Dieses Skript arbeiten Sie mit folgenden Ziele durch:

  1. Sie werden die Grammatik als ein System aus Einheiten, Beziehungen und Operationen kennenlernen. Viele Begriffe, die Sie aus der Schulgrammatik kennen, werden in einen systematischen Zusammenhang gestellt und theoretisch begründet. Sie kommen endlich an den Punkt, wo die sprichwörtliche Antwort auf die Bitte um Begründung für eine grammatische Regel, “das ist nun mal so”, nicht mehr gilt.
  2. Sie lernen Methoden der linguistischen Analyse. Das Wesentliche hier ist, daß Grammatik nicht aus einer Menge von Begriffen und Regeln besteht, die man auswendig weiß. Vielmehr gibt es Verfahren, mit denen man sprachliche Ausdrücke analysiert, um ihre Struktur und ihre Beziehungen zu anderen Ausdrücken herauszubekommen. Diese Verfahren üben Sie ein und wenden Sie auf Einzelfälle an.
  3. Der Ansatz ist systemlinguistisch. Das bedeutet, daß die Zugehörigkeit der untersuchten Äußerungen (der sprachlichen Beispiele) zu einer bestimmten Sprache bzw. Sprachvarietät vorausgesetzt wird, m.a.W. daß nicht strittig ist, ob sie z.B. im Hochdeutschen grammatisch oder ungrammatisch sind. Dieses letztere ist durchaus problematisch, aber Gegenstand anderer Darstellungen, z.B. zur sprachlichen Variation oder zur Datenerhebung und zum empirischen Arbeiten überhaupt. Empirisches Arbeiten wird hier nur insoweit geübt, wie es auf bereits erhobenen und purifizierten Daten aufsetzt und diese analysiert.
  4. Viele linguistische Begriffe hängen von bestimmten Modellen oder gar Schulen ab. Deren kritischer Vergleich erfordert Voraussetzungen, die erst im Magisterstudium gegeben sind. In dieser Einführung kann man nicht viel mehr tun, als darauf aufmerksam zu machen, daß bestimmte Aussagen in einer bestimmten Theorie ihren Platz haben und daß andere Prämissen zu anderen Analysen führen.
  5. Die Abgrenzung der Inhalte dieser Abhandlung gegen benachbarte Gegenstände ist nicht einfach. Sie überlappen mit den Inhalten von Semantik und Pragmatik in folgendem Punkt: Fast alles in der Sprache hat eine Bedeutung im weitesten Sinne, insbesondere auch die Grammatik und ihre Einheiten. Mit Bedeutung befaßt sich besonders die Semantik. Die vorliegende Darstellung kann und darf die Bedeutung der Grammatik nicht ausblenden. Sie kann aber einiges den Nachbardisziplinen Semantik und Pragmatik überlassen und sich auf die mehr strukturellen Aspekte konzentrieren (die manch eines Linguisten Lebensinhalt sind).
  6. Die hier vermittelten Fähigkeiten sind Voraussetzung für alle linguistischen Probleme, die überhaupt mit Grammatik zu tun haben – das ist ein erheblicher Prozentsatz. Deshalb wird man fortgeschrittene linguistische Probleme nur dann verstehen, wenn man die Methoden und Begriffe der Morphologie und Syntax auf dem Niveau dieses Skripts tatsächlich beherrscht.