1.a. Erna hung up the dress.
b.Erna hängte das Kleid auf.
B2.a. Erna has hung up the dress.
b.Erna hat das Kleid aufgehängt.
B3.a. The dress was hung into the wardrobe.
b.Das Kleid wurde in den Schrank gehängt.
B4.a. that Erna hung up the dress which she had bought
b.daß Erna das Kleid aufhängte, das sie gekauft hatte

Während die a-Sätze hinsichtlich der Linearisierung unauffällig sind, weisen die b-Sätze einen Widerspruch zwischen der Inhalts- und der Ausdrucksstruktur auf, der Diskontinuität heißt. Stellen Sie fest, wo diese jeweils liegt:

  1. Formulieren Sie diejenigen Bedeutungsbeziehungen, die im Ausdruck nicht gespiegelt werden.
  2. Welche Argumente lassen sich für die angenommenen Bedeutungsbeziehungen anführen?

Musterlösung

  1. In B1 besteht das komplexe Verb aus einfachem Verb und sog. Partikel, die die Verbbedeutung modifiziert.
    In B2 ist das Perfekt eine Kategorie des Vollverbs.
    In B3 ist das Passiv eine Kategorie des Vollverbs.
    In B4 bestimmt der Relativsatz das Nominal Kleid näher.
  2. In allen Fällen zeigt die Version #a, daß im Ausdruck beieinander steht, was semantisch zusammengehört. Dasselbe wäre bei Übersetzung in anderen Sprachen zu sehen. Nur in bestimmten Sprachen wie dem Deutschen stehen die beiden Teile jeweils nicht beieinander.
    Im einzelnen:
    B1: aufhängen vs. abhängen
    B2: Perfekt vs. Präteritum
    B3: Passiv vs. Aktiv
    B4: Relativsatz vs. partizipiales Attribut

Signifikativität vs. Distinktivität

(8 P.) Geben Sie für die sprachlichen Einheiten, die in den folgenden Ausdrücken unterstrichen sind, jeweils durch Ankreuzen der zutreffenden Spalte an, ob sie signifikativ oder lediglich distinktiv sind.

sprachliche Einheit signifikativ distinktiv
/ɛrge:pnis/ x
/ɛrge:bən/ x
/ɛrge:ən/ x
/ɛrge:bən/ x
/ʃraist/ x
/faist/ x
/ʃrait/ x
/brait/ x

Eine Einheit gilt als signifikativ, wenn die Kette, in der sie hier vorkommt, ein deutsches Wort abgibt, in dem sie signifikativ ist.

Holistischer und analytischer Zugriff

(8 P.) Bezeichnen Sie durch Ankreuzen der zutreffenden Spalte für jeden der folgenden Ausdrücke, ob die Zuordnung von Significans und Significatum idiosynkratisch ist oder Regeln folgt.

Ausdruckholistischanalytisch
Regelx
Ausnahmex
Heiliger Nikolausx
Weihnachtenx
treffenx
trefflichx
binx
lebex

2. Strukturale Grammatik

2.1. Grundbegriffe

Zur zweifachen Gliederung

.a.Harry runs ten miles in an hour.
b.h æ r i r ʌ n z t ɛ n m a ɪ l z ɪ n ə n a ʊ ɚ

(3 P.) Akzeptieren Sie .b als phonologische Wiedergabe des Satzes .a. Zeigen Sie die zweifache Gliederung von .b, indem Sie die Einheiten der ersten Gliederung durch "/" und die Einheiten der zweiten Gliederung durch "," abtrennen. (Bedenken Sie, daß nicht alle kleinsten bedeutungstragenden Einheiten Wörter sind.)

Musterlösung

b./h, æ, r, i, / r, ʌ, n, / z, / t, ɛ, n, / m, a, ɪ, l, / z, / ɪ, n, / ə, n, / a, ʊ, ɚ,

Kommentar: Falls aɪ ein Dipththong und aʊɚ ein Triphthong ist, wären die internen Kommata zu streichen.

Zu den paradigmatischen Relationen

B1. haben - sein mit dem Partizip Perfekt intransitiver Verben
B2. können - müssen mit dem Infinitiv
B3. schwaches Präteritum (z.B. in sagte) - starkes Präteritum (z.B. in trug)
B4. synthetischer Konjunktiv II (z.B. in trüge) - analytischer Konjunktiv II (z.B. in würde tragen)
B5. ehe - bevor
B6. als - nachdem
B7. Perfekt (z.B. in bin gelaufen) - Präteritum (z.B. in lief)
B8. seinwerden mit dem Partizip transitiver Verben
  1. (8 P.) Stellen Sie fest, welche paradigmatischen Beziehungen zwischen den beiden Elementen in B1 - B7 bestehen.
  2. (6 P.) Finden Sie Ausnahmen zu den komplementären Verteilungen und analysieren Sie diese.

Lösung

B1: (annähernd) komplementäre Distribution

B2: Opposition

B3: (annähernd) komplementäre Distribution

B4: (annähernd) freie Variation

B5: freie Variation

B6: Opposition

B7: Opposition

Ausnahmen zu B1: habe geschwommen und bin geschwommen, dito gewandert usw. Die alternativen Formen bedeuten nicht immer dasselbe; vgl. wir haben lange getanzt vs. wir sind durch den Saal getanzt.

Ausnahmen zu B3: backte und buk, webte und wob usw. Die alternativen Formen bedeuten dasselbe und sind nur diachron phasenverschoben.

Reinliche komplementäre Verteilungen, wie in der Phonologie, findet man bei bedeutungstragenden Einheiten selten, wegen der Neigung der Leute, mit verschiedenen Signifikantia verschiedene Signifikata zu assoziieren.

Zu den paradigmatischen Relationen

B1.a.Tischchen - Tischlein
b.Blümchen - Blümlein
c.Männchen - Männlein
B2.a.lauter - lautest
b.weiser - weisest
c.bunter - buntest
B3.a.Herren - *Herrer
b.Frauen - *Frauer
c.Kinder - *Kinden
d.Viecher - *Viechen

In B1 - B3 geht es um Zeichen (Suffixe), die an Substantiven und Adjektiven auftreten und deren Bedeutung abwandeln. In jedem Beispiel stehen zwei solcher Suffixe in einer paradigmatischen Beziehung zueinander.

  1. (3 P.) Welche paradigmatischen Beziehungen liegen vor?
  2. (6 P.) Worin unterscheiden sich die drei paradigmatischen Beziehungen?
  3. (6 P.) Wie hängen diese Unterschiede mit der Bedeutung der Suffixe zusammen?

Lösung

  1. B1: Freie Variation
    B2: Opposition
    B3: komplementäre Verteilung
  2. Sie unterscheiden sich erstens in der Einsetzbarkeit ihrer Glieder in einem gegebenen Kontext: Sie unterscheiden sich zweitens in dem semantischen Effekt, der bei Austausch eintritt:
  3. Da bei Austausch von -chen gegen -lein keine semantische Änderung auftritt, sind sie synonyxm.
    Da sich bei Austausch von -er gegen -est die Bedeutung ändert, haben die beiden Suffixe verschiedene Bedeutung.
    Da die Suffixe -er und -en nicht miteinander konkurrieren, können sie auch keine verschiedene Bedeutung haben. Da sie einander ergänzen, haben sie dieselbe Bedeutung.

Substitutionsklassen

B1.alle deine erwachsenen Söhne
  1. Bilden Sie zu jedem Wort in B1 eine Substitutionsklasse, indem Sie jeweils einige weitere von deren Mitgliedern anführen.
  2. Welche dieser Substitutionsklassen lassen sich beliebig erweitern, welche nicht?
  3. Inwiefern bedingen die in B1 bestehenden syntagmatischen Relationen die Zusammensetzung der Substitutionsklasse? Inwieweit bestimmen umgekehrt die Substitutionsklassen die bestehenden bzw. möglichen syntagmatischen Relationen?

Musterlösung

  1. -
    meine, diese, die ...
    intelligenten, beruftstätigen ...
    Töchter, Enkel, Angestellten ...
  2. Die erste nicht, die zweite in beschränktem Umfang, die anderen beliebig.
  3. Wenn deine nicht da stünde, könnte man andere Quantoren für alle einsetzen.
  4. Die an letzter Position festgestellte Substitutionsklasse kann nur von den anderen modifiziert oder determiniert werden, jedoch diese nicht modifizieren oder determinieren. Ähnliches gilt für die anderen.

Permutation

Vielleicht haben wir auf der Versammlung einen Fehler gemacht.

  1. Listen Sie alle grammatischen Permutationen (der signifikativen Einheiten) des obigen Satzes auf. Bezeichnen Sie in denjenigen Varianten, die nur unter engen Bedingungen möglich sind, den Hauptakzent mit einem Akut. Falls sich bei einer Permutation die Bedeutung ändert, geben Sie es an.
  2. Welcher Bestandteil bleibt in allen Varianten, die dieselbe Bedeutung wie das Beispiel haben, ortsfest?
  3. Welche Bestandteile können nicht getrennt werden?

Musterlösung

  1. Vielleicht haben wir einen Fehler gemacht auf der Versammlung.
    Vielleicht haben wir einen Fehler auf der Versammlung gemacht.
    Éinen Fehler haben wir vielleicht auf der Versammlung gemacht.
    Éinen Fehler haben wir auf der Versammlung vielleicht gemacht.
    Éinen Fehler haben wir vielleicht gemacht auf der Versammlung.
    Auf der Versammlung haben wir vielleicht einen Fehler gemacht.
    Auf der Versammlung haben wir éinen Fehler vielleicht gemacht.
    Wir haben vielleicht auf der Versammlung einen Fehler gemacht.
    Wir haben auf der Versammlung vielleicht einen Fehler gemacht.
    Wir haben éinen Fehler auf der Versammlung vielleicht gemacht.
  2. das finite Verb haben
  3. die Bestandteile des Nominalsyntagmas und des Präpositionalsyntagmas

Operationen der syntaktischen Analyse

B1.Erna verführte ihren Freund unter einer Linde.
  1. (5 P.) Nehmen Sie in B1, unter Beibehaltung des Status als selbständiger Aussagesatz, alle grammatischen Permutationen vor.
  2. (4 P.) Welche Syntagmen1 ergeben sich aus diesem Test?
  3. (1 P.) Welches Syntagma bleibt bei allen Permutationen ortsfest?
  4. (2 P.) Substituieren Sie in B1 jedes der Syntagmen von Punkt 2 durch hier und durch ∅ (d.h. lassen Sie es weg). In welchem Falle ist das Ergebnis ein grammatischer Satz?
  5. (1 P.) In welcher paradigmatischen Relation stehen hier und das in Punkt 4 identifizierte Syntagma?



1 Ein Syntagma kann auch bloß aus einer Einheit bestehen.

Musterlösung

  1. Erna verführte unter einer Linde ihren Freund.
    Unter einer Linde verführte Erna ihren Freund.
    Unter einer Linde verführte ihren Freund Érna.
    Ihren Freund verführte Erna unter einer Linde.
    Ihren Freund verführte unter einer Linde Érna.
  2. Erna, verführte, ihren Freund, unter einer Linde
  3. verführte
  4. *Hier/∅ verführte ihren Freund unter einer Linde.
    Erna *hier/∅ ihren Freund unter einer Linde.
    Erna verführte hier / ∅ unter einer Linde.
    Erna verführte ihren Freund hier/∅.
    Version 3 ist nur kontrastiv möglich. Version 4 ist zwanglos möglich; das Adverbial ist also optional.
  5. Opposition

Deutsche Adverbien als Distributionsklassen

B1.ausgesprochen, sofort, zu, noch, gemeinsam, schnell, ganz

Die Wörter in B1 können als Adverbien gebraucht werden. Beschränken Sie sich auf diese Funktion und zeigen Sie, daß auch sie noch heterogen ist, indem sie eigentlich zwei verschiedene Distributionsklassen umfaßt.

Lösung

V_ : sofort, noch, gemeinsam, schnell

_ Adj/_Adv: ausgesprochen, zu, ganz

Hypothese: die Klasse der präadjektivischen ist gleich der Klasse der präadverbialen Adverbien.

Ausdrucksverfahren

(9 P.) Die folgenden Beispiele zeigen verschiedene Verfahren, die Kombination der Bedeutung eines verbalen Lexems mit einer semantischen Komponente als Operator auszudrücken. Klassifizieren Sie sie, indem sie in jeder Zeile die richtige Spalte ankreuzen:

Lösung

Basissemant. KomponenteAusdruck lexikalisch flexivisch lexikalisch-syntaktisch derivativ frei grammatisch
“trinken”Kausativtränkenx
“trinken”Kausativtrinken lassenx
“lernen”Kausativlehrenx
“laufen”Präteritumliefx
“brennen”Terminativverbrennenx
“vergessen”Perfektvergessen habenx
“laufen”Konjunktiv IIliefex
“laufen”Konjunktiv IIwürde laufenx
“brennen”Progressivgerade brennenx

2.2. Strukturale Morphologie

2.2.1. Morphologische Analyse

Morphologische Segmentierung

  1. (2 P.) Segmentieren Sie die Wortform Unvereinbarkeit in binärer Analyse.
  2. (4 P.) Erläutern Sie den schrittweisen Aufbau der komplexen Form.

Musterlösung

  1. [ [ un [ [ ver ein ] bar ] ] keit ]
    1. Vom Zahlwort ein wird durch Präfigierung von ver- ein Verbstamm gebildet.
    2. Von diesem wird durch Suffigierung von -bar ein Adjektivstamm gebildet.
    3. Von diesem wird durch Präfigierung von un- ein weiteres Adjektiv gebildet.
    4. Von diesem wird durch Suffigierung von -keit ein abstraktes Substantiv gebildet.

Zur Wortstruktur

(Das Wort Mädchenhandelsschule ist strukturell zweideutig.)

B1. Neugierverhalten, erstaunlich, Schädelbasisbruch, Oberpostdirektor, Falschmünzerwerkstatt, Weltsicherheitsrat, Verundeutlichung, Einbeziehbarkeit, Gegenüberstellung, Unergiebigkeit

B1 enthält eine Menge komplexer Wörter.

  1. Zeigen Sie für jedes einzelne, daß es nicht bloß eine Reihung von Morphemen darstellt, sondern hierarchisch strukturiert ist, indem Sie die Schrittfolge angeben, nach der es aufgebaut wird. Entwickeln Sie dafür ein Darstellungsverfahren.
  2. Geben Sie für jedes Derivationsaffix an, von welcher Wortart Ableitungsbasis und -resultat sein müssen.

Musterlösung

  1. [[Neu gier][[ver halt]en]], [[ er staun ] lich ], [ [ Schädel basis ] bruch ], [ Ober [ post direktor ]], [[ Falsch [ münz er ] ] [werk statt ]], [ Welt [[ sicher heits ] rat ]], [[ Ver [ un [ deut lich ]]] ung ], [[[ Ein [ be zieh ]] bar ] keit ], [[[ Gegen über ] stell ] ung ], [[ Un [[ er gieb ] ig ]] keit ]
  2. Einige der folgenden Zuweisungen gelten nicht allgemein, sondern nur für die Beispiele in der Aufgabe.
    Kategorialität von Derivationsaffixen
    AffixBasisResultat
    ver-VerbVerb
    er-VerbVerb
    -lichVerbAdj
    -erVerbSubstantiv
    -heitAdjSubstantiv
    un-AdjAdj
    -ungVerbSubstantiv
    be-VerbVerb
    -barVerbAdj
    -keitAdjSubstantiv
    -igVerbAdj

Wortbildungsstruktur

(4 P.) Zeichnen Sie ein Diagramm für die interne Konstituentenstruktur von Ununterscheidbarkeitsaxiom.

Musterlösung

Lösung 1

Lösung 2

[[[ Un [[ unter scheid ] bar ]] keits ] axiom ]

Syntagmatische morphologische Struktur

Zeigen Sie die syntagmatische morphologische Struktur folgender Wörter durch Klammerung auf:

Musterlösung

  1. (2 P.) Zeigen Sie die syntagmatische morphologische Struktur von Wortbildungsregel durch Klammerung auf:
  2. (2 P.) Analysieren Sie das vorkommende Derivationsmorphem als Operator.

Lösung

1. [ [ [ Wort [ bild ung ] ] s] regel ]

2. [ [X]V-ung]N

Zur Segmentierung und Klassifikation

(Daten aus dem Italienischen)

1. Segmentierung

B1.a. ragazzo "Junge" - ragazza "Mädchen"
b.ragazzino "kleiner Junge" - ragazzina "kleines Mädchen"
c.canna "Rohr" - cannella "Röhrchen" - cannellone "großes Röhrchen"
d.padre "Vater" - padrone "Patron (großer Vater)" - padrona "Patronin"

Stellen Sie durch Substitutionstests (inkl. Substitution durch Null!) die Morphe in B1 fest. Wo besteht Sicherheit über die Morphemgrenzen, wo nicht?

2. Klassifikation

B2.a. ragazzo "Junge" - ragazza "Mädchen"
b.padrone "Patron" - padrona "Patronin"
B3.a. ragazzino "kleiner Junge" - ragazzetto "kleiner Junge"
b.carrozza "Kutsche" - carrozzina - "kleine Kutsche" - carrozzetta "kleine Kutsche"
B4.a. ragazzo "Junge", padre "Vater"
b.ragazzino "Jungchen" - padrino "Väterchen"
c.ragazzone "großer Junge" - padrone "Patron"

Klassifizieren Sie die unterstrichenen Morphe aufgrund ihrer Distribution zu Morphemen.

Musterlösung

  1. ragazz- “Junge/Mädchen”, cann- “Rohr”, padr- “Vater”
    -o M
    -a F
    -in- DEM
    -ell- DEM
    -on- AUG
    -e M/F
  2. -o und -a stehen in Opposition, gehören also zu verschiedenen Morphemen.
    -a und -e stehen in Opposition, gehören also zu verschiedenen Morphemen.
    -in- und -ett- stehen in freier Variation, sind also Allomorphe eines Morphems.
    -o und -e stehen in komplementärer Verteilung, sind also Allomorphe eines Morphems.
    Fazit: Wir haben die Morpheme -a, -o ~ -e sowie -in- ~ -ett-.

Halbvokalprothese

Formulieren Sie die Bedingungen der yukatekischen Halbvokalprothese. Nehmen Sie an, daß die Bedingungen so allgemein sind, wie die Evidenz aus den Beispielen es zuläßt.

Musterlösung

  1. Phonologische Bedingung: Hinter einem Klitikum, das auf etwas anderes als einen Obstruenten endet, wird einem vokalisch anlautenden Substantiv ein Halbvokal prothetiert.
  2. Morphologische Bedingung: Der prothetierte Halbvokal ist /j/ nach einem Klitikum der 3. Person, sonst /w/.

Zur Allomorphie

Stellen Sie sich vor, Sie müßten Deutsch als eine unbekannte exotische Sprache analysieren. Sie stoßen auf folgende Morphe:

B1.a. /ig/, z.B. in /vɔlk-ig-ə/ "wolkige"
b./iç/, z.B. in /vɔlk-iç/ "wolkig"
B2.a. /t/, z.B. in /ybɚ'le:k-t/ "überlegt" (Partizip Perfekt)
b./ən/, z.B. in /ybɚ'fa:R-ən/ "überfahren" (Partizip Perfekt)
  1. Zeigen Sie, daß die Morphe in B1 Allomorphe eines Morphems sind, und ebenso die in B2.
  2. Zeigen Sie, daß die Allomorphe kombinatorische Varianten sind. Welches sind die bedingenden Kontextfaktoren?
  3. Wieso spricht man in einem Fall von morphologisch, im anderen von phonologisch konditionierter Allomorphie?

Hinweis: Es empfiehlt sich, die in Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft gegebenen Definitionen der hier gebrauchten Termini zu ignorieren.


Musterlösung

1.

In beiden Fällen ergibt eine Substitutionsprobe, daß sie nicht im selben Kontext füreinander einsetzbar sind (B1: es gibt kein [volkig] bzw. [volkiçe]. B2: es gibt kein /y:beR'le:gen/ bzw. /y:beR'fa:Rt/ als PPP), sondern in komplementärer Verteilung stehen (s. Frage 2). Außerdem haben sie, wie die Übersetzungen ausweisen, je dieselbe Funktion. Also müssen es Allomorphe eines Morphems sein.

Korrektur: In der Aufgabe geht es darum, bestimmte morphologische Verhältnisse zu beweisen. Das ist nicht dasselbe wie eine Definition solcher Verhältnisse zu zitieren.

