Antoine Arnauld

1. Lebensdaten

ZeitOrtEreignis
06.02.1612Parisgeboren als zwanzigstes Kind (und letztes von 10 überlebenden Kindern) des berühmten Anwalts Antoine Arnauld (1560-1619) und seiner Frau Catherine Marie de Druy. Es wird die bedeutendste jansenistische Familie Frankreichs. Antoine Arnauld
1634ParisAbbé de St. Cyran bringt Arnauld (der eigentlich Jura studieren wollte) zum Theologiestudium an der Sorbonne
1638SorbonneThèse de Licence
1639ParisArnauld lehrt Philosophie am Collège de Mans
1641ParisDoktor der Theologie mit Dissertation über St. Augustins Theorie der Gnade. Er wird Priester und vermacht seine Habe dem Kloster von Port Royal.
1641Arnauld schreibt eine Kritik von Descartes' Méditations.
1643ParisArnauld wird Dozent an der Sorbonne, publiziert De la fréquente communion, eine Verteidigung des Kirchenreformers Cornelius Jansen (Bischof von Ypern) gegen die Jesuiten, und schließt sich damit den Jansenisten an, die vom Papst als Häretiker eingestuft werden.1
1656ParisWegen jansenistischer Thesen wird Arnauld von der Sorbonne verwiesen.
1660ParisPublikation der Grammaire générale. Die Schulen von Port Royal werden auf königlichen Erlaß wegen jansenistischer Umtriebe geschlossen.
1669Papst Clemens IX und König Ludwig XIV erklären den Streit um Jansen für beendet. Arnauld wird der prominenteste Katholik Frankreichs (gegen den Calvinismus).
1679wg. neuer Angriffe auf die Jansenisten und Port Royal geht Arnauld ins niederländische Exil und läßt sich dann in Brüssel (spanische Niederlande) nieder
Arnauld und Pierre Nicole schreiben L'art de penser (= La logique de Port Royal)
06.08.1694Brüsselgestorben
1709Louis XIV löst Port Royal auf

Wissenschaftliches Umfeld

Die Abtei von Port Royal des Champs (südwestlich von Versailles) wurde 1204 gegründet. Seit 1626 bestand in Paris ein Schwesterhaus, welches eine bedeutende Schule und ein Zentrum der Jansenisten war. Bereits Vater Antoine Arnauld hatte 1594 eine folgenschwere Rede gegen die Jesuiten gehalten. Seitdem war die Familie Arnauld im jansenistischen Lager und hatte ständige Auseinandersetzungen mit den Jesuiten.

1637 publiziert R. Descartes seinen Discours de la méthode und begründet somit den Rationalismus, wonach alle Erkenntnis sich aus der Vernunft herleitet. Auch die Grammatik ist daher aus logischen Prinzipien zu deduzieren.

2. Person und Werk

Arnauld ist in erster Linie Philosoph und Theologe und nebenbei auch ein Mathematiker von Graden. Er arbeitet u.a. mit Pierre Nicole und Blaise Pascal zusammen und korrespondiert mit G. Leibniz. In der Erkenntnistheorie vertritt er einen rationalistischen Standpunkt; allerdings sind Ideen für ihn der Wahrnehmung nachgeordnet. Die Logique de Port Royal ist über weite Strecken eine Widerlegung der aristotelischen und scholastischen Philosophie. Der Kern seiner Lehre ist, daß das Höchste die Fähigkeit sei, Wahr und Falsch zu unterscheiden.

Die Grammaire générale ist eigentlich nur ein Nebenprodukt seines Schaffens. Sie hat den Zweck, die Schüler von Port Royal in die wesentlichen sprachlichen Erscheinungen und grammatischen Begriffe einzuführen. Herangezogen werden Griechisch, Latein und Französisch. Insoweit die Sprachen nicht genau den logischen Vorgaben entsprechen, werden sie kritisiert.

Für die Gemeinschaftsarbeit berät Arnauld Lancelot und liefert ihm das Material; Lancelot bringt es in die publizierte Form.

