In der Wissenschaft wird unter einem Begriff eine bestimmte Art von Bedeutung bzw. Bedeutungseinheit verstanden, und zwar eine, die folgende Bedingungen erfüllt:

  1. Ein Begriff kann durch einen sprachlichen Ausdruck (u.a., aber nicht nur, ein Wort) bezeichnet werden. Er ist allerdings von solchen sprachlichen Ausdrücken unabhängig und nicht mit ihnen identisch.
  2. Er ist allgemein: sein Denotat – wenn er denn eines hat – ist eine Klasse von Gegenständen, nicht ein einzelner Gegenstand.
  3. Er ist abstrakt: Da es verschiedenartige Gegenstände gibt, die unter einen Begriff fallen (bzw. unter ihn subsumiert werden) können, ist der Begriff nicht spezifiziert für alle jene Eigenschaften, die unter seinen Denotata variieren. Folglich wird er auch nicht durch einen bestimmten Gegenstand instantiiert; man kann nicht auf einen Begriff zeigen.
  4. Er ist eine relativ unabhängige Einheit des Denkens. Darin unterscheidet er sich von Operationen und logischen Einheiten wie Junktoren und Quantoren, die über diese Art mentaler Abtrennbarkeit nicht verfügen.
  5. Er ist dynamisch in dem Sinne, daß er an mentalen Operationen beteiligt ist. Er kann durch eine solche Operation gebildet werden, er kann als Operator oder Operand in einer Operation fungieren; er kann sowohl im jeweiligen Denken als auch diachron verändert werden.

Einige Beispiele von Begriffen sind ‘rot’, ‘verabscheuen’, ‘Pflanze’, ‘Rose’. Die Anführungszeichen machen darauf aufmerksam, daß das so Repräsentierte ein Begriff, kein Ausdruck/Wort ist.

Ein paar Beispiele für Nicht-Begriffe sind:

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird kaum zwischen den Ausdrücken Wort/Ausdruck und Begriff unterschieden. Dies ließe sich durch zahlreiche Zitate belegen, wofür hier eines genügt:

“Bei den Tschuktschen benutzen Frauen und Männer für eine Sache unterschiedliche Begriffe.” (Süddeutsche Zeitung 21.02.07)

Was die Süddeutsche Zeitung da berichtet, wäre theoretisch möglich,1 aber das meint sie nicht. Sie meint, daß bei den Tschuktschen Männer und Frauen für denselben Begriff verschiedene Ausdrücke/Wörter verwenden.

Um es noch einmal zu verdeutlichen: Begriffe sind überhaupt keine Einheiten einer bestimmten Sprache. Z.B. bezeichnen der deutsche Ausdruck Handy und der englische Ausdruck cellphone denselben Begriff. In zahlreichen Fällen, wenn die Leute Begriff sagen, meinen sie Ausdruck.

Wissenschaftlicher Sprachgebrauch und allgemeiner Sprachgebrauch sind oft verschieden, gelegentlich auch dadurch, daß der wissenschaftliche Sprachgebrauch präziser ist. Solange man sich nicht in wissenschaftlichem Kontext befindet, kann man sich meist mit alltäglichem Sprachgebrauch begnügen. Gerade im vorliegenden Falle ist der in der Umgangssprache verbreitete Gebrauch jedoch nicht einfach anders oder weniger genau, sondern er ist töricht. Der Unterschied zwischen einem Begriff und einem sprachlichen Ausdruck ist überall zwischen Menschen relevant, nicht nur in der Wissenschaft. Wenn man ‘Ausdruck’ meint, dann steht dafür das – ja ebenfalls allgemein übliche – Wort Ausdruck zur Verfügung. Es besteht keine Notwendigkeit, das Wort Begriff für diesen Zweck zu mißbrauchen.

Dem läßt sich hinzufügen, daß es sich nicht um einen Fall handelt, wo die Wissenschaft einen bereits in der Umgangssprache kursierenden Ausdruck (eben Begriff) nachträglich für einen von ihr indossierten Begriff (eben ‘Begriff’) usurpiert und festgelegt hätte, so daß sie die entstehende Verwirrung selbst zu verantworten hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Der (seit dem Althochdeutschen existierende) Ausdruck Begriff “das, was umfaßt wird” wurde in der philosophischen Aufklärung spezifiziert als “das, was semantisch umfaßt wird”. Die Verwechslung von Inhalt und Ausdruck bei diesem Ausdruck ist eine Errungenschaft der Umgangssprache des 20. Jahrhunderts.


1 Z.B. könnten Menschen von Männern als federlose Zweibeiner, von Frauen jedoch als rationale irdische Wesen konzipiert werden.

Übungsaufgaben

Rechter Sprachgebrauch 1

Rechter Sprachgebrauch 2