Werden Texte in einer unbekannten Schrift gefunden, so sind eine Reihe von Problemen zu lösen:

  1. Handelt es sich überhaupt um Texte oder um Ornamente oder dergleichen? Z.B. im Falle der Maya-Hieroglyphen war dies lange nicht klar.
  2. Welches Schriftsystem – Ideo-/Logographie oder Phonographie – liegt den Aufzeichnungen zugrunde?
  3. Wie sind die Schriftzeichen auszusprechen? Bei einer rein logographischen Schrift ist es sehr schwer, darüber etwas herauszubekommen.
  4. Was bedeuten die Texte?

Theoretisch ist es möglich, eine Schrift zu entziffern, ohne zu wissen, um welche Sprache es sich handelt. Dies wäre z.B. bei der Schrift der Harappa-Kultur denkbar. Tatsächlich ist dieser Fall wohl noch nicht vorgekommen.

Eine Antwort auf Frage 2 ist Voraussetzung für die Entzifferung. Solange man z.B. die ägyptischen und die Maya-Hieroglyphen für eine logographische Schrift hielt, machte die Entzifferung keinerlei Fortschritte.

Nachdem die ersten beiden Fragen beantwortet sind, besteht die eigentliche Entzifferung in der Antwort auf die dritte und vierte Frage. Diese sind teilweise unabhängig voneinander. Je nachdem, in welchem der beiden Hauptschriftsysteme die Texte geschrieben sind, befindet sich der Schriftentzifferer in einer völlig verschiedenen methodischen Situation:

Erfolgreiche Schriftentzifferung (wie bei der Keilschrift) arbeitet mit einer Kombination von linguistischen, philologischen und historischen Methoden. Der Frage nach der Aussprache kommt man mit linguistischen, der Frage nach der Bedeutung mit historischen und archäologischen Methoden näher.

Nicht selten hat die erfolgreiche Entzifferung einer Schrift von der Verfügbarkeit einer Bilingue abgehangen.