Synonymie ist kein (hinreichender) Grund für Allomorphie. Die Derivationssuffixe -ung und -t sind synonym, aber keine Allomorphe. Allomorphie ist ein strukturelles Verhältnis.

In einigen Varietäten stehen /ig/ und /iç/ nicht in komplementärer Verteilung. Das ist aber nicht (das in solchen Aufgaben als Default angenommene) Hochdeutsch.

2.

Bei B1: {ig} ist am Silbenende /iç/, sonst /ig/.

Weitere Beispiele: heiligt, Heiligung.

Bei B2: {Part.Perf.} ist nach schwachen Verben /t/, nach starken Verben /ən/.

Korrektur: Hat nichts damit zu tun, daß ein Flexionssuffix folgt (dies wäre eine morphologische Bedingung!). Die beiden Umgebungen müssen nicht ad hoc nach den gegebenen Beispielen, sondern logisch komplementär formuliert sein.

Strukturverhältnisse einer Sprache können sich nicht dadurch unterscheiden, daß das eine historisch begründet ist, das andere nicht.

3.

Die erste Alternation ist phonologisch konditioniert, weil die dafür verantwortliche Kontextbedingung (Silbenende) eine phonologische ist.

Die zweite Alternation ist morphologisch konditioniert, weil die dafür verantwortliche Kontextbedingung (Konjugationsklasse) eine morphologische ist.

Korrektur: Phonologische vs. morphologische Konditionierung hat nichts mit (fehlender) Wiedergabe in der Schrift zu tun. Außerdem war die Aufgabe gerade, keine Schrift vorauszusetzen.

Alternation im englischen definiten Artikel

Der englische definite Artikel the weist eine Alternation auf je nachdem, ob er vor Wörtern wie ape oder tape steht. Je nach der Art der von ihr betroffenen Einheiten kann es sich um eine phonologische oder eine morphologische Alternation handeln. Unabhängig davon können die Bedingungen, unter denen die Varianten auftreten, phonologische oder morphologische sein.

  1. (1 P.) Transkribieren Sie die beiden Formen des Artikels phonetisch.
  2. (2 P.) Unter welchen Bedingungen treten die beiden Formen auf? Ist die Alternation phonologisch oder morphologisch bedingt?
  3. (4 P.) Handelt es sich, im Hinblick auf die Art der betroffenen Einheiten, um eine phonologische oder eine morphologische Alternation?
  4. (4 P.) Welche phonologische Funktion hat diese Alternation?

Lösung:

1. [ðə][ði]

2. Die erste Form tritt vor Konsonant (inkl. Halbvokal), die zweite vor Vokal auf. Die Bedingungen sind also phonologischer Natur.

3. Von der Alternation ist ausschließlich der definite Artikel betroffen, nicht etwa alle Wörter, die auf [ə] enden. Insoweit ist es also eine morphologische Alternation (eine Allomorphie).

4. Sie sorgt, da sie zwischen die beiden marginalen Vokale ein [j] epenthetiert, für einen regelmäßigen Wechsel von Konsonant und Vokal im Syntagma. Man kann sie also als Silbenstrukturprozeß [Epenthese] auffassen.

Alternation im englischen indefiniten Artikel

Der englische indefinite Artikel a weist eine Alternation auf je nachdem, ob er vor Wörtern wie ape oder tape steht. Je nach der Art der von ihr betroffenen Einheiten kann es sich um eine phonologische oder eine morphologische Alternation handeln. Unabhängig davon können die Bedingungen, unter denen die Varianten auftreten, phonologische oder morphologische sein.

  1. (1 P.) Transkribieren Sie die beiden Formen des Artikels phonetisch.
  2. (2 P.) Unter welchen Bedingungen treten die beiden Formen auf? Ist die Alternation phonologisch oder morphologisch bedingt?
  3. (4 P.) Handelt es sich, im Hinblick auf die Art der betroffenen Einheiten, um eine phonologische oder eine morphologische Alternation?
  4. (4 P.) Welche phonologische Funktion hat diese Alternation?



Lösung:

1. [ə][ən]

2. Die erste Form tritt vor Konsonant (inkl. Halbvokal), die zweite vor Vokal auf. Die Bedingungen sind also phonologischer Natur.

3. Von der Alternation ist ausschließlich der indefinite Artikel betroffen, nicht etwa alle Wörter, die auf [ə] enden. Insoweit ist es also eine morphologische Alternation (eine Allomorphie).

4. Sie sorgt für einen regelmäßigen Wechsel von Konsonant und Vokal im Syntagma. Man kann sie also als Silbenstrukturprozeß [Prosthese] auffassen.

Allomorphie in den deutschen Konjugationsendungen

  1. (3 P.) Konjugieren Sie meinen, leiden, reisen, bleiben, leiten, reizen durch das Präsens Indikativ Aktiv.
  2. (6 P.) Systematisieren Sie die beobachtete Allomorphie in den Endungen.
  3. (8 P.) Formulieren Sie Regeln für die Konditionierung der Allomorphie.

Lösung

  1. mein-e leid-e reis-e
    mein-st leid-est reis-t
    mein-t leid-et reis-t
    mein-en leid-en reis-en
    mein-t leid-et reis-t
    mein-en leid-en reis-en
  2. 1) Eine Endung, die mit einem Alveolar beginnt, hat ein Allomorph mit vorangestelltem /e/.
    2) Eine Endung, die mit /s/ beginnt, hat ein Allomorph ohne dieses /s/.
  3. 1) Die e-haltigen Allomorphe treten nach Stämmen auf, die auf alveolaren Okklusiv enden (Epenthese).
    2) Der Schwund des /s/ tritt nach /s/ auf. Dies fällt unter die allgemeine Degeminationsregel des Deutschen, d.h. die Beschränkung, die Geminaten ausschließt.

Allomorphie im englischen Präteritalsuffix

  1. Setzen Sie engl. mend, paint, clean, weigh, park, miss ins Präteritum und transkribieren Sie das Präteritalsuffix phonetisch.
  2. Systematisieren Sie die beobachtete Allomorphie in den Endungen.1
  3. Schreiben Sie eine Regel für die Konditionierung der Allomorphie.



1 Dazu müssen Sie möglicherweise mehr Beispiele sammeln.




Lösung:

  1. 1) Endet der Stamm auf alveolaren Okklusiv, erscheint das Allomorph [əd].
    2) Endet der Stamm auf einen stimmhaften Laut außer [d], erscheint das Allomorph [d].
    3) Endet der Stamm auf einen stimmlosen Laut außer [t], erscheint das Allomorph [t].

Personalpronomina des Maori

Das folgende Paradigma enthält die Subjektspronomina des Maori.

Subjektpronomina des Maori
(Bauer 1996:371 apud Helmbrecht 2003, ch. 4.3.3)
Person
Numerus    ╲
Sg.Du.Pl.
1. inkl.taauataatou
1. exkl.aumaauamaatou
2.koekooruakoutou
3.iaraauaraatou

Machen Sie eine morphologische Analyse, welche die Morpheme und Allomorphe identifiziert.

Musterlösung

MorphemBedeutung
taa1. inkl.
au ~ maa1. exkl.
koe ~ koor ~ kou2.
ia ~ raa3
-uaDual
-touPlural

Hypothesen:
Die Allomorphe /au/ und /ia/ stehen, wenn kein Suffix folgt; sonst /taa/ bzw. /raa/.
/koor/ → /kou/ vor Konsonant; → /koe/ am Wortende.

2.2.2. Morphologische Prozesse

Zu den morphologischen Prozessen

(7 P.) Welche morphologischen Prozesse unterscheiden jeweils die Glieder der folgenden Paare?

Lösung

B1.bringe - brachterechts: a) unanalysiert: innere Modifikation;
b) analysiert als Kombination: innere Modifikation + Suffigierung
B2.lat. imperator "(der) Feldherr" - imperatoris "(des) Feldherrn"rechts: Suffigierung
B3.springe - Sprunglinks: Suffierung; rechts: innere Modifikation: Ablaut
B4.Huhn - Hühnchenrechts: innere Modifikation: Umlaut + Suffigierung
B5.beginnen - begonnenrechts: innere Modifikation: Ablaut
B6.nehmen - genommenlinks: Suffigierung; rechts: Zirkumfigierung + innere Modifikation: Ablaut
B7.lat. tund(o) "stoße" - tutud(i) "stieß"links: Infigierung; rechts: Reduplikation

Der deutsche Konjunktiv II

Beispiele für Konjunktiv II
von starken Verben
Indikativ PräteritumKonjunktiv II
standstände
batbäte
botböte
starbstürbe
schufschüfe
liefliefe
  1. (2 P) Vervollständigen Sie die Sammlung um Beispiele mit anderen Vokalen.
  2. (3 P.) Welcher spezifische morphologische Prozeß bildet den Stamm des Konjunktiv II auf der Basis des Präteritalstamms?
  3. (3 P.) Zu welcher Klasse morphologischer Prozesse gehört dieser?
  4. (3 P.) Worin besteht dieser Prozeß, phonologisch gesehen?
  5. (1 P.) Welches Verb in der obigen Liste ist eine Ausnahme zu der Regel?

Lösung

  1. rann - rönne, ging - ginge, nahm - nähme ...
  2. im Prinzip Umlaut, abgesehen von der Ausnahme
  3. innere Modifikation
  4. Nachvorneverlagerung des Wurzelvokals
  5. starb (sowie weitere Beispiele wie rann). Hier findet zwar auch Umlaut statt, aber auf Basis einer inexistenten Indikativform sturb (ronn).

Das deutsche Partizip Perfekt

Das Partizip Perfekt wird teils durch Veränderung der Wurzel, teils durch Affigierung gebildet. Die Einzelheiten der Veränderung der Wurzel (in B1) sind nicht Gegenstand der Aufgabe.

B1.a.biete – habe geboten
b.verbiete – habe verboten
c.biete an – habe angeboten
B2.a.arbeite – habe gearbeitet
b.verarbeite – habe verarbeitet
c.arbeite ab – habe abgearbeitet

(6 P.) Geben Sie die Regeln der Affigierung an (dazu müssen Sie ggf. mehr Beispiele sammeln). Beantworten Sie dabei die Frage, um welche Art von Affixen es sich jeweils handelt.

Lösung

Das deutsche Partizip Perfekt wird von einem Verbstamm X wie folgt gebildet:

  1. Wenn das Verb schwach konjugiert, lautet das Partizip X-(e)t. Es wird also durch Suffigierung gebildet.
  2. Wenn das Verb stark konjugiert, lautet das Partizip ge-X-en. Es wird also durch Zirkumfigierung gebildet.

Ist das Verb komponiert, wird das Determinans des Kompositums bei der Bildung des Partizips behandelt, als gehörte es nicht zum Stamm.

Pluralallomorphe

(6 P.) Illustrieren Sie sechs Allomorphe des deutschen substantivischen Pluralmorphems durch je ein Beispiel.

Lösung

Junge-n

Frau-en

Brüder

Kind-er

Sozi-s

Männ-er

Wagen

Mäus-e

Tag-e

Morphologische Prozesse im Präteritum

1.haltenhielten
2.kennenkannten
3.gehengingen
4.klemmenklemmten
5.denkendachten

Durch welche morphologischen Prozesse wird in den obigen Paaren das Präteritum gebildet?

Lösung

1. interne Modifikation: Ablaut
2. interne Modifikation: Ablaut + Suffigierung
3. Suppletion
4. Suffigierung
5. Suppletion + Suffigierung

2.2.3. Abteilungen der Morphologie

Zur Komposition

B1. taubstumm, Wandschrank, Feingold, drehbohren, hellrot, gutmachen, Dichterkomponist, Schrankwand, Breitwand, kennenlernen, fahrbereit, radfahren, fünfzehn, Werkshalle, Haltebügel, himmelblau, Rotkehlchen, weinrot, Hosenrock, Tageblatt, Blaubart, Strumpfhose, Trotzkopf

B1 enthält eine Menge von Komposita.

  1. Ordnen Sie die Wörter in einer zweidimensionalen Matrix nach der Wortart der Kompositionsglieder.
  2. Ordnen Sie die Wörter in drei Kategorien nach dem Kompositionstyp (der syntagmatischen Beziehung zwischen den beiden Gliedern).
  3. Wodurch wird die Wortart aller Komposita in B1 festgelegt? Suchen Sie Ausnahmen.

Lösung

  1. Jahrhundert, Nimmersatt, Taugenichts

Komposition und Derivation: Kategorien der Komponenten

B1.dazwischenschlagen, übermorgen, veilchenblau, Haustür, ebendort, Staatstrauer, breittreten, grünblau, fahrradfahren, Wegerecht
B2.irrig, säuberlich, säubern, Dummheit, tränken, professoral, eilends, Sendung, zertreten, abends, Burschenschaft, löffeln, röten
  1. (11,5 P.) Legen Sie Tabellen an, in denen Sie die Komposita und Derivata von B1 und B2 nach der Wortart aller involvierten Stämme klassifizieren.
  2. (4 P.) Wonach richtet sich die Wortart eines Kompositums, wonach die eines Derivatums?
  3. (4 P.) Die Kombination der Bestandteile eines Derivatums läßt sich nach folgendem Schema analysieren:
  4. [ __ ]V [ [X]V __ ]N.f
    | |
    Wandl -ung

Kategorisieren Sie die Derivationssuffixe -heit, -schaft, -ig, -s nach diesem Schema.

Lösung

1.
Determinatum
Determinans   ╲
SubstantivAdjektivVerbAdverb
Substantiv Haustür, Staatstrauer, Wegerechtveilchenblaufahrradfahren
Adjektiv grünblaubreittreten
Verb ?
Adverb dazwischenschlagenübermorgen1, ebendort
Resultat
Basis       ╲
SubstantivAdjektivVerbAdverb
Substantiv Burschenschaft professoral löffeln abends
Adjektiv Dummheit grünlich säubern säuberlich, eilends
Verb Sendung irrig tränken, zertreten
Adverb
2.

Die Wortart eines Kompositums bestimmt sich durch die Wortart seines Determinatums. Die Wortart eines Derivatums bestimmt sich nach der Kategorialität des Derivationsoperators.

3.

[ [ Dumm ]A -heit ]N.fem

[ [ Burschen ]N -schaft ]N.fem

[ irr- ]V -ig ]A – [ wolk- ]N -ig ]A


1 Genau genommen ist über nicht ein Adverb, sondern eine Präposition.

Zur Derivation

B1. blumig, Häuschen, unglücklich, fälschlicherweise, spötteln, Trank, Deutsch, schreckhaft, jählings, äußern, grünlich, Ankunft, feind, Roheit, heutig, hoffentlich, Sicht, trotz, ostwärts, verkleinern, versprechen, Lage, vorhanden, Jenseits, lesbar, Feindschaft, Beschreibung, orten, Ständer, abgeleitet, bejahen, äpfeln

B1 enthält eine Menge von abgeleiteten Wörtern.

  1. (8 P.) Ordnen Sie die Wörter in einer zweidimensionalen Matrix nach der Wortart der Ableitungsbasis und des Resultats.
  2. (8 P.) Ordnen Sie die Wörter in drei Kategorien nach der Ableitungsform durch a) Affigierung, b) innere Modifikation, c) Konversion der Basis. Es kann Mehrfachzuordnungen geben.

Lösung

Ableitung

Basis

Substantiv Adjektiv Verb Adverb
Substantiv Häuschen, Feindschaft blumig, traumhaft, feind orten, äpfeln trotz, ostwärts
Adjektiv Deutsch, Roheit unglücklich, grünlich äußern, verkleinern jählings
Verb Trank, Ankunft, Beschreibung lesbar, abgeleitet spötteln, versprechen hoffentlich
Adverb Jenseits heutig bejahen fälschlicherweise

2.

  1. Feindschaft, traumhaft, ostwärts, unglücklich, verkleinern, jählings, Sicht, lesbar, spötteln, hoffentlich, heutig, bejahen, fälschlicherweise
  2. äpfeln, Sicht, spötteln
  3. Deutsch, Jenseits

Wortbildungsprozesse

B1.Abwasch, Erhalt, Treff
B2.schneidern, grünen, tagen
  1. (2 P.) Welche Wortbildungsprozesse führen zu den Wörtern der obigen beiden Serien?
  2. (6 P.) Welche Argumente kann man für die Ableitungsrichtung geltend machen?
  3. (2 P.) Falls man auf die Analyse als gerichtete Prozesse verzichtet, wie lassen sich die durch solche Beispiele repräsentierten kategorialen Verhältnisse sonst analysieren?

Lösung

  1. B1: Konversion eines Verbalstamms in einen Substantivstamm (Nominalisierung zum Nomen acti).
    B2: Konversion eines Nominalstamms in einen Verbalstamm (Verbalisierung).
  2. Wenn man auf historische Argumente verzichtet, bleiben zwei Arten von Argumenten, strukturelle und semantische:
    a) Die strukturellen Argumente beziehen sich auf das bestehen regulärer Prozesse. Wenn z.B. die Substantive in B1 deverbal sind, hat man einen einheitlichen Konversionsprozess für elementare (treff-) und abgeleitete (erhalt-) verbale Basen. Sind sie dagegen die Basen der entsprechenden Verben, dann bliebe die Frage, wie das Substantiv Erhalt gebildet ist. Unabhängig von dieser Form wird ja im Deutschen kein Präfix er- gebraucht, das Substantive aus Basen wie halt ableitet.
    b) Die Bedeutungen der Substantive in B1 lassen sich am einfachsten mithilfe der zugrundeliegenden Verben definieren, und entsprechend die Bedeutungen der Verben in B2 am einfachsten mithilfe der zugrundeliegenden Nomina. Umgekehrt dagegen wird es künstlich oder zirkulär. Z.B. ist ein Schneider nicht einer, der schneidert, sondern einer, der (Kleider zu-)schneidet. Und ein Tag ist nicht der Zeitraum, nachdem es getagt hat; usw.
  3. Dann wären es lediglich Fälle kategorialer Indeterminiertheit. Sowohl in B1 als auch in B2 hätte man mit Stämmen zu tun, die als {N, V} kategorisiert sind.

Konjugationsklassen deutscher Voll- und Modalverben

  1. Konjugieren Sie grollen, wollen, schmollen, sollen durch das Präsens Indikativ Aktiv.
  2. Systematisieren Sie die beobachtete Allomorphie in den Endungen.
  3. Formulieren Sie eine Regel für die Konditionierung der Allomorphie.


Lösung

1.

groll-e soll
groll-st soll-st
groll-t soll
groll-en soll-en
groll-t soll-t
groll-en soll-en

2.

Es gibt zwei Konjugationsmuster, die sich in der Konjugation der ersten und dritten Person des Singulars unterscheiden. Muster 1 hat für die beiden Personen die Allomorphe -e, -t, Muster 2 die Allomorphe 0, 0. In den anderen Flexionsformen tritt in allen Konjugationsmustern jeweils dasselbe Morph auf.

3.

Ist es ein Modalverb, so wähle für die 1. und 3. Ps. Sg. die Allomorphe von Muster 2. Andernfalls wähle die Allomorphe von Muster 1.

Stammablaut in deutschen starken Verben

  1. Konjugieren Sie meiden, leiden, verleiden durch die 1. Pers. Ind. Akt. des Präsens und Präteritums sowie ins Partizip Perfekt.1
  2. Systematisieren Sie die beobachtete Allomorphie im Stamm auf höchster Abstraktionsebene (d.h. ignorieren Sie die besondere Ablautklasse).
  3. Schreiben Sie eine Regel für die Konditionierung der Allomorphie.



1 D.h.: bilden Sie die Stammformen.


Lösung

1.

meid-eleid-everleid-e
miedlittverleid-et-e
ge-mied-enge-litt-enverleid-et

2. 1) Eine Gruppe von Verben (die schwachen) hat in allen Formen ein einziges Stammallomorph.

2) Eine zweite Gruppe von Verben (die starken) hat ein zweites Allomorph mit einem anderen Vokal ohne phonologischen Bezug (Ablaut). [Das t in litt braucht nicht eigens behandelt zu werden.]

3. In starken Verben wechselt der Stamm im Präteritum und Partizip Passiv in einen lexikalisch bestimmten anderen Vokal.

[Es können auch im Präteritum und im Partizip zwei verschiedene sein.]