Die Grammaire générale hat folgenden Aufbau:

  1. Buchstaben und Schriftzeichen
    1. Vokale
    2. Konsonanten
    3. Silben
    4. Akzent
    5. Buchstaben
    6. Leseunterricht
  2. Prinzipien und Fundamente der morphologischen Kategorien
    1. Logik als Fundament der Grammatik
    2. Substantiv und Adjektiv
    3. Propria und Appellativa
    4. Numerus
    5. Genus
    6. Kasus
    7. Artikel
    8. Pronomen
    9. Relativpronomen
      ...
    1. Hilfsverb
    2. Konjunktion, Interjektion
    3. Syntax

Arnauld war extrem polemisch, auch gegen seine Freunde. Als Nicole sagt, er wolle sich zur Ruhe setzen, antwortet Arnauld: “Vous reposer! Eh, n'aurez-vous pas pour vous reposer l'éternité toute entière?

3. Bedeutung und Nachwirkung

Die Logique de Port Royal beherrscht die französische Logik für die nächsten 200 Jahre. Arnauld geht in die Wissenschaftsgeschichte ein als ‘Le Grand Arnauld’. Die Grammatik von Arnauld & Lancelot (die auf dem Titelblatt nicht genannt werden) wird allgemein als Grammatik von Port-Royal bezeichnet. Seine gesammelten Werke wurden posthum in 44 Bänden publiziert.

Andere allgemeine Grammatiker waren César Chesneau Du Marsais (1676-1756) und Nicolas Beauzée (1717-1789).

4. Schriftenverzeichnis

Arnauld, Antoine & Lancelot, Claude 1660, Grammaire générale et raisonnée, contenant les fondements de l'art de parler, expliquéz d'une manière claire et naturelle, les raisons de ce qui est commun à toutes les langues et des principales différences qui s'y rencontrent, et plusieurs remarques nouvelles sur la langue française. Paris: Port-Royal. Zahlr. Neudr., zuletzt: Paris 1966 (mit Einleitung von M. Foucault); Stuttgart-Bad Cannstatt 1966 (hrsg. von Herbert E. Brekle, 2 Bde.); Genève: Slatkine, 1972.
Online-Ausgaben: digitalisiert
Facsimile

5. Sekundärliteratur

Beauzée, Nicolas 1767, Grammaire générale ou exposition raisonnée des éléments nécessaires du langage, pour servir de fondement a l'étude de toutes les langues. 2 vols. Paris: J. Barbou (Grammatica universalis, 8) (Nouvelle impression en facsimilé de l'édition de 1767 avec une introduction par Barrie E. Bartlett. Stuttgart-Bad Cannstatt: F. Frommann, 1974.).

Amacker, René 1990, "Sept thèses sur l'origine de la grammaire générale." Liver, Ricarda & Werlen, Iwar & Wunderli, Peter (eds.), Sprachtheorie und Theorie der Sprachwissenschaft. Geschichte und Perspektiven. Festschrift fur Rudolf Engler zum 60. Geburtstag. Tübingen: G. Narr (TBL, 355); 16-36.

http://oregonstate.edu/instruct/phl302/philosophers/arnauld.html


Claude Lancelot

Lebensdaten

1615Parisals Sohn eines Böttchers geboren
1634Lancelot wird Jesuit
1638wird Mitbegründer der Schulen in der Abtei von Port Royal
1640Port Royallehrt Mathematik und Sprachen
1653GrangesLehre
1656Port RoyalLehre und Neukonzeption der Pädagogik der Abtei
1660nach der Zerschlagung der jansenistischen Bewegung verläßt Lancelot die Abtei
1672St.Cyranwird Zisterzienser in der Abtei
1680QuimperléLancelot flieht in die Benediktinerabtei St. Croix in der Bretagne
15.04.1695Quimperlégestorben

Bedeutung

Lancelot gilt als Wegbereiter für individualistische Erziehung und wissenschaftlichen Unterricht. Schrieb zahlreiche grammatische Werke, wo er einen engen Zusammenhang zwischen lexikalischer und grammatischer Bedeutung der Wortarten sieht. 1644 verfaßt er eine lateinische, 1655 eine griechische, 1659 eine italienische, 1660 eine spanische Grammatik (alle anonym). Danach veranstaltet er Bibelausgaben, publiziert eine Gesangslehre, einen Reisebericht.


1 Jansens Heilslehre war in manchen Punkten der lutherischen Reformation näher als die päpstliche Lehre.