Stammallomorphie in deutschen Modalverben

  1. Konjugieren Sie grollen, wollen, sollen, dürfen, schlürfen durch das Präsens Indikativ Aktiv.
  2. Systematisieren Sie die beobachtete Allomorphie im Stamm.
  3. Schreiben Sie eine Regel für die Konditionierung der Allomorphie.

Lösung

1.

groll-esollwilldarf
groll-stsoll-stwill-stdarf-st
groll-tsollwilldarf
groll-ensoll-enwoll-endürf-en
groll-tsoll-twoll-tdürf-t
groll-ensoll-enwoll-endürf-en

2. 1) Eine Gruppe von Verben hat in allen Formen ein einziges Allomorph. Diese Gruppe umfaßt Vollverben und Modalverben.

2) Eine zweite Gruppe von Verben, die ausschließlich Modalverben enthält, hat zwei Allomorphe mit verschiedenem Vokal ohne phonologischen Bezug. Das Verhältnis kann unter Ablaut subsumiert werden.

3. In Modalverben, die für Ablaut markiert sind, tritt im Singular des Präsens Indikativ Aktiv das eine, im Plural (und übrigens in der ganzen übrigen Konjugation) das andere Allomorph auf.

Flexion vs. Derivation

Bilden Sie von den Verben senden, schicken, analysieren das Partizip Perfekt und das Verbalsubstantiv auf -ung und erläutern Sie daran den Unterschied zwischen Flexion und Derivation.




- gesandt, geschickt, analysiert; Sendung, ?Schickung, *Analysierung

- Flexion ist kategoriell regelmäßig in dem Sinne, daß eine Flexionskategorie von allen Mitgliedern einer gegebenen Wortart bildbar und die resultierende Bedeutungsveränderung immer dieselbe ist. Derivation ist kategoriell unregelmäßig in dem Sinne, daß eine derivative Kategorie nicht von allen Mitgliedern einer Wortart bildbar (*Analysierung) oder das Produkt semantisch unregelmäßig ist (?Schickung).

- Analysierung gibt's nicht, weil's Analyse schon gibt (Blockade eines Wortbildungsprozesses).

Morphologische Analyse

Gegeben sind deutsche Wörter wie nachts, flugs, eilends

  1. Erweitern Sie die Liste um drei weitere Beispiele.
  2. Welcher Wortart gehören diese Wörter an?
  3. Welcher Kategorie bzw. welchen Kategorien gehört die Basis an?
  4. Ist das -s das Genitivsuffix?
  5. Handelt es sich um Flexion oder Derivation?

Lösung:

  1. abends, spornstreichs, zusehends, ...
    vergebens, rechtens, unversehens usw. sollte man draußenhalten; da könnte ein Suffix -ens vorliegen.
  2. Adverb
  3. Substantiv oder Partizip (Präsens oder Perfekt)
  4. Auf keinen Fall, denn die partizipialen Basen und mehrere der substantivischen Basen bilden den Genitiv nicht mit -s.
  5. Es handelt sich um Derivation, da die Operation nicht syntaktisch relevant ist.

Zur Suppletion

B1. bin - war - gewesen
B2. gut - besser - best
B3. Geschäftsmann - Geschäftsleute

B1 - B3 enthalten Flexionsformen je eines Wortes.

  1. Suchen Sie für die betreffende Wortart je ein Wort, das in den relevanten Kategorien regelmäßig flektiert, und demonstrieren Sie an ihm das regelmäßige Flexionsparadigma.
  2. Was sind die Gemeinsamkeiten der Allomorphie in B1 - B3 mit derjenigen in der obigen Aufgabe, und wo liegen die Unterschiede?
  3. Führen Sie für jede der in B1 - B3 vertretenen Wortarten ein weiteres Beispiel an, das ebenso völlig unregelmäßig (suppletiv) flektiert.

Lösung

1. rede - redete -geredet
schön - schöner - schönst
Geschäftsfrau - Geschäftsfrauen

2.

3.a. gehe, ging, gegangen

b. viel, mehr, meist

c. Kind, Pänz

2.2.4. Morphologische Struktur

Agglutinative vs. Word-and-Paradigm-Morphologie

Die Repräsentationen in den folgenden Paradigmen sind phonemisch.

Das türkische Substantiv flektiert nach folgendem Muster (Beispiel "Haus"):

Numerus
Kasus    ╲
SingularPlural
Nominativevevler
Genitivevinevlerin
Dativeveevlere
Akkusativevievleri
Ablativevdenevlerden
Lokativevdeevlerde

Das russische Substantiv flektiert nach folgendem Muster (Beispiel "Tisch"):

Numerus
Kasus      ╲
SingularPlural
Nominativstolstalý
Genitivstalástalóv
Dativstalústalám
Akkusativstolstalý
Instrumentalstalómstalám'i
Lokativstal'éstaláx
  1. (6 P.) Listen Sie die vorhandenen Morphe vollständig auf und geben Sie für jedes seine Bedeutung/Funktion an.
  2. (4 P.) Worin besteht der wesentliche Unterschied zwischen Türkisch und Russisch in der Bildung der Formen?
  3. (4 P.) Welche der beiden morphologischen Techniken ist der Syntax ähnlicher, und inwiefern?

Musterlösung

1.
Türk. ev “Haus”, (∅ Nominativ,) -in Genitiv, -e Dativ, -i Akkusativ, -den Ablativ, -de Lokativ; (∅ Singular,) -ler Plural. (Die Nullmorpheme muß man nicht ansetzen.)

Russ. stol ~ stal- “Tisch”, ∅ Nom./Akk.Sg., Gen.Sg., Dat.Sg., -óm Instr. Sg., -'é Lok.Sg.; Nom./Akk.Pl., -óv Gen.Pl., -ám Dat.Pl., -ám'i Instr.Pl.; -áx Lok.Pl.

2.
Im Türkischen gibt es für jeden Wert einer Flexionskategorie ein Morphem. Ist dieser Wert spezifiziert, wird das Morphem an den Stamm angefügt, sonst nicht.

Im Russischen werden die Werte, die eine Wortform für seine Flexionskategorien annimmt, alle in einem einzigen Morphem fusioniert ausgedrückt; für jede Kombination von Werten gibt es also ein Morphem.

3.
Die türkische, i.e. agglutinative Technik ist der Syntax ähnlicher, denn sowohl in der Syntax als auch in der agglutinativen Morphologie werden Einheiten sequentiell miteinander kombiniert.

Morphologische Markiertheit

Serie 1:
a.kauf-ekauf-stkauf-t
b.Lat. modus "Art" im Singular:
mod-usmod-imod-omod-ummod-o
Nom.Gen.Dat.Akk.Abl.
Serie 2:
a.KindKind-er
b.kauf-ekauf-t-e
c.schönschön-er
  1. (5 P.) Welche morphologischen Kategorien und welche Werte illustrieren die Beispiele?
  2. (4 P.) Worin bestehen die wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Serie?
  3. (6 P.) Bringen Sie Beispiele von Verwendungen der Formen der linken Spalte der zweiten Serie in der Bedeutung der rechten Spalte.
  4. (4 P.) Entsprechende Beispiele gibt es für die Oppositionen der ersten Serie nicht. Was schließen Sie bzgl. des Bedeutungsverhältnisses der Werte der Kategorien in der zweiten Serie?

Lösung

  1. Serie 1.a: Person: 1., 2., 3.
    1.b: Kasus: Werte wie drunterstehend
    Serie 2.a: Numerus: Singular, Plural
    2.b: Tempus: Präsens, Präteritum
    2.c: Komparation: Positiv, Komparativ
  2. In Serie 1 hat jeder Wert sein Morphem; in Serie 2 hat ein Wert ein Morphem, der andere nicht. (Es sieht so aus, als ob außerdem die Kategorien der Serie 2 binär sind, die der Serie 1 nicht. Aber erstens fehlt in der letzten Kategorie der Superlativ; und zum zweiten ist Binarität eine Frage der Analyse; auch die Paradigmen von Serie 1 können binär organisiert sein.)
  3. 2.a: Erna kam mit Kind und Kegel; Was Eltern wissen sollten, um ihr Kind vor Krankheiten zu schützen (WWW 02.03.05); evtl. auch jedes Kind
    2.b: Gestern stehe ich gerade an der Kasse von Karstadt und kaufe ein paar Socken, und wen sehe ich da? Erna!
    2.c: Erwin ist schön im Vergleich zu Erna / Erwin ist doppelt so schön wie Erna.
  4. Man muß schließen, daß die Bedeutung (Intension) des jeweils ersten Gliedes die des jeweils zweiten Gliedes einschließt.

Markiertheit im Numerus

(8 P.) Zeigen Sie, daß nach den Kriterien von Webskript §2.2.4.1.2 im Deutschen der Plural gegenüber dem Singular markiert ist.

Musterlösung

  1. Neben einem Nullallomorph für den Plural gibt es zahlreiche overte Pluralmorphe. Es gibt kein einziges Singularmorph und folglich auch kein Singularmorphem.
  2. Der Plural bedeutet in allen Fällen Mehrzahl. Der Singular bedeutet nichts. In Sätzen wie wir trafen uns am Anger ist nicht gesagt, daß nur ein einziger Anger involviert ist; sondern es wird keine Information über den Numerus gegeben. In Sätzen wie der Wal ist ein Säugetier steht der Singular für eine Mehrzahl, und ebenso in Ausdrücken wie drei Glas Bier und meine Söhne sind Dirigent von Beruf.
  3. Die Opposition zwischen Singular und Plural ist z.B. neutralisiert in Massensubstantiven wie Sand und Sahne. Hier erscheint nur der Singular.
  4. Achtet man bei der Kasusdeklination auf unterschiedlichen Ausdruck, stellt man fest, daß im Plural nie mehr Kasus unterschieden werden als im Singular. Z.B. Sg. Tag - Tages - Tag(e) - Tag; Pl. Tage - Tage - Tagen - Tage.
    In der Deklination des Adjektivs werden im Singular (mindestens in einigen Kasus) drei Genera unterschieden. Im Plural werden sie nie unterschieden.

Markiertheit der Modi

Untersuchen Sie die Markiertheitsverhältnisse der deutschen Modi Indikativ und Konjunktiv anhand eines Beispielpaars wie schlugschlüge:

  1. Wie ist das Verhältnis der Ausdruckselemente, die für die beiden Modi stehen?
  2. Was sind die Significata der beiden Modi?
  3. Gibt es Kontexte, in denen die Opposition neutralisiert ist?
  4. Wie stark sind die beiden Modi in den Tempora ausdifferenziert?
  5. Welcher der beiden Modi hat die höhere Textfrequenz? (Das kann man durch eine Google-Suche annähern.)

Musterlösung

  1. Der Modus wird in erster Linie durch den Verbstamm, in zweiter Linie durch das Paradigma der Personalendungen bezeichnet. Im Stamm gibt es im Konjunktiv II Umlaut, dem im Indikativ nichts entspricht. In den Endungen hat der Konjunktiv gegenüber dem Indikativ ein /e/ mehr.
  2. Das Significatum des Konjunktivs ist “ich stelle den Inhalt des Satzes nicht als eine Tatsache dar”. Dem entspricht auf der Seite des Indikativs nichts. (Der Indikativ bedeutet nicht “ich stelle den Inhalt des Satzes als eine Tatsache dar”; er ist nicht die “Wirklichkeitsform” [deutsche Schulgrammatik]).
  3. U.a. in zahlreichen Nebensatztypen, z.B. in daß-Sätzen vom Typ ich vermute, daß er schläft oder in mit nachdem eingeleiteten Sätzen wie nachdem ich die Aufgabe gelöst hatte, verließ ich die Sitzung. Da ist nur der Indikativ möglich.
  4. Eine Google-Suche ergibt: schlugst 26.200, schlügest 2.400 Vorkommen.

Paradigmatische Variabilität

Die wichtigsten deutschen Kasusrelatoren sind die Kasus und die Präpositionen. Die folgenden Präpositionen sind primäre Präpositionen: an, auf, hinter, in, neben, über, unter, vor, zwischen, bei, von, zu, ab, aus, mit, nach, samt, seit.

Stellen Sie die relative paradigmatische Variabilität von Kasus und primären Präpositionen fest.

Musterlösung

Es gibt im Deutschen nur ganz wenige Kontexte, wo zwei Kasus alternieren. Beispiele:

Der Normalfall ist, daß in einem gegebenen Kontext nur ein Kasus möglich ist, wie der Versuch, in einem beliebigen Absatz des Webskripts an passender Stelle einen Kasus auszutauschen, lehrt.

Es gibt zahlreiche Kontexte, wo zwei Präpositionen in Opposition stehen, z.B. in Erna steht vor/hinter der Kirche. Daneben gibt es auch Kontexte, wo die Präposition nicht ersetzt werden kann. Das gilt z.B. bei Verben mit präpositionaler Rektion, z.B. in Erna verließ sich auf/*unter Erwin.

Die (intra)paradigmatische Variabilität der Präpositionen ist also ungleich höher als die der Kasus. Der Kasus wird fast immer durch eine syntaktische Regel erfordert; die Wahl der Präposition dagegen folgt in vielen Fällen semantischen Rücksichten, d.h. dem, was der Sprecher sagen will.

Artikelfusion

Die folgenden Präpositionen sind primäre Präpositionen: ab, an, auf, aus, bei, hinter, in, mit, nach, neben, samt, seit, über, unter, von, vor, zu, zwischen.

  1. (4 P.) Teilen Sie die primären Präpositionen in artikelfusionierende und nicht artikelfusionierende ein.
  2. (4 P.) Welche Artikelformen fusionieren; was sind die Fusionsformen?

Musterlösung

  1. a) Fusionierend: an, auf, hinter, in, neben, über, unter, vor, bei, von, zu
    b) Nicht fusionierend: ab, aus, mit, nach, samt, seit, zwischen.
  2. Nur der definite Artikel, und zwar:
    Dativ: dem > n; der > r nur mit zu
    Akkusativ: den > n, das > s

Der periphrastische Konjunktiv II

  1. (4 P.) Beschreiben Sie die Bildung des periphrastischen Konjunktiv II.
  2. (2 P.) Was ist die paradigmatische Relation zwischen dem periphrastischen und dem synthetischen Konjunktiv II?

Musterlösung

  1. Zu einem Vollverb X wird der periphrastische Konjunktiv II wie folgt gebildet:

    [ würd- -Personalendung ]V.Konj_II.fin [ X ]V.Inf ]V.Konj_II.fin

  2. Sie stehen nirgends in Opposition. In sehr vielen Kontexten stehen sie in freier Variation. In anderen stehen sie in komplementärer Verteilung. Z.B. gilt in irrealen Konditionalsatzgefügen tendentiell, daß der Konditionalsatz im synthetischen, der Hauptsatz im analytischen Konjunktiv II steht, z.B. in wenn ich gesund wäre, würde ich kommen.

Komplexe Verbformen

B1. Du hast Helmut und Hannelore getraut.

(2 P.) Zeigen Sie, daß hast ... getraut, wiewohl syntagmatisch getrennt, doch eine (komplexe) Verbform ist.

Lösung:
Wenn man den Satz in ein anderes Tempus setzt, erscheint eine einfache Verbform, z.B. traust, trautest. Wird im Tempusparadigma die Kategorie Perfekt gewählt, so muß ein Hilfsverb eingesetzt werden, das in bestimmten syntaktischen Situationen vom Vollverb getrennt wird.

Morphologische Prozesse in der Verbstammbildung

auflegen auferlegen
abrufen abberufen
zuteilen zuerteilen
vorstellen vorbestellen
anwandeln anverwandeln
  1. Geben Sie eine strukturelle Beschreibung der beiden illustrierten morphologischen Prozesse, eines jeden für sich.
  2. Beschreiben Sie das Verhältnis der linken zu den rechten Elementen der Paare.

Achtung, die Datenpräsentation ist bewußt irreführend!

Lösung

  1. a) Verbpräfigierung: Vor den Verbstamm wird ein unbetontes Präfix (be-, er-, ver-) gesetzt.
    b) Präverbierung: Vor den Verbstamm wird ein betontes Adverb (auf, ab, zu, vor, an) gesetzt.
  2. Der morphologische Slot für Präverbierung liegt vor dem Slot für Verbpräfigierung. Daher zeigen die Verben der rechten Spalte Präverb und Präfix in dieser Reihenfolge. Die Verben der linken Spalte sind bloß präverbiert, nicht präfigiert. Der Präfixslot bleibt also leer.

Kommentar: In Wörtern wie verausgaben scheinen Präfix und Präverb in umgekehrter Reihenfolge zu stehen. Aber die Struktur ist [ver- [ aus-gab- ]N ]V. Es liegt also keine Präverbierung von gab- vor. Stattdessen wird von der Basis [ausgeb]V zunächst [Ausgabe]N abgeleitet. Dieses wird dann durch Präfix verbalisiert.

2.3. Strukturale Syntax

2.3.1. Syntaktische Kategorien

Morphologische und syntaktische Regeln

(7 P.) Weisen Sie die folgenden grammatischen Regeln der Morphologie oder der Syntax zu:

  1. Jedes Verb wird nach Person und Numerus konjugiert. [M]
  2. Das Präteritum schwacher Verben wird durch das Suffix -(e)t gebildet. [M]
  3. In einem durch nachdem eingeleiteten Nebensatz steht das Plusquamperfekt. [S]
  4. Die Präposition wegen verlangt den Genitiv. [S]
  5. Das finite Prädikatsverb kongruiert mit dem Subjekt in Person und Numerus. [S]
  6. Das Vergleichsobjekt nach dem Komparativ wird mit als angeschlossen. [S]
  7. Adjektive werden regelmäßig gesteigert durch Anhängen der Suffixe -er und -est. [M]

Distribution von Adjektiven

B1 enthält eine Menge von Adjektiven. B2 illustriert zwei Kontexte, in denen Adjektive auftreten, genannt “attributiver Gebrauch” (B2.a) und “prädikativer Gebrauch” (B2.b).

B1.dortig, ehemalig, eingedenk, getrost, gewillt, heillos, klaglos, quitt, ständig, zerstreut
B2.a.der zerstreute Professor
 b.der Professor ist zerstreut
  1. (2 P.) Definieren Sie die beiden Kontexte.
  2. (4 P.) Klassifizieren Sie (in einer Matrix) sämtliche Adjektive aus B1 danach, in welchen dieser Kontexte sie auftreten.
  3. (3 P.) Fassen Sie diese Klassifikation zu einer Definition der sich ergebenden Distributionsklassen von Adjektiven zusammen.
  4. (3 P.) Ergänzen Sie jede Distributionsklasse um ein weiteres Adjektiv.

Lösung:

  1. K1: [ X __ N ]Nom
    K2: [ X Kop __ ]S
  2. D1: dortig, ehemalig, ständig
    D2: eingedenk, getrost, gewillt, quitt
    D3: gnädig, heillos, gefährlich
  3. D1: K1 (nur attributiv verwendete Adjektive)
    D2: K2 (nur prädikativ verwendete Adjektive)
    D3: K1 & K2 (unbeschränkt distribuierte Adjektive)
  4. D1: französisch
    D2: futsch, schuld
    D3: schön, groß

Distributionsklassen

B1 enthält eine Menge von auf -lich abgeleiteten Wörtern.

B1.abenteuerlich, bitterlich, folglich, freundlich, schwerlich, sicherlich, sommerlich
  1. (4 P.) Geben Sie für jedes Derivat die Basis und deren Wortart an.
  2. (4 P.) Zeigen Sie mit geeigneten Methoden, daß die Wörter von B1 verschiedenen Distributionsklassen angehören.
  3. (2 P.) Benennen Sie die Distributionsklassen mit geläufigen Bezeichnungen.

Musterlösung

  1. [Abenteuer]N, [bitter]Adj, [Folge]N, [Freund]N, [schwer]Adj, [sicher]Adj, [Sommer]N
    Kommentar: Im Prinzip könnte es auch [folg]V sein. Aber es gibt dazu kein analoges Beispiel, während es andererseits klare Fälle von [X]N-lich gibt.
  2. K1: Das schmerzt Erna __. Einsetzbar: bitterlich, folglich, schwerlich, sicherlich.
    K2: Das war ein __er Tag. Einsetzbar: abenteuerlich, freundlich, sommerlich.
    D1: Wörter (auf -lich), die in K1, nicht jedoch in K2 einsetzbar sind.
    D2: Wörter (auf -lich), die in K2, nicht jedoch in K1 einsetzbar sind.
  3. D1: Adverb (auf -lich)
    D2: Adjektiv (auf -lich).
    Kommentar: Deadjektivische Bildungen auf -lich sind Adverbien, da die Basen keine Adjektivierung nötig haben.

Zu den syntaktischen Kategorien

Geben Sie die syntaktische Kategorie der folgenden acht Syntagmen an:

B1.du
B2.jenseits des Flusses
B3.erfolgreiche Frau
B4.war eine traurige Geschichte
B5.folgte dem Führer blindlings
B6.ganz erheblich zu schnell
B7.Fritz
B8.jenseits


Lösung

Die syntaktischen Kategorien stehen im Skript, § 2.3.1.

B1. NS

B2. PräpS

B3. Nom

B4. PrädS

B5. PrädS, VS

B6. Adj-al (evtl. Adv-al)

B7. NS

B8. Adv-al (oder Prädikatsnomen)

Prä- und postnominale Genitivattribute

Genitivattribute können im Deutschen prinzipiell prä- (B1) oder postnominal (B2) stehen.

B1.Ernas neues Kleid
B2.die Entscheidung der Bundesregierung

Stellen Sie durch Anwendung geeigneter Methoden fest, welche Klassen von (pro-)nominalen Ausdrücken in den beiden Positionen des Genitivattributs stehen können.

Musterlösung

Das Possessivpronomen als Attribut wäre ein possessives Attribut, aber kein Genitivattribut. Es wird dennoch im folgenden zusätzlich einbezogen.

1. Pränominale Genitivattribute

a.mein/Erwins/des Kanzlers/?der Lehrerin schöner Hut
b.*einiger Leute schöner Hut, ?einiger Leute Meinung, *meiner Familie Wohnung, *des Nominalsyntagmas erste Konstituente, *der Butter/des Käses Konsistenz

In Position eines pränominalen possessiven Attributs bzw. Determinators können zwanglos Possessivpronomina und Eigennamen stehen. Bezeichnungen individueller Personen können da auch stehen, aber die Konstruktion ist eher ungebräuchlich (B3.a). Andere Nominalsyntagmen können da entweder nicht stehen, oder die Konstruktion ist stilistisch stark markiert. Je höher also ein nominaler Ausdruck auf der Empathie-/Belebtheitshierarchie, desto eher kann er in dieser Position stehen.

2. Postnominale Genitivattribute: alle.

Zu den Substantivklassen

B1.Apfel, Stein, Schreibtisch ...
B2.Holz, Sand, Wasser ...
B3.Stück, Haufen, Glas ...

Die Beispielreihen in B1 und B2 repräsentieren zwei verschiedene lexikalische Klassen.

  1. Welche semantischen Eigenschaften konstituieren sie? Zur Diagnose setzen Sie die Wörter – und zwar angepaßt im Singular oder Plural – in folgende Kontexte:
  2. Erweitern Sie die Klassen um je fünf Mitglieder.
  3. Die Wörter aus B3 können mit den Wörtern aus B2 zu Syntagmen verbunden werden. Wie steht es mit der Einsetzbarkeit dieser Syntagmen in die obigen Kontexte?
  4. Formulieren Sie eine Operation, die den beobachteten Wechsel der Distributionsklasse zustande bringt, und wenden Sie sie auf weitere Beispielwörter an.
  5. Was passiert, wenn man in die mit den Wörtern in B3 eingeleiteten Syntagmen die Wörter in B1 statt derer in B2 einsetzt?

Musterlösung

  1. Die relevante semantische Eigenschaft ist also [± zählbar]: B1: [+ zählbar] = Individualsubstantiv, B2: [- zählbar] = Massensubstantiv.
  2. Diese Syntagmen haben dieselbe Distribution wie die Wörter aus B1.
  3. Die Wörter aus B3 heißen Mensurative. Die Mensurativkonstruktion ist die folgende:
    [ [ X ]Mens [Y]N[-zählbar] ]Nom[+ zählbar]
    Hier ist Y der Operand und X der Operator. Die Operation überführt den Operanden in ein zählbares Nominal.
  4. Die Designata der Wörter in B1 werden “vermasst”.

2.3.2. Konstituenz

Konstituenz

Die Kolumne läuft jetzt schon ziemlich lange.

  1. (4 P.) Stellen Sie in dem Beispiel die Konstituenz durch Permutationen (vorführen!) fest. Die Permutationen lassen den Satztyp und den Skopus der Fokuspartikel intakt.
  2. (4 P.) Stellen Sie die Konstituenz dar (ein nicht-indiziertes Baumdiagramm genügt).

Lösung

1:

Kriterial für die Feststellung der Konstituenz ist die Frage, welche Teile des Adverbials in Erststellung gebracht werden können:

  1. Jetzt läuft die Kolumne schon ziemlich lange.
  2. Jetzt schon läuft die Kolumne ziemlich lange.
  3. Schon ziemlich lange läuft die Kolumne jetzt.
  4. Ziemlich lange läuft die Kolumne jetzt schon.
  5. *Jetzt schon ziemlich lange läuft die Kolumne.1

Jede der Stellungsvarianten 1 - 4 hat ein Pendant mit dem Subjekt am Schluß:

  1. Jetzt läuft schon ziemlich lange die Kolumne.
  2. Jetzt schon läuft ziemlich lange die Kolumne.
  3. Schon ziemlich lange läuft jetzt die Kolumne.
  4. Ziemlich lange läuft jetzt schon die Kolumne.

Diese Varianten bringen jedoch gegenüber den ersteren keinen zusätzlichen Aufschluß und werden im folgenden ignoriert. Dasselbe gilt für weitere Varianten, die die postverbalen Adverbien umstellen.

Der Test hat kein eindeutiges Ergebnis in bezug auf die Konstituenz. Denn gemäß Permutation Nr. 2 scheint jetzt schon eine Konstituente zu sein, gemäß Nr. 3 jedoch schon ziemlich lange. Erstere Konstituenz setzt allerdings einen Kontrastakzent auf jetzt voraus; d.h. sie verletzen die Bedingung, daß der Skopus der Fokuspartikel (schon) intakt bleiben muß. Daher entscheide ich mich unten für die letztere.

Zwei Ergebnisse bzgl. der Adverbialien sind jedoch sicher:

Folgende Permutation

  1. Ziemlich lange läuft jetzt die Kolumne schon.

zeigt ebenfalls, daß jetzt und schon keine Schwestern sind.

Die Permutationen sind nicht alle synonym, weil der Skopus von schon wechselt. Wenn man noch klarere Skopusveränderungen zuläßt, werden noch mehr Permutationen möglich, etwa:

  1. Die Kolumne läuft schon jetzt ziemlich lange.
  2. Ziemlich lange schon läuft die Kolumne jetzt.
  3. usw.

2.

[ [ Die Kolumne ] [ läuft [ jetzt ] [ schon [ ziemlich lange ] ] ] ]


1 Eine Google-Suche (05.06.07) ergibt folgendes: Die Sequenz jetzt schon ziemlich lange wird 9.800 mal gefunden, davon unter den ersten 30mal kein einziges Mal in Erststellung. Die Sequenz schon ziemlich lange habe wird 161mal gefunden, und zwar bereits unter den ersten 10 Belegen einmal am Anfang eines selbständigen Satzes.

Zur Konstituenz

B1. Some extremely progressive students want the professors of this university to be paid by the hour.
  1. Ordnen Sie die Wörter in B1 den Wortarten zu.
  2. Stellen Sie nach der obigen Definition die Konstituenzrelationen in B1 fest. Stellen Sie die Konstituentenstruktur graphisch dar.2
  3. Welche Kriterien lassen sich für die Bedingungen der Definition angeben? Machen Sie Substitutionsproben.

2 Lassen Sie [ to be paid ]VS unanalysiert.

Musterlösung

1 + 2:

3:

Die Operationalisierung der Bedingung der Inklusion ist trivial: es ist die Teil-Ganzes-Beziehung zwischen einer Kette X (das Ganze) und einer Kette Y (der Teil). Aufwendiger ist die Operationalisierung des Begriffs ‘Syntagma’. Durch ihn wird gerade sichergestellt, daß nur solche Ketten X und Y in Betracht kommen, die durch syntaktische Relationen intern zusammenhängen, im Gegensatz zu willkürlich oder falsch abgeteilten Ketten.

Z.B. könnte die Kette the professors in B1, unabhängig vom Kontext betrachtet, ein Syntagma sein (nämlich ein NS). In B1 kann sie das aber nicht sein, denn es gibt keine grammatische Relation, durch die das Syntagma of this university mit diesem putativen Syntagma verbunden werden könnte. Stattdessen gibt es ein Syntagma professors of this university, denn es gibt eine Relation (nämlich Attribution), durch die of this university mit professors verbunden werden kann.

Das Kriterium der Identifikation eines Syntagmas ist folglich das seiner möglichst unbeschränkten Kombinierbarkeit.

Koordination und Subordination1

Das Ziel der folgenden Analyse ist es, die Kriterien der Unterscheidung zwischen koordinativer und subordinativer Konjunktion zu explizieren.

B1.Erna arbeitet und Erwin schläft.
B2.Erna arbeitet wenn Erwin schläft.
  1. (2 P.) Nehmen Sie alle Permutationen in B1 und B2 vor, die die Bedeutung nicht verändern und deren Ergebnis grammatisch ist.
  2. (2 P.) Welche Syntagmen ergeben sich aus den Permutationen in B1 und B2?
  3. (4 P.) B2 scheint aus B1 durch Substitution hervorzugehen. Nehmen Sie die Substitution auch in den permutierten Versionen vor. Gehören die beiden Konjunktionen gemäß dem Ergebnis der Permutationen und Substitutionen in eine Distributionsslasse?
  4. (2 P.) Zeigen Sie für je eine weitere Konjunktion durch Substitution für und bzw. wenn in den Varianten (inkl. der Permutationen) von B1 und B2, daß sie sich distributionell jeweils ebenso wie diese verhalten.
  5. (2 P.) Wenden Sie in B1 und B2 auf sämtliche in Punkt 2 gefundenen Syntagmen, mit Ausnahme einzelner Wörter, die keine Konjunktionen sind, die Weglaßprobe an. In welchen Fällen ist das Ergebnis ein grammatischer Satz (sentence)?
  6. (6 P.) Definieren Sie 'koordinierter Satz' (co-ordinate clause) und 'subordinierter Satz' (subordinate clause) auf der Basis der Ergebnisse von Punkt 1 - 5.
  7. (2 P.) Definieren Sie 'koordinative Konjunktion' und 'subordinative Konjunktion' auf der Basis der Ergebnisse von Punkt 1 - 6.

1 Beiordnung und Unterordnung


Musterlösung

1.B1'. Erwin schläft und Erna arbeitet.
B2'. Wenn Erwin schläft, arbeitet Erna.
2.B1. [ Erwin schläft ] [ und ] [ Erna arbeitet ]
B2. [ [ Erna ] [ arbeitet ] ] [ wenn Erwin schläft ]
3.

B2'. Erwin schläft, wenn Erna arbeitet.
Das bedeutet nicht dasselbe wie B2.
B1'. Und Erwin schläft, arbeitet Erna.
Das ist ungrammatisch.

Sie scheinen in die Klasse der Elemente zu gehören, die in B1 bzw. B2 an der Grenze zwischen den Teilsätzen substituierbar sind. Allerdings würde eine solche Substitution, wie Punkt 2 zeigt, in verschiedenen Syntagmen vorgenommen werden. Sie würde also die Bedingung verletzen, daß man beim Test der paradigmatischen Relationen die syntagmatischen konstant halten muß.

An der ersten Position der permutierten Version von B2 sind sie nicht substituierbar. Sie haben also verschiedene Distribution, gehören also in verschiedene Distributionsklassen.

4.Wenn ich in B1 und durch oder substituiere, bekomme ich ein grammatisches Ergebnis, und die Bedingungen der Permutation bleiben dieselben. Folglich gehören und und oder in eine Distributionsklasse.

Wenn ich in B2 wenn durch obwohl substituiere, bekomme ich ein grammatisches Ergebnis, und die Bedingungen der Permutation bleiben dieselben. Folglich gehören wenn und obwohl in eine Distributionsklasse.

5. Ich lasse nacheinander die gefundenen Syntagmen weg:

B1.

(i) Und Erwin schläft.

(ii) Erna arbeitet, Erwin schläft.

(iii) Erna arbeitet und.

(iv) Erna arbeitet

(i) ist grammatisch, setzt allerdings einen vorangehenden Kontext voraus, der im Prinzip die Position des weggelassenen Syntagmas einnimmt.

(ii) ist grammatisch.

(iii) ist ungrammatisch.

(iv), wo zwei Syntagmen auf einmal weggelassen wurden, ist grammatisch.

B2.

(i) wenn Erwin schläft.

(ii) Erna arbeitet

(i) ist ungrammatisch, (ii) ist grammatisch.

6. Ein koordinierter Satz (clause) ist ein solcher, welcher mit einem anderen durch eine optionale Konjunktion verbunden und mit diesem ohne Bedeutungsunterschied permutierbar ist, wobei die Konjunktion ortsfest bleibt. Ein koordinierter Satz kann einschließlich der Konjunktion weggelassen werden; der jeweils andere koordinierte Satz kann dann das gesamte Syntagma (sentence) vertreten.

Ein subordinierter Satz (clause) ist ein optionaler Satz, welcher mit einem anderen verbunden ist, eine obligatorische Konjunktion enthält und samt dieser mit dem anderen Satz ohne Bedeutungsunterschied permutierbar ist.

7. Eine koordinative Konjunktion ist eine Konjunktion, die einen koordinierten Satz mit einem anderen verbindet.

Eine subordinative Konjunktion ist eine Konjunktion, die einen subordinierten Satz einleitet.

2.3.3. Dependenz

Zu den Dependenzrelationen

Geben Sie je ein Beispiel für folgende Dependenzverhältnisse:
a.NomNS
b.AdvAdv
c.AdvS

Musterlösung

  1. [die [schöne Universität]↷[Erfurts]]
  2. erst↶heute
  3. [dort↷[wo die Zitronen blühen]]

Zur Dependenz

B1.Alle Studenten, die nicht auf den Kopf gefallen sind, verabscheuen diese höchst langweilige Veranstaltung zutiefst.
  1. (4 P.) Ordnen Sie die Wörter in B1 den Wortarten zu.
  2. (8 P.) Stellen Sie nach der obigen Definition die Dependenzrelationen in B1 fest. Stellen Sie die Dependenzstruktur graphisch dar.
  3. (8 P.) Welche Kriterien lassen sich für die Bedingungen der Definition angeben? Machen Sie Substitutionsproben.

Musterlösung

1 + 2:

3:

Es handelt sich darum, die Bedingung, “daß nur eines von ihnen die Kategorie des binären Syntagmas bestimmt”, zu operationalisieren. Das kann man, im Rahmen einer syntaktischen Analyse, wie folgt machen:

  1. Man macht eine (binäre) syntaktische Analyse i.S.v. Webskript § 2.3.2.
  2. Man identifiziert die syntaktischen Kategorien der so gewonnenen Syntagmen. Dazu macht man eine distributionelle Analyse wie in Webskript §2.1.2; und die hinwiederum involviert Substitutionsproben.
  3. Genauer: Man stellt für jede der Konstituenten X und Y eines binären Syntagmas Z und außerdem für Z selbst die Distribution fest. Dann gibt es drei mögliche Ergebnisse: a) sie haben alle drei dieselbe Distribution; b) X, nicht jedoch Y, hat dieselbe Distribution wie Z; c) sie haben alle drei verschiedene Distribution, aber die Distribution von X unterscheidet sich von der Distribution von Z nur dadurch, daß X mit Y kombiniert werden kann, nicht jedoch Z (eben weil es Y schon enthält). Im Falle #a liegt Soziation, in den anderen beiden Fällen Dependenz vor, und zwar im Falle #b Modifikation, im Falle #c Rektion. Z.B.:
    1. Im Syntagma wie [[alle]Ind_pron [Studenten]N]NS (Achtung: kommt in der Aufgabe so nicht vor!) liegt der Fall #a vor.
    2. Im Syntagma [[höchst]Adv [langweilige]Adj]Adjektival liegt der Fall #b vor.
    3. Im Syntagma [[verabscheuen]V_tr[diese Veranstaltung]NS]VS liegt der Fall #c vor.
  4. D.h., die genannte Bedingung der Definition ist in den Fällen #b und #c erfüllt.

2.3.4. Relationalität

Leerstellen

(5 P.) Beschreiben Sie nach den Kriterien des Webskripts die Leerstellen von dt. ähnlich.

Musterlösung

Ähnlich wird so konstruiert: XNom ist YDat ähnlich bzw. YDat ähnliches X. Es hat also jedenfalls zwei Leerstellen, für X und für Y. Im folgenden wird die attributive Konstruktion zugrundegelegt.

  1. X ist der Dependenzkontrolleur, Y ist der Dependent von ähnlich.
  2. Ähnlich ist Modifikator, nämlich Attribut zu X; Y ist Rektum, nämlich dativisches Komplement (eine Art indirektes Objekt) zu ähnlich.
  3. X ist ein Nominal, Y ein NSDat. Die nominale Subkategorie ist nicht beschränkt.
  4. Als pränominales Attribut kongruiert ähnlich mit X in Genus, Numerus und Kasus. Y steht im Dativ und geht seinem Regens voran, außer wenn es syntaktisch komplex ist (wie in ähnlich demjenigen, das wir gestern sahen).
  5. Das Syntagma, dessen Kopf ähnlich ist, ist (bei gegebenem X) optional. Das Stehen von Y ist semantisch konditioniert: Befindet es sich bereits im Redeuniversum, so kann es wegbleiben, wie in ich kenne ähnliche Fälle aus meiner Schulzeit. Hier besteht eine implizite anaphorische Beziehung zu einer Entität des vorangehenden Kontextes. Befindet sich Y noch nicht im Redeuniversum, so ist es obligatorisch.

Leerstellen

(8 P.) Die folgenden Syntagmen werden durch eine Dependenzbeziehung zusammengehalten. Unterstreichen Sie das Wort, auf dessen Leerstelle diese beruht.

Musterlösung

vor Sonnenuntergang, ganz ordentlich, lag zuunterst, spielte Karo, einsamer Kämpfer, gesenkten Hauptes, verhältnismäßig bescheuert, ohne Pardon

Komplemente

(5 P.) Die Beispiele enthalten rektive Syntagmen. Bilden Sie mit jedem Verb einen Satz in einem Kontext, wo das Rektum optional ist.

folgte dem Führer, gehorchte der Großmutter, betrog die Kunden, entsann sich der Verabredung, staunte über die Akrobaten

Musterlösung

  1. Erna ging voran, Erwin folgte.
  2. Die Großmutter befahl es, und Erna gehorchte.
  3. Erna log, betrog und stahl, was das Zeug hielt.
  4. Erna dachte lange nach, und schließlich entsann sie sich.
  5. Erwin schlug ein Rad, und Erna staunte.

Rektion und Modifikation

  1. (4 P.) Bilden Sie zu jedem der folgenden Wörter ein Syntagma, das aus dem Wort und seinem Komplement besteht:
    Entdeckung, eigen, über, Spitze, betrachten, diesseits, überdrüssig, stiften
  2. (4 P.) Bilden Sie zu jedem der folgenden Wörter ein Syntagma, das aus dem (nötigenfalls flexivisch angepaßten) Wort und seinem Modifikatum besteht:
    ranzig, eilends, ziemlich, diesseits, eigen, entdeckt, überaus, fünf

Die Wörter in Funktion des Komplements bzw. Modifikatums sind frei zu wählen und müssen nur semantisch passen.

Musterlösung

  1. Entdeckung Amerikas, dieser Spezies eigen, über den Berg, Spitze der Ahle, den Sonnenuntergang betrachten, diesseits der Rocky Mountains, des Studiums überdrüssig, sein Vermögen stiften
  2. ranzige Butter, eilends hinausgehen, ziemlich verrückt, diesseits warten, eigenes Vermögen, entdeckte Verfehlung, überaus vernünftig, fünf Kreuzer

Dependenzanalyse

B1.Der Besuch dieser Veranstaltung bedeutet für Max und Moritz eine willkommene Ablenkung von der Tatsache, daß sie sich außerhalb der Universität langweilen.
  1. (6 P.) Bezeichnen Sie die Dependenzverhältnisse in B1 und unterscheiden Sie dabei Rektion von Modifikation. (Aus Platzgründen können Sie die Analyse einelner Syntagmen abtrennen.) Fassen Sie Elemente zu Konstituenten zusammen, wann immer die Dependenzbeziehung sich nicht auf ein einzelnes Wort richtet. Verbinden Sie die Elemente und und daß ohne Pfeilspitzen mit ihren Kokonstituenten.
  2. (3 P.) Welche syntaktischen Funktionen haben in B1 die drei Syntagmen, die durch für, durch von und durch daß eingeleitet werden?

Lösung

1.

2.


1 Falls es ein Adjunkt ist, müßte es ein Benefaktiv sein. Dann müßte es aber eigentlich mit zugunsten paraphrasierbar sein, und stattdessen müßte auch gegen (als Malefaktiv) einsetzbar sein. Das geht alles nicht; folglich ist es wohl eher ein Adressat und mithin ein Komplement.

Kongruenz im Deutschen

Analysieren Sie die verbleibenden Fälle von Kongruenz in B3 nach der vorgeführten Weise.

Musterlösung

Es kongruiert immer B mit A.

  1. B ist Determinator von A und kongruiert in Genus, Numerus und Kasus.
  2. B ist Prädikatsverb von A und kongruiert mit ihm in Person und Numerus.
  3. B ist Determinaro von A und kongruiert in Genus, Numerus und Kasus.
B3.MeinFahrradhateinegroßeKlingel.Es/Sieistrotgestreift.
1.BA
2.AB
3.BA

Kongruenz

B1.Erna kann ihre Sachen packen.

(9 P.) Analysieren Sie die in B1 auftretenden Fälle von Kongruenz, indem Sie für jeden angeben,


Lösung

  1. Das finite Prädikatsverb kann kongruiert mit seinem Subjekt Erna in Person und Numerus.
  2. Der Determinator ihre kongruiert (durch seine Endung) mit seinem Determinatum Sachen in Numerus, Genus und Kasus.
  3. Das Possessivum ihre bezieht sich anaphorisch auf Erna und kongruiert damit (durch seine Wurzel) in Person, Numerus und Genus.

2.3.5. Syntaktische Funktionen

Subjekt

B1.Wer ist hier der Lehrer?
B2.Papst sind wir.
  1. Bezeichnen Sie in B1 und B2 das Subjekt.
  2. Nach welchen Kriterien haben Sie das festgestellt?

Lösung

  1. B1: der Lehrer
    B2: wir
  2. B1: Ersetzung von der Lehrer durch die Lehrer: Kopula geht in den Plural, also muß dies das Subjekt sein.
    B2: Die Kopula kongruiert in Person und Numerus mit wir, nicht mit Papst.

Direktes Objekt

B1.Es kostete mich fast das Leben.
B2.Er lehrte mich den Koran.

(2 P.)Enthalten die Sätze in B1f ein direktes Objekt? Geben Sie die Entscheidungskriterien an.

Lösung

B1 ist überhaupt nicht passivierbar, geschweige daß ein NS bei Passivierung Subjekt würde. Der Satz enthält also kein direktes Objekt.

B2 ist wie folgt passivierbar: Ich wurde von ihm den Koran gelehrt. (Das ist merkwürdig, aber analoge Sätze des Typs wir wurden Mathematik gelehrt kommen jedenfalls vor.) Folglich ist mich in B2 direktes Objekt.

Der Koran wurde mich gelehrt ist ungrammatisch. Aber Der Koran wurde gelehrt ist unproblematisch. Folglich ist auch das sächliche Objekt von lehren ein direktes Objekt. Allerdings ist es anscheinend dann kein direktes Objekt, wenn es neben dem menschlichen direkten Objekt auftritt. Dies wiederum wäre mit einer Regel kompatibel, wonach ein Verb nicht mehr als ein Komplement in einer gegebenen Funktion haben kann.

Direktes Objekt

B1.Erna arbeitet den ganzen Tag.
B2.Erna wundert sich.
B3.Erna lügt, daß sich die Balken biegen.
B4.Erna betrübt Erwin.
B5.Erna erklärt Erwin den Sachverhalt.
B6.Erna glaubt an den Weihnachtsmann.
B7.Erna glaubt zu träumen.
B8.Erna glaubt, daß Linguistik leichter als Pädagogik ist.
B9.Erna rasiert sich.
B10.Erna vertraut Erwin.
B11.Erna wiegt 95 kg.
  1. (5,5 P.) Unterstreichen Sie in jedem der Beispiele B1 - B11 das direkte Objekt, falls vorhanden.
  2. (11 P.) Geben Sie die Menge der Kriterien an, nach denen Sie diese Entscheidungen gefällt haben.

Syntaktische Funktionen

B1.a.denken an Erwin
b.tanzen auf dem Tisch
B2.a.stolz auf Erna
b.Haus auf dem Berge

(4 P.) Betrachten Sie in jedem der vier Beispiele die hierarchisch höchste Dependenzrelation. Worin besteht der Unterschied zwischen a und b in B1 und B2 bzgl. der Dependenzfunktion des abhängigen Ausdrucks?

Lösung

Der abhängige Ausdruck ist in den a-Versionen Komplement, in den b-Versionen Adjunkt des Verbs.

Syntaktische Funktionen

Geben Sie je ein Beispiel für folgende syntaktische Funktionen:

a) (1 P.) Satz als Objekt

b) (1 P.) PräpS als Attribut

c) (1 P.) PräpS als Komplement

Lösung

a) Erna weiß, daß Erwin lügt.
Ich glaube, daß er spinnt.

b) die Vase auf dem Tisch
Ein Haus auf dem Berge kann nicht verborgen bleiben.

c) verläßt sich auf Erna
Sie erinnerte sich an den Knecht.

Voraussetzungen zur Lösung: Gallmann & Sitta 1998, §523, 549-551, 570-575; Bünting & Bergenholtz 1989, Kap. 4.3.7, 4.3.9, 7.3.

Syntaktische Funktionen

Geben Sie für die unterstrichenen Syntagmen in B1 die syntaktische Funktion an.

B1.a.unter einer LindeKomplement einer Präposition
b.außerordentlich langeadverbiale Bestimmung zu einem Adverb
c.geradezu widernatürlich genügsamadverbiale Bestimmung zu einem Adjektiv
d.Universität von Erfurtpräpositionales Attribut
e.tanzt auf dem Vulkanadverbiale Bestimmung zum Verb
f.Spitze des Eisbergespossessives/adnominales Komplement
g.alte JungferAdjektivattribut
h.Fritz schläftSubjekt
i.großer Ehren teilhaftigKomplement eines relationalen Adjektivs
j.steckt das Buch in den Eisschrankdirektes Objekt, präpositionales Objekt/Komplement

Syntaktische Funktionen

(13 P.) Geben Sie für die unterstrichenen Syntagmen in B1 die syntaktische Funktion an und bezeichnen Sie ihre Dependenzbeziehung mit einem Pfeil.

B1.a.Richard saß unter ↷dem Tisch.Komplement einer Präposition
b.Richard gönnteseiner Freundin die Niederlage.indirektes Objekt
c.RichardsVorderseite ist noch einigermaßen ansehnlich.possessives Komplement
d.Richard war kaum seiner Sinnemächtig.Komplement eines relationalen Adjektivs
e.Richard entsann sich ↷seines letzten Abenteuers.Genitivkomplement/-objekt
f.Luise hat einen neuenFreund.Adjektivattribut
g.Luise trifft ihn ↷jeden Freitag.adverbiale Bestimmung (zum Verb)
h.Luise findet ihn ganznett.adverbiale Bestimmung zum adjektivischen Prädikat
i.Luise stirbt völligunerwartet.adverbiale Bestimmung zur adverbialen Bestimmung
j.LuisesHandtasche bleibt zurück.Genitivattribut / possessives Attribut
k.Richard liebtFrieda.direktes Objekt
l.Richard warteteauf Luise.präpositionales Komplement/Objekt
m.Richardliebt Frieda.Subjekt

Der Dependenzpfeil weist auf das (durch die Unterstreichung identifizierte) abhängige Element.
Der Kontrolleur der jeweiligen Dependenz (der der Ausgangspunkt des Pfeils sein müßte)ist lila hinterlegt.

Syntaktische Funktionen

Folgender Satz ist aus einer Zeitschrift zitiert:

Hin und wieder tauchen brandneue Viren und Würmer auf, die kaum ein Virenscanner erkennt und deshalb unter Umständen den installierten Schutz außer Gefecht setzen können.

(4 P.) Die Syntax des Satzes weicht in einem Punkte von der Norm ab. Erläutern Sie die Regel und die Abweichung.

Lösung

  1. Regel: Zwei mit und koordinierte Syntagmen müssen gegenüber ihrem Kontext dieselbe syntaktische Funktion haben, m.a.W., sie müssen zusammen ein Syntagma ergeben, welches gegenüber dem Kontext eine einzige syntaktische Funktion hat.
  2. Das Relativpronomen die ist gegenüber dem ersten koordinierten Syntagma direktes Objekt, jedoch gegenüber dem zweiten Subjekt. Folglich haben auch diese beiden Syntagmen nicht dieselbe Funktion.

Unmittelbare Konstituenten

Erna ging vorbei, ohne Erwin zu grüßen.

  1. Was sind die unmittelbaren Konstituenten des auf vorbei folgenden Syntagmas?
  2. Was ist die syntaktische Relation zwischen ihnen?

Lösung

  1. ohne, Erwin zu grüßen
  2. Die Präposition regiert die andere Konstituente als ihr Komplement.

Satzgliedfunktionen des Reflexivpronomens

B1.Erna ärgert sich.
B2.Erna mißtraut sich.
B3.Erna hat sich wehgetan.
B4.Erna täuscht sich.
  1. Definieren Sie einen Test zur Feststellung der Satzgliedfunktion des Reflexivpronomens in den Beispielen.
  2. Klassifizieren Sie durch Anwendung des Tests die Beispiele nach der Satzgliedfunktion des Reflexivpronomens.

Lösung:

1.

Ersetze das Reflexivpronomen durch ein Personalpronomen. Wende auf dieses die üblichen Kriterien zur Unterscheidung der Komplemente an.

2.

Funktion Beispiele
dir. Obj. B1, B4
indir. Obj. B2, B3

2.3.6. Valenz

Komplement oder Adjunkt?

B1.a.KErna fuchtelte mit einem Messer.
b.AErna schnitzte mit einem Messer.
B2.a.AErna flog über das Boot.
b.KErna entschied über das Boot.
B3.a.KErna empörte sich über ihre Freundin.
b.AErna legte sich über ihre Freundin.
B4.a.ADie Versammlung arbeitete den ganzen Nachmittag.
b.KDie Versammlung dauerte den ganzen Nachmittag.
B5.a.AErna setzte sich auf Erwin.
b.KErna verließ sich auf Erwin.
B6.a.AErna baute ihrem Sohn ein Haus.
b.KErna vermachte ihrem Sohn ein Haus.

(6 P.) Schreiben Sie in in jedem der Paare B1 – B6 ein ‘A’ vor das Beispiel, das ein Adjunkt enthält, und ein ‘K’ vor das Beispiel, das ein verbales Komplement (außer dem Subjekt) enthält.

Valenzklassen

B2. a. Fritz entsann sich der Vorlesung.

b. Fritz verprügelte Franz.

c. Fritz zögerte lange.

d Fritz gab dem Lehrer das Buch.

e. Fritz bewunderte den Eiffelturm.

f. Fritz aß den Kuchen.

g. Fritz verzieh seiner Freundin die Kränkung.

h. Fritz erinnerte sich des Knotens im Taschentuch.

i. Fritz jagte das Einhorn.

j. Fritz tanzte auf einem Bein.

k. Fritz entledigte sich des Auftrags.

l. Fritz besaß einen Radiergummi.

m. Fritz rechnete die Hausaufgabe.

n. Fritz genehmigte seinem Sohn ein Bier.

o. Fritz arbeitete den ganzen Tag.

1. (15 P.) Teilen Sie die Verben in B2 in Valenzklassen ein. Definieren Sie jede Valenzklasse dadurch, daß sie für alle Leerstellen die Korrelate der Relationalität spezifizieren. Achtung: Die Obligatorietät ergibt sich nicht lediglich aus dem jeweils angeführten Beispiel!

Lösung

Im folgenden wird die Subjektstelle unberücksichtigt gelassen, da sie bei allen Verben gleich ist:

Subjekt, obligatorisch, NS, Nom. am Dependenten.

Bsp. gramm. Funktion des Dependenten Obliga-

torietät

Kategorie des Dependenten (1) morph. Eigenschaften des Dependenten (2)
c, j, o - - - -
b, e, l dir. Objekt + NS Akk.
f, i, m dir. Objekt - NS Akk.
n 1. dir. Objekt

2. ind. Objekt

+

-

NS

NS

Akk.

Dat.

d, g 1. dir. Objekt

2. ind. Objekt

-

-

NS

NS

Akk.

Dat.

a, k obl. Komplement + NS Gen.
h obl. Komplement - NS Gen.

Es ergeben sich sieben bzw., wenn man die Obligatorietät nicht berücksichtigt, vier verschiedene Valenzklassen.

2. (5 P.) Führen Sie fünf weitere Verben an, die in fünf verschiedene Valenzklassen fallen, von denen keine mit einer der in B2 vertretenen identisch ist.

Bsp. gramm. Funktion des Dependenten Obliga-

torietät

Kategorie des Dependenten morph. Eigenschaften der Relata
warten präp. Komplement - PräpS auf regiert den Dependenten
folgen ind. Objekt - NS Dat. am Dependenten
gedenken obl. Komplement + NS Gen. am Dependenten
befreien 1. dir. Objekt

2. präp. Komplement

+

-

NS

PräpS

1. Akk. am Dependenten

2. von am Dependenten

zeihen 1. dir. Objekt

2. obl. Komplement

+

+

NS

NS

1. Akk. am Dependenten

2. Gen. am Dependenten

1. Das ist hier das der Leerstelle gegenüberstehende Relatum.

2. Am Regens treten keine durch die Valenz bedingten morphologischen Eigenschaften auf. In Betracht käme nur das Reflexivpronomen in der letzten Kategorie, das aber auch nicht durch das Genitivkomplement bedingt ist.

Vollverben und Modalverben als Strukturklassen

Die Wörter in B1 sind Vollverben, die in B2 Modalverben (eine Art von Hilfsverben). Beide Wortarten gehören zur Klasse der Verben.

B1.leisten, schulden, meinen ...
B2.können, müssen, dürfen ...
  1. (4 P.) Nennen Sie eine grammatische Eigenschaft, die Vollverben und Modalverben (gegenüber anderen Strukturklassen) gemeinsam haben (und die es also rechtfertigt, sie zu einer Klasse zusammenzufassen).
  2. (6 P.) Nennen Sie eine grammatische Eigenschaft, die Vollverben und Modalverben unterscheidet (und die es also rechtfertigt, sie als zwei distinkte Wortarten aufzustellen).
  3. (1 P.) Erweitern Sie B1 und B2 um je ein Beispiel.

Lösung

1. Gemeinsamkeiten gegenüber Nomina und Partikeln:

Morphologisch: Beide konjugieren (im Ggs. zu Deklination bzw. Flexionslosigkeit); d.h. sie flektieren nach Person, Numerus, Tempus, Modus, Diathese.

Syntaktisch:

2. Unterschiede zwischen Voll- und Modalverben:

3. B1. singen

B2. sollen

1. Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen wie vermögen.

2.3.8. Wortstellung

Wortstellung

B1.Nur die Tante kommt morgen.
B2.Die Tante kommt nur morgen.
  1. (4 P.) Entwickeln Sie ein Paraphrasenschema für Sätze mit nur wie B1f und wenden Sie es auf die Beispiele an.
  2. (3 P.) Formulieren Sie die Stellungsregel für nur.
  3. (3 P.) Erläutern Sie an den Beispielen den Begriff der Skopusstellung.

Lösung

1. [ A [nur [X]Y] B ]S – [ A .. B ]S trifft auf X ∈ Y zu und auf kein Z ≠ X ∈ Y.

Oder:

[ A [nur [X]Y] B ]S – Die Menge von Elementen Y, auf welche die Prädikation [ A .. B ]S zutrifft, besteht aus X ∈ Y.

2. nur steht vor dem X, welches gemäß Paraphrase die Menge abgibt, auf die sich die Prädikation bezieht. [Es steht in manchen Fällen auch dahinter, also jedenfalls daneben.]

3. Die Stellung von nur ist jedenfalls mit Bezug auf dasjenige Syntagma definiert, welches seinen semantischen Skopus repräsentiert. Und es steht unmittelbar daneben, nicht z.B. entfernt oder drin. Die Stellung ist also hundertprozentig durch die semantosyntaktischen Verhältnisse bestimmt. Eben das nennt man Skopusstellung.

Verbstellung im Deutschen

(3 P.) Formulieren Sie die Regel für die Stellung des finiten Verbs im deutschen selbständigen Aussagesatz so, daß deutlich wird, ob Skopusstellung oder Schablonenstellung vorliegt.

Lösung

Das finite Verb steht im deutschen selbständigen Aussagesatz unmittelbar hinter der ersten Konstituente.

Das kann aus mehreren Gründen keine Skopusstellung sein. Denn als einziger Bezugspunkt für das finite Verb wird die erste Konstituente angegeben. Die aber

Stattdessen ist von einer numerisch bestimmten, von der linken Satzgrenze an gerechneten Position die Rede. Das kann also nur Schablonenstellung sein.

Zur Konstituentenstellung

B1.a.Der Teufel holt den Soldaten.
b.Holt der Teufel den Soldaten?

Aufgrund von Sätzen wie in B1 wird in der Literatur gelegentlich die Auffassung vertreten, im deutschen Aussagesatz gelte die Stellungsregel ‘erst Subjekt, dann finites Verb’, und im Entscheidungsfragesatz finde eine Subjekt-Verb-Inversion, also eine Vertauschung von Subjekt und finitem Verb statt.

B2.a.Den Soldaten holt der Teufel.
b.Holt den Soldaten der Teufel?

Zeigen Sie an Beispielen wie B2, daß jene Auffassung nicht zutrifft. Welches sind die wahren Konstituentenstellungsregeln für deutsche Aussage- und Fragesätze? Nehmen Sie weitere Beispiele mit weiteren Permutationen zuhilfe, wenn Ihnen B2 nicht ausreicht.

Lösung

Wenn man in B2.a Subjekt und finites Verb umstellt, kommt nicht das korrekte B2.b heraus, sondern *Den Soldaten der Teufel holt. Folglich wird der deutsche Entscheidungsfragesatz nicht durch Subjekt-Verb-Inversion gebildet.

Stattdessen wird auf der Basis eines selbständigen Deklarativsatzes der selbständige Entscheidungsfragesatz wie folgt gebildet: Stelle das finite Verb an die erste Position des Satzes (und lasse alles andere, wie es war).

Verbale Morphologie im Swahili

Die Sätze in B1 - B4 sind aus dem Swahili, einer vorwiegend in Ostafrika gesprochenen Bantu-Sprache, entnommen.

B1.a.mtotoamefika"Das Kind ist angekommen."
b.mtotoanafika "Das Kind ist am ankommen."
c.mtotoatafika "Das Kind wird ankommen."
d.watotowamefika "Die Kinder sind angekommen."
e.watotowanafika "Die Kinder sind am ankommen."
f.watotowatafika "Die Kinder werden ankommen."
B2.a.mtuamesoma "Der Mensch hat gelesen."
b.mtuanasoma "Der Mensch ist am lesen."
c.mtuatasoma "Der Mensch wird lesen."
d.watuwamesoma "Die Menschen haben gelesen."
e.watuwanasoma "Die Menschen sind am lesen."
f.watuwatasoma "Die Menschen werden lesen."
B3.a.kisukimeanguka "Das Messer ist gefallen."
b.kisukinaanguka "Das Messer ist am fallen."
c.kisukitaanguka "Das Messer wird fallen."
d.visuvimeanguka "Die Messer sind gefallen."
e.visuvinaanguka "Die Messer sind am fallen."
f.visuvitaanguka "Die Messer werden fallen."
B4.a.kikapukimeanguka "Der Korb ist gefallen."
b.kikapukinaanguka "Der Korb ist am fallen."
c.kikapukitaanguka "Der Korb wird fallen."
d.vikapuvimeanguka "Die Körbe sind gefallen."
e.vikapuvinaanguka "Die Körbe sind am fallen."
f.vikapuvitaanguka "Die Körbe werden fallen."

Segmentieren Sie die Beispiele in Morphe. (Da es keine hinreichende Information über Allomorphie gibt, können Sie sie im folgenden als Morpheme betrachten).

  1. (6 P.) Inventarisieren Sie die gefundenen Morpheme und geben Sie für jedes die Bedeutung/Funktion an.
  2. (6 P.) Welche grammatischen Kategorien werden gemäß diesem Korpus am Verb ausgedrückt? In welcher Reihenfolge? Stellen Sie eine morphologische Strukturformel für die Positionsklassen auf.
  3. (4 P.) Formulieren Sie eine Regel für die Kongruenz des Verbs.
  4. (3 P.) Übersetzen Sie mit Hilfe der gefundenen Regeln die folgenden Sätze ins Swahili:
    a. Das Kind ist am lesen.
    b. Die Körbe sind angekommen.
    c. Der Mensch wird fallen.



Lösung:

B1.m-totoa-me-fik-a "Das Kind ist angekommen."
m-totoa-na-fik-a "Das Kind ist am ankommen."
m-totoa-ta-fik-a "Das Kind wird ankommen."
wa-totowa-me-fik-a "Die Kinder sind angekommen."
wa-totowa-na-fik-a "Die Kinder sind am ankommen."
wa-totowa-ta-fik-a "Die Kinder werden ankommen."
B2.m-tua-me-som-a "Der Mensch hat gelesen."
m-tua-na-som-a "Der Mensch ist am lesen."
m-tua-ta-som-a "Der Mensch wird lesen."
wa-tuwa-me-som-a "Die Menschen haben gelesen."
wa-tuwa-na-som-a "Die Menschen sind am lesen."
wa-tuwa-ta-som-a "Die Menschen werden lesen."
B3.ki-suki-me-anguk-a "Das Messer ist gefallen."
ki-suki-na-anguk-a "Das Messer ist am fallen."
ki-suki-ta-anguk-a "Das Messer wird fallen."
vi-suvi-me-anguk-a "Die Messer sind gefallen."
vi-suvi-na-anguk-a "Die Messer sind am fallen."
vi-suvi-ta-anguk-a "Die Messer werden fallen."
B4.ki-kapuki-me-anguk-a "Der Korb ist gefallen."
ki-kapuki-na-anguk-a "Der Korb ist am fallen."
ki-kapuki-ta-anguk-a "Der Korb wird fallen."
vi-kapuvi-me-anguk-a "Die Körbe sind gefallen."
vi-kapuvi-na-anguk-a "Die Körbe sind am fallen."
vi-kapuvi-ta-anguk-a "Die Körbe werden fallen."

2. a. Wurzeln:

-toto: Kind

-tu: Mann

-su: Messer

-kapu: Korb

-fik-: ankommen

-anguk-: fallen

b. Nominalpräfixe:

m-: Singular menschlich

wa-: Plural menschlich

ki-: Singular unbelebt

vi-: Plural unbelebt

c. Verbpräfixe:

a-: Singular menschlich

wa-: Plural menschlich

ki-: Singular unbelebt

vi-: Plural unbelebt

-me-: Perfekt

-na-: Progressiv

-ta-: Futur

d. Verbsuffix:

-a: ? [keine Evidenz im Korpus]

3. Klasse/Numerus des Subjekts - Tempus/Aspekt - Wurzel - a

[Dies gilt allerdings nur für das vorliegende Korpus. In Wahrheit gibt es mehr Präfixpositionen. Außerdem wird im ersten Präfix auch die Person kodiert.]

4. Das finite Verb kongruiert durch das erste Präfix in [Person,] Klasse und Numerus mit dem Subjekt. Das Präfix lautet in der unbelebten Klasse gleich dem Substantivpräfix, in der belebten jedoch Singular a-, Plural wa-.

5. a. m-toto a-na-som-a.

b. vi-kapu vi-me-fik-a.

c. m-tu a-ta-anguk-a.

Syntaktische Beschreibung

B1. Erna ging, um Wasser zu holen.

Korrigieren Sie folgende Aussagen zur Syntax der durch B1 illustrierten Konstruktion:

  1. (4 P.) Um fungiert in dieser Konstruktion als eine Präposition.
  2. (2 P.) Um steht unmittelbar hinter dem übergeordneten Verb.
  3. (2 P.) Zu steht unmittelbar hinter dem direkten Objekt.

Lösung

  1. um fungiert als Konjunktion einer infiniten subordinierten Konstruktion.
  2. um steht vor der subordinierten Konstruktion.
  3. zu steht unmittelbar vor dem Infinitiv.

Zur Stellungsfreiheit

B1.a. Fritz klaute gestern die Birnen.
b.Die Birnen liegen auf dem Tisch.
B2.a.Er hat die Tasche von einem Kollegen gefunden.
b.Die Arbeiten über dieses Problem sind noch nicht sehr weit gediehen.
B3.a.Wir verkaufen meines Freundes Bücher.
b.Geschichte und Kultur Polens sind reich an Merkwürdigkeiten.
B4.a.Dem Bundeskanzler zufolge ist das Unsinn.
b.Seinem Alter entsprechend fiel ihm das schwer.
B5.a.Dem Bundeskanzler zufolge ist das Unsinn.
b.Seinem Alter entsprechend fiel ihm das schwer.
B6.a.Wir sprachen über den Bundeskanzler.
b.Er ist für sein Alter noch gut auf Draht.
B7.a.Nun aber genug der Erwähnung des Bundeskanzlers.
b.Des Herrn ist jetzt genug gedacht.

Es soll die Stellungsfreiheit von Einheiten verschiedener syntaktischer und morphologischer Kategorien festgestellt werden. Die Wortstellung wird (gemäß Skript) im Prinzip für Dependenten angegeben. Allerdings wechselt ab B5 die Perspektive, und es wird die Stellung des Dependenzkontrolleurs angegeben.

  1. (7 P.) Geben Sie zunächst für B1 - B7 die Kategorie der unterstrichenen Einheiten sowie die derjenigen Einheiten an, zu der die unterstrichenen die engste Relation haben.
  2. (7 P.) Wenden Sie auf die unterstrichenen Einheiten Permutationstests an, um zu sehen, ob sie (a) gegenüber den Einheiten, zu denen die engste Relation besteht, umgestellt und (b) von diesen getrennt werden können.
  3. (6 P.) Welcher regelmäßige Zusammenhang besteht zwischen der Stellungsfreiheit der unterstrichenen Einheiten von B1 bis B7 und der syntaktischen Ebene, auf der sie sich befinden?

Musterlösung

1.

2.

3.

Je niedriger ihre grammatische Ebene, desto geringer die Stellungsfreiheit. S. Penthouse Principle.

2.3.9. Syntaktische Paradigmen und Transformationen

Passiv im Englischen

Das Passiv zu B1.a ist B2.a, das Passiv zu B1.b ist B2.b.6

B1.a.She showed him a book.
b.She showed a book to him.
B2.a.He was shown a book (by her).
b.A book was shown to him (by her).

(4 P.) Formulieren Sie eine Transformation, die einen englischen aktivischen Satz ins Passiv wandelt.




6 Die umgekehrte Zuordnung ist – entgegen der Auskunft einiger Englischbücher – nicht möglich.

Lösung

[ W [X]V.akt [Y]NS Z ]S → [Y [X]V.pass Z (W) ]S

Bedingung: Y steht im Output jedenfalls im Casus rectus (auch wenn es im Input im Akkusativ stand).

Das Morph dar

B1.a.Der Zettel ist in der Schublade.
b.Der Zettel ist in ihr.
c.Der Zettel ist darin.
B2.a.Erna dachte an den Abend.
b.Erna dachte an ihn.
c.Erna dachte daran.
B3.a.Mit Fett schmierte Erna die Achse.
b.Mit ihm schmierte Erna die Achse.
c.Damit schmierte Erna die Achse.

In B1 – B3 enthalten die c-Versionen mögliche Pronominalisierungen der a-Versionen. Die b-Versionen dagegen sind keine möglichen Pronominalisierungen der a-Versionen, sondern müssen – falls sie dieselbe Referenz wie die a-Versionen haben sollen – so wie in c umgeformt werden.

  1. (1 P.) Fügen Sie ein analoges Beispiel mit einer anderen Präposition hinzu.
  2. (5 P.) Schreiben Sie eine Transformation, die die c-Versionen erzeugt.

Lösung

1.

B4.a.Erna freut sich auf die Sommerferien.
b.Erna freut sich auf sie.
c.Erna freut sich darauf.

2.

[ [ X ]Präp [ Y ]Pers.Pron ]PräpS → [ da(r)- X ]PräpS

Bedingung:

Y ist [- belebt ]

{ dar } erscheint als das Allomorph /da/, wenn die Präposition konsonantisch anlautet.

Es geht übrigens nur mit den primären Präpositionen.

Interrogativsatztransformation

  1. Bilden Sie zwei deutsche Beispiele von einfachen selbständigen Deklarativsätzen (vulgo Aussagesätzen) wie folgt:
    1. ein Satz im Präsens mit einem Adverbial in erster Satzposition
    2. ein Satz mit einem periphrastischen finiten Verb und einem anderen Satzglied (als ein Adverbial) in erster Satzposition.
    Um sich die Aufgabe nicht unnötig zu komplizieren, empfiehlt es sich, Beispiele ohne Pronomina zu bilden.
  2. Bilden Sie zu jedem Beispiel den entsprechenden polaren Interrogativsatz (vulgo “Ja-Nein-Fragesatz”).
  3. Schreiben Sie eine Transformation, die aus einem einfachen selbständigen Deklarativsatz den entsprechenden polaren Interrogativsatz ableitet.

Lösung

B1.a.Heute ist Sonntag.
b.Ist heute Sonntag?
B2.a.Auf einen Sonntag ist noch immer ein Montag gefolgt.
b.Ist auf einen Sonntag noch immer ein Montag gefolgt?
Interrogativsatztransformation
[ X [ Y ]V.fin Z ]S.dekl[ Y X Z ]S.interrog

2.3.10. Diskontinuierliche Strukturen

2.3.11. Strukturelle Ambiguität

Syntaktische Ambiguität

B1.Sie gingen am Freitag nach der Klausur ins Theater.
  1. (8 P.) Machen Sie die Ambiguität von B1 deutlich, indem Sie für die alternativen Bedeutungen jeweils die Konstituentenstruktur und die Dependenzstruktur angeben (insgesamt vier Diagramme).
    (Lassen Sie die Formen am und ins je von den beiden Kategorialsymbolen dominiert sein, die den in ihnen steckenden Wörtern entsprechen. Verkürzen Sie sich die Arbeit, indem Sie in der zweiten Version unverändert bleibende Syntagmen nicht nochmals analysieren.)
  2. Erste Bedeutung (nach der Klausur als adverbiale Bestimmung)

    a. Konstituentenstruktur:

    S
    NS VS
    PräpS PräpS PräpS
    Präp NS Präp NS Präp NS
    Pron V Det N Det N Det N
    Sie gingen am Freitag nach der Klausur ins Theater

    b. Dependenzstruktur:

    Sie gingen am Freitag nach der Klausur ins Theater.

    Zweite Bedeutung (Freitag nach der Klausur als Konstituente)

    a. Konstituentenstruktur:

    S
    NS VS
    PräpS PräpS
    Präp NS Präp NS
    Nom
    N PräpS
    Präp NS
    Pron V Det Det N Det N
    Sie gingen am Freitag nach der Klausur ins Theater

    b. Dependenzstruktur:

    Sie gingen am Freitag nach der Klausur ins Theater.

    Voraussetzungen zur Lösung: Matthews 1981, ch. 4; Bünting & Bergenholtz 1989, Kap. 4.2.

  3. (2 P.) Geben Sie zwei Beispiele dafür, daß die eine der beiden Bedeutungen durch Permutation explizit gemacht werden kann.
  4. Erste Bedeutung:

    Sie gingen nach der Klausur am Freitag ins Theater.

    Am Freitag gingen sie nach der Klausur ins Theater.

    (Kommentar: Die zweite Bedeutung kann durch Permutation allein nicht explizit gemacht werden, weil man Freitag und nach der Klausur immer durch die Intonation trennen kann.)- Voraussetzungen zur Lösung: Bünting & Bergenholtz 1989, Kap. 4.1.

  5. Welche syntaktische Funktion hat
    a. (1 P.) die mit nach beginnende Konstituente,
    b. (1 P.) die mit ins beginnende Konstituente
    jeweils in den beiden Versionen?

Lösung

a. Erste Bedeutung: adverbiale Bestimmung zu gingen ins Theater; zweite Bedeutung: präpositionales Attribut zu Freitag.

b. In beiden Bedeutungen: Wahrscheinlich adverbiales ("präpositionales"; s. Skript Kap.3.1.2.8) Komplement zu gingen, falls nämlich gehen eine Leerstelle für das Ziel hat (1 P.). Sonst adverbiale Bestimmung zu gingen (0,75 P.).- Voraussetzungen zur Lösung: Matthews 1981:9f.

Zur Strukturambiguität

B1.der Sohn des Professors, der kürzlich starb
B2.Der Student erwägt nicht zur Vorlesung zu gehen.
B3.daß ein unseriöses Angebot von Moskau abgelehnt wurde

In B1 - B3 liegt strukturelle Ambiguität vor.

  1. (4 P.) Weisen Sie jedem Satz zwei (kombinierte Konstituenten- und Dependenz-) Strukturbeschreibungen zu, die die Ambiguität verdeutlichen.
  2. (3 P.) Führen Sie an B3 eine Substitution und eine Permutation durch, deren jede die Ambiguität auflöst.
  3. (2 P.) Welches ist die syntaktische Funktion von von Moskau in den beiden (Ausgangs-)Strukturen?

lösung

1.a) B1.a. (der (Sohn (des Professors)(der (kürzlich starb))))

NS Nom NS S PrädS

b. (der (Sohn (des (Professors (der (kürzlich starb))))))

NS Nom NS Nom S PrädS

B2.a. ((Der Student)(erwägt (nicht (zur Vorlesung) zu gehen)))

S NS PrädS NS PräpS

b. ((Der Student)(erwägt nicht ((zur Vorlesung) zu gehen)))

S NS PrädS NS PräpS

B3.a. (daß (ein (unseriöses Angebot (von Moskau))) (abgelehnt wurde))

S NS Nom PräpS PrädS

b. (daß (ein (unseriöses Angebot))((von Moskau) abgelehnt wurde))

S NS Nom PrädS PräpS

b) B3.a'. daß ein unseriöses Angebot Moskaus abgelehnt wurde (Substitution)

B3.b'. daß von Moskau ein unseriöses Angebot abgelehnt wurde (Permutation)

c) In B3.a ist es (präpositionales) Attribut zum Subjekt; in B.3.b ist es Adverbial (adverbiale Bestimmung, (präpositionales) Adjunkt) zum Prädikat.

Syntaktische Ambiguität

B1.Wir haben den Bundeskanzler im Fernsehen gesehen.
B2.Wir haben den Mann im Mond gesehen.

(2 P.) Worin besteht der syntaktische Unterschied zwischen B1 und B2?

Lösung

Das Adverbial ist in a) Konstituente (nämlich Adjunkt) des Verbalsyntagmas, in b) Konstituente (nämlich Attribut) des direkten Objekts.

2.4. Lexikalisierung und Grammatikalisierung

Zu den grammatischen vs. lexikalischen Zeichen

Grammatische Wörter nennt man auch ‘closed class words’, lexikalische Wörter auch ‘open class words’, also zu geschlossenen vs. offenen Klassen gehörige Wörter.1

  1. (3 P.) Zeigen Sie an einigen Beispielen, daß diese Termini sinnvoll sind. Wie ist es mit denjenigen grammatischen Elementen, die keine Wörter sind?
  2. (2 P.) Zeigen Sie anhand der deutschen Tempora und der subordinativen Konjunktionen als, nachdem, wie der Gebrauch von grammatischen Elementen syntaktischen Regeln unterliegt.
  3. (2 P.) Was besagt die Geschlossenheit der grammatischen Klassen und die Gebundenheit grammatischer Elemente an syntaktische Regeln für die Wahlfreiheit des Sprechers in bezug auf grammatische und lexikalische Elemente?

1 Die Termini lexikalisches vs. grammatisches Wort haben außerdem noch die für die Aufgabe nicht relevante Bedeutung "Wort als lexikalische Einheit" vs. "Wort(form) als Bestandteil eines Textes".


Lösung

  1. Deutsche Beispiele für geschlossene Klassen: eine Handvoll Modalverben, genau zwei Artikel, drei Personalpronomina. Beispiele für offene Klassen: die Substantive, Adjektive, Verben.
    Wenn grammatische Elemente keine Wörter sind, bilden sie i.a. noch geschlossenere Klassen, z.B. die deutschen Kasusmorpheme, Tempusmorpheme.
  2. Mit als eingeleitete Nebensätze müssen ein Vergangenheitstempus haben. Mit nachdem eingeleitete Nebensätze müssen in einem perfektischen Tempus (Perfekt, Plusquamperfekt, Futurum Perfektum) stehen, das zum Tempus des Hauptsatzes vorzeitig ist.
  3. Elemente, die aus geschlossenen Klassen ausgewählt werden müssen, schränken die Wahlfreiheit des Sprechers stärker ein als solche, die aus offenen Klassen gewählt werden müssen. Ebenso schränken Regeln die Wahlfreiheit ein. "Meaning implies choice"; mithilfe der lexikalischen Elemente teilt der Sprecher den wesentlichen Inhalt mit, die grammatischen benutzt er i.w. zur Konstruktion der Nachricht.

Lexikalisierung

Inwiefern ist jeder der folgenden Ausdrücke lexikalisiert?

  1. Bildschirm
  2. Hundewetter
  3. den Kürzeren ziehen
  4. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Lösung

  1. Der Ausdruck ist regelmäßig.– Die Konstruktionsbedeutung wäre “Schirm, der durch ein Bild näher bestimmt ist”. Demgegenüber ist die tatsächliche Bedeutung von Bildschirm wie folgt spezifiziert:
  2. Der Ausdruck ist bereits nicht ganz regelmäßig, wie ein Vergleich mit Hundstage zeigt.– Die Konstruktionsbedeutung wäre “Wetter, das durch Hunde näher bestimmt ist”. Auch disambiguieren die mehrdeutigen Bestandteile des Kompositums einander nicht, denn ein Hundewetter könnte z.B. auch ein mit den Förderwagen zusammenhängendes Grubengasgemisch sein.
  3. Der Ausdruck ist regelmäßig.– Das nukleuslose Adjektivattribut setzt bei regelmäßigem Gebrauch ein Bezugsnomen voraus, zu dem es entweder implizit anaphorisch ist (Typ der jüngere Bruder und der ältere) oder das es durch Substantivierung inkorporiert (Typ die Grünen). Hier liegt der letztere Fall vor, aber nicht regelmäßig, denn es ist nicht klar, was das vorausgesetzte Substantiv wäre. Freilich hat die Gesamtbedeutung ohnehin nicht mit dem Akt des Ziehens eines Objekts zu tun. Nur wenige der semantischen Merkmale der buchstäblichen Bedeutung des Ausdrucks kommen in der tatsächlichen Gesamtbedeutung vor.
  4. Der Ausdruck ist regelmäßig.– Auch hier kommen die meisten semantischen Merkmale der buchstäblichen Bedeutung – insbesondere die von Schwalbe und von Sommer – in der Gesamtbedeutung nicht vor. Nur einzelne Bestandteile – z.B. noch – lassen sich analytisch konstruieren.

Grammatikalisierung einer Präposition

B1.Erna wünscht zu segeln.
B2.Erna kommt zu ihrer Oma.
  1. (1 P.) In welcher der beiden Verwendung ist zu stärker grammatikalisiert?
  2. (2 P.) Wie verändert sich der Skopus von zu in der Grammatikalisierung?
  3. (2 P.) Wie verändert sich die Freiheit der Selektion von zu in der Grammatikalisierung?
  4. (2 P.) Wie verändert sich die Bedeutung von zu in der Grammatikalisierung?
  5. (3 P.) Setzen Sie ein passendes Zwischenglied in der Entwicklung des weniger zu dem stärker grammatikalisierten Gebrauch an, das die Entwicklung verständlich macht.

Lösung

  1. In B1.
  2. Der Skopus von zu ist in B1 kleiner, denn der Operand kann nur ein Infinitiv, also nur ein Wort sein. In B2 dagegen ist der Operand ein komplexes NS. Der Skopus schrumpft also.
  3. In B1 ist zu obligatorisch. In B2 kann es u.a. gegen von und mit ausgetauscht werden. Die Freiheit der Selektion von zu geht also verloren.
  4. In B1 bedeutet zu gar nichts. Wenn man wünscht durch will ersetzt, fällt es ohne weiteres weg. In B2 bedeutet zu Bewegung hin zum Bezugspunkt. zu wird also desemantisiert.
  5. zu kann auch in der räumlichen Bedeutung von B2 einen Infinitiv als Komplement nehmen, z.B. in Erna fährt zum Segeln. Durch Grammatikalisierung wird das Significans von zum auf zu reduziert, und das Significatum verliert die Komponente der Zielrichtung.

Grammatikalisierung von Hilfsverben

B1.Erna hat einen Vogel.
B2.Erna hat gearbeitet.

(6 P.) Stellen Sie den unterschiedlichen Grammatikalisierungsgrad von hat in B1 und B2 anhand der Kriterien der paradigmatischen Variabilität und der Paradigmatisierung fest.

  1. Zur Festellung der paradigmatischen Variabilität genügt es, an den Verben von B1 und B2 Substitutionsproben vorzunehmen.
  2. Zur Feststellung der Paradigmatizität muß man das Komplement von hat variieren, also in B1 andere Nominalsyntagmen, in B2 andere Verben und andere infinite Formen von diesen, einsetzen und dann die Substitutionsprobe für hat wiederholen.

Lösung

In B1 liegt ein Vollverb, in B2 ein Hilfsverb, also eine stärker grammatikalisierte Variante, vor. Kriterien dafür sind: Das Hilfsverb hat geringere paradigmatische Variabilität und höhere Paradigmatizität als das Vollverb. Evidenz dafür ist wie folgt:

  1. In B1 kann man für hat alle semantisch passenden transitiven Verben einsetzen.
    In B2 kann man nichts anstelle von hat einsetzen; das Hilfsverb ist also obligatorisch.
  2. Nimmt man in B1 andere Komplemente, so erweitert sich die Klasse der davor einsetzbaren finiten Verben ins Uferlose; es ist (außer der Transitivität) keine Paradigmatizität feststellbar.
    Nimmt man in B2 andere Vollverben und von diesen andere infinite Formen, so lassen sich für hat noch andere Hilfsverben wie ist und wird einsetzen. Diese bilden miteinander ein Paradigma und sind Teil des Flexionsparadigmas der jeweiligen Vollverben.

Grammatikalisierung des periphrastischen Konjunktiv II

Der deutsche periphrastische Konjunktiv II vom Typ würde lesen “läse” ist im Mittelhochdeutschen aus einer Konstruktion des Typs würde lesende entstanden. Dabei ist würde der Konjunktiv II des Vollverbs werden, und lesende ist das Partizip I von lesen.

Beschreiben Sie die Grammatikalisierung des periphrastischen Konjunktiv II unter Bezug auf die folgenden Parameter:

  1. Verlust an phonologischer und semantischer Masse
  2. Paradigmatisierung

Lösung

Der periphrastische Konjunktiv II wird vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen in folgenden zwei Hinsichten grammatikalisiert:

  1. Durch phonologische Erosion geht die Endsilbe des Partizips verloren; was bleibt, sieht aus wie der Infinitiv.
    Die lexikalische Bedeutung von werden geht vollständig verloren; was bleibt, ist die Bedeutung des Konjunktiv II (die die Flexionsform würde von der Bedeutung des Stamms werd- unterscheidet).
  2. Der periphrastische Konjunktiv II wird Teil des Konjugationsparadigmas dadurch, daß er in freier Variation mit dem synthetischen Konjunktiv II steht, welcher bereits Teil des Paradigmas ist, und dadurch, daß werden sich dem Paradigma der Hilfsverben anschließt.

3. Funktionale Grammatik

3.1. Grundbegriffe

Grammatische und kognitive Kategorien

(4 P.) Nennen Sie zu jedem folgenden kognitiv-kommunikativen Konzepte eine grammatische Kategorie, in der es grammatikalisiert ist.

Lösung

  1. Sprechaktteilnehmer – Person
  2. Sexus – Genus
  3. Zeit – Tempus
  4. Anzahl – Numerus
  5. Einstellung des Sprechers zum Gesagten – Modus
  6. Beziehung eines Partizipanten zur Situation – Kasus
  7. Existenz im Redeuniversum – Definitheit
  8. Illokution – Satztyp

Grammatische Kategorien

(8 P.) Ist Definitheit/Indefinitheit im Deutschen

Geben Sie die Kriterien an, nach denen Sie diese Fragen entscheiden.

Lösung

(In-)Definitheit ist im Deutschen

Grammatische Operationen und Mittel

In B1 – B5 ist jeweils die b-Version aus der a-Version durch Anwendung einer Operation gewonnen.

B1.a.Ich habe das verstanden.
b.Ich habe das nicht verstanden.
B2.a.Erna verprügelte Erwin.
b.Erwin wurde von Erna verprügelt.
B3.a.Erna kam öfter.
b.Erna käme öfter.
B4.a.Du studierst Linguistik.
b.Du studierst Linguistik?
B5.a.der Dozent behandelt diesen Stoff
b.Behandlung dieses Stoffs durch den Dozenten
B6.a.Du studierst Linguistik.
b.Studierst du Linguistik?

(12 P.) Benennen Sie für jedes der Beispiele

  1. die Operation, welche die b-Version auf Basis der a-Version erzeugt,
  2. die Art des Strukturprozesses bzw. grammatischen Mittels, welche die Operation kodieren. Hierbei sind zwei Dinge zu beachten:

Lösung

  1. Negation - grammatisches Wort (grammatische Partikel)
  2. Passiv(ierung) - Kombination mehrerer Prozesse bzw. Mittel: von
  3. (Setzen in den) Konjunktiv II - Flexion: Umlaut
  4. Bildung eines voreingenommenen polaren Interrogativsatzes - Prosodie
  5. Nominalisierung - Kombination mehrerer Prozesse bzw. Mittel:
  6. Bildung eines neutralen polaren Interrogativsatzes - Wortstellung

3.2. Sprechakt, Satztyp, Modalität

3.3. Informationsstruktur

Endophora

(8 P.) Unterstreichen Sie in den folgenden Beispielen jeweils die Syntagmen, die Bezugspunkte für die Endophora bildet. In zwei Beispielen bestehen zwei endophorische Verhältnisse.

Lösung

B1.Erna machte Erwin weis, er brauche das Skript nicht zu lesen.
B2.Erna verstand nur diejenigen Wörter ohne Probleme, welche sie schon in der Schule gelernt hatte.
B3.Du unterstreichst also den Bezugspunkt, nicht das Anaphorikum. – Ich hab's verstanden.
B4.Neben mir ist Erna eingezogen. – Was denn, diese Schreckschraube ist jetzt Deine Nachbarin?
B5.Erna zwang Erwin, sieben Glas Aromatique zu trinken.
B6.Erna prahlte vor Erwin damit, sieben Glas Aromatique trinken zu können.

Ad B2: sie ist anaphorisch zu Erna; diejenigen ist kataphorisch zu dem Relativsatz.

Ad B5: Das implizite Anaphorikum ist Subjekt des Infinitivs.

Ad B6: Das implizite Anaphorikum ist wieder Subjekt des Infinitivs, bezieht sich hier aber auf ‘Erna’. Das da in damit ist kataphorisch zu der Infinitivkonstruktion.

3.4 Deixis

Deiktische Formative

(5,5 P.) Unterstreichen Sie in folgendem Text präzise die deiktischen Formative. (Es sind also nicht ganze Syntagmen oder Wörter zu unterstreichen, die ein deiktisches Formativ enthalten.)

Ich habe vorhin Erna getroffen. Sie war ganz vergnügt, weil sie unsere Abschlussklausur bestanden hatte. Sie will nochmal her kommen, um diese Bescheinigung abzuholen; die ist jetzt fertig.

Deixis und Anapher

Bilden Sie mit jedem der folgenden Wörter (oder Flexionsformen davon) zwei (nötigenfalls kontextualisierte) Beispielsätze, in deren erstem das Wort deiktisch und in deren zweitem es anaphorisch fungiert.

  1. dieser
  2. da
  3. so

Lösung

  1. a) Welches der beiden hier liegenden Bücher gehört dir? – Dieses.
    b) In Rom wollten wir den Petersdom besichtigen. Dieser war allerdings geschlossen.
  2. a) Guck mal da, ein Reh!
    b) Nachdem wir in Rom angekommen waren, haben wir da den Petersdom besichtigt.
  3. a) Guck mal, so mußt du das machen!
    b) Erna erklärte begeistert den Unterschied zwischen Deixis und Anapher, aber so schnell konnte Erwin nicht folgen.

Person und Numerus im Französischen

Ein regelmäßiges französisches Verb konjugiert so durch die Personen und Numeri:

Französische Konjugation
Numerus
Person   ╲
SingularPlural
1/dɔn//dɔnõ/
2/dɔn//dɔne/
3/dɔn//dɔn/

donner “geben” im Präsens Indikativ Aktiv

(4 P.) Welche Schlüsse lassen sich bzgl. der Markiertheitsverhältnisse der Personen und der Numeri ziehen?

Lösung
  1. In der ersten und zweiten Person gibt es Endungen, in der dritten gibt es keine. Folglich sind die ersteren markiert, letztere unmarkiert.
  2. Im Plural gibt es Endungen, im Singular gibt es keine. Folglich ist ersterer markiert, letzterer unmarkiert.

Grammatische und kognitive Kategorie

(10 P.) Konstruieren Sie die Ausdrücke Sie und meine Wenigkeit als Subjekt von Beispielsätzen und erläutern Sie an ihnen und der von ihnen ausgelösten verbalen Kongruenz den Unterschied zwischen einer kognitiven und einer grammatischen Kategorie.


Lösung

B1.Können Sie um 9 h hier sein?
B2.Das hat meine Wenigkeit schon immer gesagt.

Die Aufgabe involviert folgende kognitiven Kategorien:

‘Sprechaktteilnehmer’ und ‘Anzahl’ sind also kognitive Kategorien. Sie existieren unabhängig von der Einzelsprache und haben keine bestimmte sprachliche Form.

Das Personalpronomen Sie referiert auf den (einzelnen oder mehrere) Hörer in höflicher Weise. Der Ausdruck meine Wenigkeit referiert auf den Sprecher in (vorgeblich) devoter Weise.

Der kognitiven Kategorie des Sprechaktteilnehmers entspricht die grammatische Kategorie der Person. Den kognitiven Größen von Sprecher und Angesprochenem entsprechen im Pronomen und in der Konjugation im einfachsten Falle die grammatischen Werte der 1. bzw. der 2. Person. Den kognitiven Größen der Einzahl und Mehrzahl entsprechen in Deklination und Konjugation im einfachsten Falle die grammatischen Werte Singular bzw. Plural.

Dieser einfachste Fall liegt aber bei den Ausdrücken meine Wenigkeit zur Referenz auf den Sprecher und Sie zur Referenz auf den oder die Angesprochenen nicht vor. Diese erweisen sich vielmehr durch die verbale Kongruenz, die sie auslösen (3. Pl. für Sie, vgl. B1; 3. Sg. für meine Wenigkeit, vgl. B2), als zur grammatischen Kategorie der 3. Ps. gehörig. Hier gibt es also keine geradlinige Entsprechung zwischen den kognitiven Kategorien der Sprechaktteilnehmer und ihrer Anzahl und den grammatischen Kategorien von Person und Numerus.

Die in Rede stehenden Ausdrücke sind umgewidmet bzw. syntaktisch komplex. Strukturell betrachtet, ist Sie ein Pronomen der dritten Person, meine Wenigkeit ein Nominalsyntagma. Beide lösen daher in Subjektsfunktion Kongruenz des Verbs in der dritten Person aus, ersteres sogar im Plural. Der Verweis auf die beiden Sprechaktteilnehmer ergibt sich hier also nicht aus der grammatischen Kategorie Person, sondern aus der Bedeutung der beiden Ausdrücke.

Das Verhältnis illustriert also die allgemeine Feststellung, daß grammatische Kategorien keine eindeutige Entsprechung zu kognitiven Kategorien haben.

Andativ und Ventiv

Im folgenden wird ein Test deduziert, mit dem man feststellen kann, ob ein Verb ventiv oder andativ ist.

  1. (8 P.) Vervollständigen Sie die Deduktion.
  2. (8 P.) Führen Sie die Anwendung des Tests an zwei mit her und zwei mit hin komponierten Verben vor, von denen je eines deiktisch und das andere nicht deiktisch ist.
Musterlösung
      • Ein Verb hat ventive Bedeutung genau dann, wenn es eine – konkrete oder abstrakte – Bewegung zur Origo hin impliziert.
      • Ein Verb hat andative Bedeutung genau dann, wenn es eine – konkrete oder abstrakte – Bewegung von der Origo weg impliziert.
      • Ein Verb impliziert eine Bewegung zur Origo hin, wenn
        1. es mit einem Direktional oder Rezipienten kombiniert werden kann
        2. und dieser ausschließlich mit der Origo besetzt werden kann.
      • Ein Verb impliziert eine Bewegung von der Origo weg, wenn
        1. es mit einem Ursprung oder einem Agens kombiniert werden kann
        2. und mit einem Direktional oder Rezipienten kombinierten werden kann
        3. und letzterer nicht mit der Origo besetzt werden kann.1
    1. Folglich kann man den ventiven Charakter eines Verbs dadurch testen, daß man in die dargestellte Situation einen Direktional oder Rezipienten einsetzt und für diesen die drei Personen einsetzt.
      • Ist nur die erste Person einsetzbar, ist das Verb ventiv.
      • Sind auch andere Personen einsetzbar, ist es nicht ventiv.
    2. Ebenso folglich kann man den andativen Charakter eines Verbs dadurch testen, daß man in die dargestellte Situation einen Direktional oder Rezipienten einsetzt und für diesen die drei Personen einsetzt.
      • Ist die erste Person einsetzbar, ist das Verb nicht andativ.
      • Ist die erste Person nicht einsetzbar, ist es andativ.
  1. Z.B.:

1 Die Operationalisierung der Definition des Andativs kann nicht zu der des Ventivs symmetrisch sein in dem Sinne, daß der Ursprung oder Agens nur die erste Person sein dürfte, weil auch andere Personen Ausgangspunkt einer Bewegung von der Origo weg sein können.

Temporale Deixis

B1.Guck mal, da läuft ein Reh! – Wo?
B2.Na da; da ist eben ein Reh vorbeigelaufen.

B1 und B2 geben einen Dialog wieder.

  1. (3 P.) Beschreiben Sie die stattfindende temporale Orientierung.
  2. (3 P.) Wie werden die gemeinten temporalen Relationen ausgedrückt?

Lösung

  1. In B1 verweist der Sprecher auf ein Ereignis, das mit dem Sprechzeitpunkt gleichzeitig ist. In B2 verweist er auf ein Ereignis, welches unmittelbar vor dem Sprechzeitpunkt stattgefunden hat.
  2. Für die Referenz auf Ereignisse der ersten Art wird im Deutschen das Präsens verwendet. Für die Referenz auf Ereignisse, die vor dem Sprechzeitpunkt abgeschlossen sind, wird das Perfekt verwendet. [Das Präteritum wäre auch möglich.] Für die Referenz auf etwas, was unmittelbar vor dem Sprechzeitpunkt liegt, dient das Adverb eben.

Direkte Rede

Erna sagte zu Erwin, sie sei immer anständig zu ihm gewesen. Erst am Vortage habe sie noch für ihn Schmiere gestanden, obwohl er sie habe ausbooten wollen. Wenn ihn erst mal die Polente geschnappt habe, werde er seinen Egoismus bereuen. Er solle sich mal in ihre Lage versetzen. Ob er sich nicht vorstellen könne, was sie da durchmache. Sie habe schon für ihn Boxhandschuhe gehäkelt, als er noch in der Wiege gelegen habe. Er möge so gut sein und ihr eine Feile bringen.

  1. (4 P.) Transformieren Sie die indirekte Rede in direkte.
  2. (4 P.) Zeigen Sie an zwei Stellen, daß in der indirekten Rede Oppositionen neutralisiert sind, so daß bei der Umwandlung Alternativen zu entscheiden sind. Auf welcher Basis haben Sie die entschieden?

Lösung

  1. Erna sagte zu Erwin: "Ich bin immer anständig zu dir gewesen. Erst gestern habe ich noch für dich Schmiere gestanden, obwohl du mich hattest ausbooten wollen. Wenn dich erst mal die Polente geschnappt hat, wirst du deinen Egoismus bereuen. Versetz dich mal in meine Lage! Kannst du dir nicht vorstellen, was ich hier durchmache? Ich habe schon für dich Boxhandschuhe gehäkelt, als du noch in der Wiege lagst. Sei so gut und bring mir eine Feile!"
  2. a) In der indirekten Rede treten die Personalia der dritten Person sie und er (in den verschiedenen Formen) auf. Die gegebene Umsetzung in direkte Rede nimmt an, daß sie anaphorisch zu der Sprecherin und dem Angesprochenen sind, und setzen sie deshalb durch ich bzw. du um. Tatsächlich aber ist dieser Bezug der Pronomina in der indirekten Rede nur die einfachste Lösung, weil sonst keine dritte Person genannt war. Wäre im vorangehenden Kontext ausführlich von Friedas Beziehung zu Friedrich die Rede, könnten diese beiden die Bezugspunkte der Anaphorika sein. M.a.W., in den in indirekter Rede auftretenden Anaphorika der dritten Person sind sämtliche Personen neutralisiert.
    b) Das Perfekt in er sie habe ausbooten wollen kann in direkter Rede einem Perfekt, einem Imperfekt oder einem Plusquamperfekt entsprechen. Hier macht der Sinnzusammenhang Vorzeitigkeit wahrscheinlich.

3.5. Partizipation

Semantische Rollen und syntaktische Funktionen

(4 P.) Erläutern Sie die Begriffe 'Agens' und 'Patiens', 'Subjekt' und 'direktes Objekt' an B1 und B2.

B1.Erna bedient sich der Putzfrau.
B2.Erna braucht die Putzfrau.

Lösung

  1. Das Agens ist der Partizipant, der die Situation kontrolliert. In B1 ist das Subjekt Agens; in B2 gibt es kein Agens.
  2. Das Patiens ist der Partizipant, der durch die Situation kontrolliert wird. In B1 ist das Genitivobjekt Patiens; in B2 gibt es kein Patiens.
  3. Das Subjekt ist derjenige Aktant des Satzes, der bei Transformation des letzteren in eine Infinitivkonstruktion unterdrückt und stattdessen anaphorisch von Matrixverben wie sich schämen kontrolliert wird. Das ist Erna sowohl in B1 als auch in B2.
  4. Das direkte Objekt ist derjenige Aktant des Satzes, der bei seiner Transformation ins Passiv Subjekt wird. Das gilt für die Putzfrau in B2. In B1 gibt es kein direktes Objekt.
  5. Es gibt also keine biunike (sondern allerhöchstens eine tendentielle) Zuordnung von Agens zu Subjekt oder von Patiens zu direktem Objekt.

    (Die Frage, was die semantischen Rollen der Aktanten von B2 sind, bleibt unbeantwortet.)

Semantische Rollen und syntaktische Funktionen

(8 P.) Illustrieren Sie die folgenden syntaktischen Verhältnisse mit je einem Beispielsatz:

1. ein Subjekt, das nicht Agens ist,

2. ein direktes Objekt, das nicht Patiens ist,

3. ein Agens, das nicht Subjekt ist,

4. ein Patiens, das nicht direktes Objekt ist.

Lösung

  1. Die Himbeeren schmecken gut.
  2. Erna erlitt einen Hitzschlag.
  3. Erwin wurde von Erna verprügelt.
  4. Erna bediente sich der Putzfrau. / Erna gab Erwin einen Tritt.

Passiv

Die folgende Beispielserie ist so aufgebaut, daß wesentliche Merkmale des deutschen Passivs in Erscheinung treten und unwesentliche Begleiterscheinungen - darunter Wortstellungsanpassungen - außer Betracht bleiben.

B1.a.Dem Lehrer gehorchten die Kinder.
b.Dem Lehrer wurde (von den Kindern) gehorcht.
B2.a.Des Rektors gedachte die Vizepräsidentin.
b.Des Rektors wurde (von der Vizepräsidentin) gedacht.
B3.a.An den Weihnachtsmann glauben die Kinder.
b.An den Weihnachtsmann wird (von den Kindern) geglaubt.
B4.a.Morgen tanzen die Kinder.
b.Morgen wird (von den Kindern) getanzt.
B5.a.Den Lehrer verehren die Kinder.
b.Der Lehrer wird (von den Kindern) verehrt.
  1. (4 P.) Beschreiben Sie die Bildung des Passivs im Deutschen zunächst für B1 - B4.
  2. (4 P.) Welche zusätzliche Komplikation tritt in B5 auf, und was ist die Bedingung dafür?
  3. (2 P.) Was ist das gemeinsame Merkmal aller deutschen Passivbildungen?

Lösung

1.a. Das Subjekt des aktivischen Satzes wird entweder weggelassen oder zum Komplement eines durch von eingeleiteten Präpositionalsyntagmas, welches Adjunkt des Hauptverbs wird.
b. Das Hauptverb nimmt passivische Flexion an (d.h., die Periphrase mit werden + PPP tritt ein).
c. Die Personalflexion des Hauptverbs wird an die neue Konstruktion angepaßt. Im vorliegenden Falle bedeutet das, da der Satz kein Subjekt hat, daß das Auxiliar die 3. Pers. Sg. annimmt.
2. Zusätzlich zu den bisher genannten Veränderungen wird das direkte Objekt des aktivischen Satzes zum Subjekt des passivischen Satzes. Die Bedingung ist eben, daß das Hauptverb ein direktes Objekt hat.
3. Die unter 1 genannten Veränderungen.

Periphrastische Diathese

Ich kriege vom Verlag einen Vertrag zugeschickt.

Beschreiben Sie die Bildung der in dem Beispiel vorliegenden periphrastischen Diathese.

Lösung

Die vorliegende periphrastische Diathese ist das Rezipientenpassiv. Sein Zweck ist es, einen Partizipanten in Subjektsposition zu bringen, welcher typischerweise Rezipient ist und in der aktivischen Version jedenfalls weder als Subjekt noch als direktes Objekt, sondern typischerweise als indirektes Objekt konstruiert wird.

Dem Beispielsatz entspricht die aktivische Version

Der Verlag schickt mir einen Vertrag zu.

Die Bildung des Rezipientenpassivs kann durch folgende Transformation beschrieben werden:

Aktiv [ XNS.Nom YV.fin ZNS.Dat W ]S
Rezipientenpassiv [ ZNS.Nom krieg-V.fin (von XNS.Dat) W YPart.Perf ]S

Zur Diathese

B1.a.Elfriede las (Erwin) (den Roman) vor.
b.Der Roman wurde (Erwin) (von Elfriede) vorgelesen.
c.Erwin bekam (den Roman) (von Elfriede) vorgelesen.
B2.a.Someone stole Fred's car.
Englb.Fred's car was stolen.
c.Fred had his car stolen.
B3.a.IlsontdétruitlamaisondeFrédéric.
Frz SBJ.3.PLhab:3.PLzerstör:PART.PERFDEF.F.SGWohnungvonFriedrich
“Man hat Friedrichs Wohnung zerstört.”
 b.LamaisondeFrédéricaétédétruite.
 DEF.F.SGWohnungvonFriedrichhab.3.SGsei:PART.PERFzerstör:PART.PERF:F
“Friedrichs Wohnung ist zerstört worden.”
 c.Frédéricavusamaisondétruite.
 Friedrichhab.3.SGseh:PART.PERFPOSS.3.SG:FWohnungzerstör:PART.PERF:F
“Friedrich hat seine Wohnung zerstört bekommen.”

In B1 - B3 illustrieren jeweils die a-Version das Aktiv, die b-Version das Passiv, die c-Version eine andere Diathese.

  1. (6 P.) Was geschieht mit dem Subjekt des Aktivs in den anderen Diathesen? In welcher Form kann es bei ihnen untergebracht werden?
  2. (6 P.) Welche anderen syntaktischen Funktionen können durch Diathesen in die Subjektsfunktion überführt werden?
  3. (6 P.) Welche syntaktischen Operationen werden dazu in B1 - B3 angewandt?
  4. (2 P.) Was haben alle bisher gesehenen Diathesen syntaktisch miteinander gemeinsam?

Lösung

  1. Das Subjekt des Aktivs wird in allen drei in Rede stehenden Diathesen demoviert. Es wird optional in einem Adjunkt ausgedrückt, und zwar als Komplement einer (agentiv-instrumentalen) Präposition.
  2. In B1 das indirekte Objekt. In B2 und B3 ein possessives Attribut, und zwar in beiden Fällen ein Attribut des Patiens, also des direkten Objekts der aktivischen, des Subjekts der passivischen Version (wobei unklar ist, ob diese Bedingung allgemein gilt).
  3. Es wird ein Funktions-/Hilfsverb eingeführt, nämlich bekommen bzw. have bzw. voir, welches in finiter Form Kern des Prädikats zum promovierten Subjekt wird. Das direkte Objekt der aktivischen Version wird direktes Objekt dieses finiten Verbs. Das Vollverb wird ins Partizip Perfekt gesetzt und wird Prädikativ zum direkten Objekt.
  4. Demotion des Subjekts der aktivischen Version, Promotion eines anderen Satzglieds in die solchermaßen vakante Subjektsposition.

Zur Referenz und Valenz

B1.[unspezifiziertes Agens] hat das Tatwerkzeug gefunden.
  1. (10 P.) Stellen Sie alle grammatischen Mittel des Deutschen (mindestens fünf) zusammen, die ein indefinites und lexikalisch leeres Agens ausdrücken. Bilden Sie dazu Beispielsätze der semantischen Struktur von B1.
  2. (15 P.) Worin bestehen die Bedeutungsunterschiede zwischen den Strukturmitteln? Welche geben am meisten, welche am wenigsten Information über das Agens? Inwieweit ist in den verschiedenen Konstruktionen überhaupt die Beteiligung eines menschlichen Agens an dem Geschehen ausgedrückt?

Lösung

1. (10 P.) In der aktivischen Version nimmt das Agens die Subjektsposition ein. Diese wird im Deutschen obligatorisch besetzt, wird also, wenn das Agens semantisch unspezifiziert gelassen werden soll, mit einem Pronomen besetzt. Das kann sein:

1) das Personalpronomen der 3.Ps.Pl., das ohne definite Referenz gebraucht wird:

B5.a. Sie haben das Tatwerkzeug gefunden.

2) ein spezifisches Indefinitpronomen:

B5.b. Jemand hat das Tatwerkzeug gefunden.

3) ein nicht-spezifisches Indefinitpronomen:

B5.c. Irgendjemand/Irgendeiner/Einer hat das Tatwerkzeug gefunden.

4) das Pronomen, welches auf eine Menge mit einer unbestimmten Anzahl unspezifizierter Personen verweist:

B5.d. Man hat das Tatwerkzeug gefunden.

In der nicht-aktivischen Version nimmt das Patiens die Subjektsposition. Da das Agens hier nicht mehr Subjekt ist, braucht es nicht ausgedrückt zu werden.

5) Das Verb kann dann passivisch konstruiert werden:

B5.e. Das Tatwerkzeug wurde gefunden.

6) Oder es kann reflexiv konstruiert werden:

B5.f. Das Tatwerkzeug hat sich gefunden.

7) Im Nominalstil kann das Verb nominalisiert werden:

B5.g. Der Fund des Tatwerkzeugs ist erfolgt.

2. (15 P.) Die Bedeutungsunterschiede zwischen den sechs Konstruktionen sind unterschiedlich groß. Der Hauptunterschied ist, daß in 1 - 4 ein Agens für die Handlung verantwortlich gemacht wird, in 5 und 6 dagegen nicht. Im Zusammenhang damit sagen 5 und 6 etwas über das Patiens, während dies in 1 -4 zum Prädikat gehört.

1 - 6 sind nach abnehmender Information über das Agens angeordnet. In B5.a wird mindestens angedeutet, daß es mehrere identifizierbare und möglicherweise sogar bekannte Personen waren, wenn dies auch nicht unbedingt gemeint sein muß. Der Unterschied zwischen 2 und 3 ist der zwischen Spezifizität und Nicht-Spezifizität; es wird also angenommen, daß das Agens identifizierbar bzw. nicht-identifizierbar ist. In B5.d wird nur gesagt, daß es eine oder mehrere Personen waren. In 5 und 6 wird überhaupt keine Information über das Agens gegeben. Allerdings wird in B5.f die Mitwirkung eines Agens vollkommen verschwiegen, der Vorgang wird quasi als eine Selbsttätigkeit des Patiens dargestellt. In B5.e dagegen wird die Mitwirkung eines Agens zugelassen; es wäre - im Gegensatz zu B5.f - syntaktisch möglich, ihn zu spezifizieren.

Passiv intransitiver Verben

B1 enthält eine Menge intransitiver Verben (ignorieren Sie etwaige transitive Versionen).

B1.brennen, hängen, arbeiten, fallen, sitzen, spielen, schmelzen, sterben, sprechen, lachen, verschwinden, scheinen, tanzen, husten, stinken, dauern
  1. (4 P.) Welche der Verben in B1 bilden ein Passiv?
  2. (2 P.) Welches ist die semantische Gemeinsamkeit derjenigen Verben, die ein Passiv bilden?

Lösung

  1. arbeiten, ?sitzen, spielen, ?sterben, sprechen, lachen, tanzen, husten
  2. Sie sind agentiv, d.h. ihr Subjekt ist Agens. Falls sitzen und sterben ein Passiv bilden, versteht man, daß sie kontrolliert werden.

Passiv

B1.ahnen, anhaben (Obj.: Kleidungsstück), bedrücken, beinhalten, bekommen, bekümmern, empfangen (i.S.v. erhalten), enthalten, erfahren, erhalten (i.S.v. bekommen), erlangen, erleiden, fühlen, gelten, haben, interessieren, kleiden (Subj.: Kleidung), können, kosten (i.S.v. wert sein), meinen, merken, müssen, schmerzen, schulden, spüren, überkommen, verdienen (i.S.v. engl. deserve), wiegen (i.S.v. Gewicht haben)

B1 enthält eine ziemlich komplette Liste deutscher Verben, welche ein Komplement im Akkusativ nehmen, die jedoch nicht Kern eines passivischen Satzes werden (so daß das Komplement in Subjektsfunktion käme).

  1. Prüfen Sie die Eingangsbehauptung für die Verben in B1. Sind einige unter Umständen doch passivierbar?
  2. Die Eingangsbehauptung bezieht sich auf die Bildung einer passivischen Satzkonstruktion. Ist dasselbe zu sagen über die Bildung des Partizips II? Und über dessen Verwendung im passivischen Sinne?
  3. Die Verben in B1 unterscheiden sich in den Partizipantenrollen der beiden zentralen Aktanten von den passivierbaren Verben. Formulieren Sie diese semantische Eigenschaft als Beschränkung über die Passivierbarkeit deutscher Verben.

Lösung

  1. Einige sind marginal im agenslosen Passiv möglich, etwa das wurde nur dunkel geahnt; die Prüfung wurde mehr erlitten als abgelegt usw.
  2. Das Partizip II läßt sich von allen bilden, weil es für das Perfekt gebraucht wird. Das Partizip II folgender Verben kann als Attribut, in passivischem Sinne, verwendet werden:
    B2.ahnen, empfangen, enthalten, erfahren, erhalten, erlangen, erleiden, fühlen, haben, können, schulden, spüren, verdienen
    B3.bedrücken, bekümmern, interessieren, kleiden
    Das Passivpartizip der Verben in B2 ist semantisch regelmäßig, das der Verben in B3 ist ein lexikalisiertes Zustandspassiv.
  3. Die Verben haben entweder ein Subjekt ohne Kontrolle (bekommen) oder ein nicht-affiziertes direktes Objekt (meinen) oder beides (erleiden). Nur solche transitiven Verben können Prädikat eines Passivsatzes werden, wo ein Kontrollgefälle von dem durch das Subjekt repräsentierten zu dem durch das Objekt repräsentierten Partizipanten besteht.

P.S.: Pustet 1991:19-22 zeigt, daß eine solche semantische Beschränkung über Passivierung im Deutschen nicht nur die transitiven, sondern überhaupt alle Verben betrifft.

Zu den kausativen Konstruktionen

Eine kausative Konstruktion (z.B. B1.b-e) besteht aus einem Kausator (= übergeordneten Agens) (hier die Mutter), einer semantisch (!) untergeordneten Proposition (hier die Bedeutung von B1.a), für deren Realisation der Kausator ursächlich verantwortlich ist, und einem lexikalischen oder grammatischen Mittel, das die Kausation (die Beziehung zwischen dem Kausator und der untergeordneten Proposition) ausdrückt. Die untergeordnete Proposition kann (für sich, also unabhängig von der kausativen Konstruktion betrachtet) ihrerseits ein untergeordnetes Agens (hier das Kind) enthalten, und ihr Verb kann im Prinzip beliebige Valenz haben. Innerhalb der kausativen Konstruktion hat die untergeordnete Proposition nicht unbedingt die syntaktische Struktur eines Satzes (oder auch nur einer Konstituente). Falls in der kausativen Konstruktion die Kausation Bedeutungsbestandteil des semantisch untergeordneten Verbs ist (wie in B1.b), heißt dieses kausatives Verb.

B1.a.Das Kind sitzt auf dem Stuhl.
b.Die Mutter setzt das Kind auf den Stuhl.
c.Die Mutter läßt das Kind auf dem Stuhl sitzen.
d.Die Mutter veranlaßt das Kind, auf dem Stuhl zu sitzen.
e.Die Mutter sorgt dafür, daß das Kind auf dem Stuhl sitzt.

Lösung

1.a. (4 P.) Was sind die Ausdrucksmittel der Kausation in B1?

b. (4 P.) Klassifizieren Sie die Mittel nach dem Typ des Ausdrucksverfahrens.

1.a.

b: Eine morphologische Veränderung des untergeordneten Verbs, genauer eine Vokalalternation (symbolische Alternation/innere Modifikation).

c: Das Verb lassen mit direktem Infinitival/Infinitivkomplement.

d: Das Verb veranlassen mit durch zu eingeleitetem Infinitival/Infinitivkomplement.

e: Das Verb sorgen für mit (durch daß eingeleitetem) Substantivsatz als Komplement.

b.

In B1.d und e liegen zweifelsfrei keine grammatischen Mittel vor, denn die Verben veranlassen und sorgen für sind Vollverben wie andere, die eine satzartige Konstruktion als Komplement nehmen, auch. In b liegt kein grammatisches Mittel vor, weil die Alternation vom Typ sitzen - setzen auf einige wenige Verben beschränkt ist und durch keine allgemeine Regel (geschweige eine grammatische Regel) beschrieben werden kann.

Allenfalls in c liegt ein grammatisches Mittel vor. Indiz dafür ist, daß lassen ebenso wie die Hilfs- und Modalverben das abhängige Infinitival direkt, also ohne zu nimmt.

2. a. (1 P.) Wie wird die syntaktische Funktion des Subjekts des semantisch untergeordneten Verbs in den kausativen Konstruktionen vom Typ B1. b-d verändert?

b. (2 P.) Wie wird die Valenz des untergeordneten Verbs bei der Überführung in ein kausatives Verb verändert?

a.

In allen drei Fällen wird das Subjekt des untergeordneten Verbs zum direkten Objekt in der kausativen Konstruktion. (Es wird von dem übergeordneten Verb regiert, das die Kausation bedeutet und in B1.b im untergeordneten Verb steckt.)

b.

Die Valenz wird erhöht um eine zusätzliche Stelle für das übergeordnete Agens, welches das neue Subjekt wird. Das Subjekt des untergeordneten Verbs wird zum direkten Objekt (demoviert).

B2.Der Maurer trägt die Zementsäcke.

3. (3 P.) Führen Sie zu B2 als untergeordneter Proposition einen Kausator ein. Eines der gefundenen Ausdrucksmittel der Kausation ist hier nicht anwendbar. Mit welcher Eigenschaft von tragen hängt das zusammen?

B2.b. [geht nicht]

c. Der Polier läßt den Maurer die Zementsäcke tragen.

d. Der Polier veranlaßt den Maurer, die Zementsäcke zu tragen.

e. Der Polier sorgt dafür, daß der Maurer die Zementsäcke trägt.

Die oben zu 1.a, c-e aufgeführten Ausdrucksmittel sind auch hier anwendbar. Zu tragen gibt es kein kausatives Verb, weil es das im Deutschen zu keinem transitiven Verb (außer trinken) gibt.

B3.Ich lasse heute eine Klausur schreiben.

4. (1 P.) Welches der Elemente einer kausativen Konstruktion fehlt in B3?

Das untergeordnete Agens.

Zu den Verbklassen

B1.brechen, schmelzen, sterben, sinken ...
B2.heben, schlagen, schneiden, treten ...
B3.brechen, schmelzen, töten, versenken ...

Es wird vorausgesetzt, daß die Transitivität der Verben innerhalb jeder der Serien von B1 - B3 dieselbe ist. Die Beispielreihen B1 und B2 repräsentieren zwei verschiedene lexikalische Klassen.

  1. Welche semantischen Eigenschaften konstituieren sie? Zur Diagnose setzen Sie die Verben ins Prädikat eines präteritalen Satzes und prüfen, ob die Sätze zu B1 und B2 gleiche gute Antworten auf die Fragen Was tat X? und Was geschah mit X/Y? sind.
  2. Erweitern Sie die Klassen um je drei Mitglieder.
  3. In welche der zuvor gefundenen lexikalischen Klassen gehören die Wörter in B3?
  4. Formulieren Sie eine semantische Operation, die Wörter aus der einen Klasse in die andere überführt. Wenden Sie sie auf weitere Beispielwörter an. Durch was für morphologische Prozesse wird die Operation kodiert?

Lösung

  1. Die Verben in B1 geben keine guten Antworten auf die Frage Was tat X? ab. Stattdessen eignen sie sich als Antwort auf die Frage Was geschah mit X? Mit den Verben in B2 ist es umgekehrt. Folglich sind die Verben von B1 inaktiv, die von B2 agentiv.
  2. B1. wachsen, frieren, durchfallen
    B2. streicheln, schieben, bearbeiten
  3. In die agentive Klasse.
  4. Agentivierung bzw. Kausativierung: Operation der Überführung eines inaktiven in ein agentives Verb durch Einführung eines Agens, wie folgt: Xsbj [Y]V.inakt → [Zsbj [Y]V.agentiv Xobj.. Z.B. X bricht → Z bricht X.
    Deagentivierung bzw. Antikausativierung: Die dazu spiegelbildliche Operation der Tilgung des Agens, also: [Zsbj [Y]V.agentiv Xobj. → Xsbj [Y]V.inakt. Z.B. Z bricht X → X bricht.
    Die Operation funktioniert durch Konversion auch mit kochen, abbrennen (wie bei brechen). Mit anderen intransitiven Verben wie liegen, sitzen funktioniert Kausativierung durch morphologische Veränderung (wie bei sinken aus B1). Bei noch anderen Verben hat man lediglich eine paradigmatische lexikalisch-semantische Beziehung ohne (regelmäßige) morphologische Beziehung; so bei verloren gehenverlieren, wie schon bei sterbentöten in B1/B3.

Valenzkonversion

B1.a.Erna schmierte Fett an die Achse.
b.Erna schmierte die Achse mit Fett.
  1. (3 P.) Geben Sie weitere Beispiele wie B1 mit drei anderen Verben.
  2. (6 P.) Schreiben Sie eine Transformation, die Sätze wie B1.a in b überführt.

Lösung

  1. füllen, gießen, malen, pinseln, sprenkeln, sprühen, stopfen, streuen, streichen,
  2. V [X]NPdir.Obj. [Y]PräpPDirektional → V [Y]NPdir.Obj. [mit X]PräpP

Valenzalternation im Englischen

B1.a.Josie stuffed her bag with old clothes.
b.Josie stuffed old clothes into her bag.
B2.a.Josie hit the sack with a stick.
b.Josie hit a stick against the sack.
  1. (6 P.) Bilden Sie entsprechende Paare mit present, inscribe, load.
  2. (6 P.) Beschreiben Sie die beobachtbare Valenzalternation.

Lösung

Folgende Verben nehmen an der Alternation teil:

clear, hit, empty, inscribe, load, present, spray, stuff