Ein finites Verb hat eine Anzahl Leerstellen. In diese treten Ausdrücke als Argumente ein, die ihrerseits Gegenstände i.w.S. bezeichnen. Das Verb selbst bezeichnet jedoch keinen davon, sondern es bezeichnet den zugehörigen Situationskern. Dieser ist kein Referent, sondern eine Eigenschaft von oder Relation zwischen Referenten. B1 bezeichnet eine Situation. Er und sie besetzen die beiden Leerstellen von pflanzt und referieren auf im Redeuniversum existente Gegenstände. pflanzt dagegen tut das nicht; es bezeichnet den Kern der durch B1 bezeichneten Situation.

B1.daß er sie pflanzt
B2.der sie pflanzt
B3.die er pflanzt

Ein Verbalausdruck kann auf eine der Leerstellen des Verbs ausgerichtet (orientiert) werden. Der Komplementsatz B1 ist in den Relativsätzen B2 und B3 auf eine Argumentstelle ausgerichtet, und zwar in B2 auf die Subjektstelle, in B3 auf die Objektstelle. B2 und B3 bezeichnen keine Situationen. Vielmehr bezeichnet B2 einen Gegenstand, der die Subjektstelle von pflanzt besetzt, und B3 bezeichnet Gegenstände, die die Objektstelle von pflanzt besetzen.

Ein Verbalsubstantiv ist ein von einem Verb abgeleitetes Substantiv. Die dahin führende Operation ist im weitesten Sinne Nominalisierung. Wie jegliche Wortbildungsoperation, welche die Wortart verändert, kann sich der Effekt einer solchen Nominalisierung in der Änderung der Kategorie – mit den zugehörigen syntaktischen Konsequenzen – erschöpfen.

Ein Nomen actionis ist ein Verbalsubstantiv, das nicht ausgerichtet ist. Es bezeichnet folglich ebenso wie ein finites Verb einen Situationskern. Da es jedoch der Kategorie ‘Substantiv’ angehört, wird es anders konstruiert; der Situationskern wird zu einem abstrakten Referenten hypostasiert. Deshalb heißen Nomina actionis auch (Verbal-)Abstrakta. B5 enthält das vom Stamm zerstör abgeleitete Nomen actionis Zerstörung. B4 und B5 können in einigen Kontexten synonym sein.

B4.daß Cäsar Karthago zerstört
B5.die Zerstörung Karthagos durch Cäsar
B6.der Zerstörer Karthagos

Ein Nomen agentis ist ein Verbalsubstantiv, das auf die Subjektstelle (allgemeiner: die Actor-Stelle) des zugrundeliegenden Verbs ausgerichtet ist. Es bezeichnet folglich den Actor der verbalen Basis. Zerstörer z.B. ist ein Nomen agentis vom Stamme zerstör; B6 bezeichnet entsprechend denjenigen, der die Stelle von x in dem Satz daß x Karthago zerstört (vgl. B4) besetzt.

Ebenso ist ein Pflanzer einer, der die Actor-Stelle der verbalen Basis pflanz besetzt. Folglich kann der Ausdruck der Pflanzer unter bestimmten Umständen mit B2 synonym sein.

Ein Nomen patientis ist ein Verbalsubstantiv, das auf die Objektstelle (allgemeiner: die Undergoer-Stelle) des zugrundeliegenden Verbs ausgerichtet ist. Es bezeichnet folglich den Undergoer der verbalen Basis. Pflanzung z.B. ist ein Nomen patientis vom Stamme pflanz. Seine Pflanzung kann daher unter Umständen mit B3 synonym sein. In B7 bezeichnet das NS Hannibals Pflanzung das, was die Stelle von x in daß Hannibal x pflanzt besetzt, folglich das, was Hannibal pflanzt.

B7.daß Cäsar Hannibals Pflanzung zerstört

Ein Nomen actionis kann mit nominalen Komplementen in Actor-Funktion (“Genitivus subjectivus”) und in Undergoer-Funktion (“Genitivus objectivus”) kombiniert werden, wie B5 zeigt. Ein Nomen agentis kann ein Komplement in Undergoer-Funktion nehmen, wie B6 zeigt. Es kann kein Komplement in Actor-Funktion nehmen, weil es selbst schon den Actor bezeichnet. Ebenso kann ein Nomen patientis ein Komplement in Actor-Funktion nehmen, wie B7 zeigt. Es kann kein Komplement in Undergoer-Funktion nehmen, weil es selbst schon den Undergoer bezeichnet.

Wie die Beispiele zeigen, kann ein gegebener Derivationsprozeß, semasiologisch betrachtet, verschiedene Typen von Verbalsubstantiven ergeben. Einem auf -ung abgeleiteten Verbalsubstantiv in Isolation sieht man nicht an, ob es ein Nomen actionis oder ein Nomen patientis ist. Z.B. ist das Verbalsubstantiv Entdeckung polyfunktional zwischen den Verwendungen als Nomen actionis und als Nomen patientis. Es gibt aber Tests zur Unterscheidung. Aus dem soeben Gesagten folgt, daß zwar sowohl ein Nomen actionis als auch ein Nomen patientis mit einem Komplement in Actor-Funktion bzw. einem Genitivus subjectivus (wie in B9) kombinierbar sind, daß aber ein Nomen patientis nicht mit einem Komplement in Undergoer-Funktion bzw. einem Genitivus objectivus (wie in B8) kombinierbar ist. Folglich kann in B8 mit Entdeckung ein Nomen actionis vorliegen, ein Nomen patientis jedoch höchstens dann, wenn Amerika den Entdecker bezeichnet.

B8.Die Entdeckung Amerikas
a.*__ war ein neuer Kontinent
b.*__ wurde zum Ziel zahlreicher Abenteurer
c.__ dauerte drei Wochen
d.__ war das wichtigste Ereignis des Jahres 1492.
B9.Die Entdeckung des Columbus
a.__ war ein neuer Kontinent
b.__ wurde zum Ziel zahlreicher Abenteurer
c.*__ dauerte drei Wochen
d.*__ war das wichtigste Ereignis des Jahres 1492.

Als Nomen actionis bezeichnet Entdeckung einen Situationskern; und wenn es in einem Satz Subjektstelle einnimmt, wie in B8, kann man ihm in diesem Falle nur solche Prädikate zuschreiben, deren Selektionsrestriktionen auf eine Situation passen. Deswegen sind B8.c und d grammatisch, B8.a und b jedoch nicht. Dasselbe Substantiv als Nomen patientis bezeichnet das, was die Stelle von y in x entdeckt y einnimmt, folglich jeglichen Gegenstand, den man entdecken kann. Wenn dieses Substantiv in einem Satz die Subjektstelle einnimmt, wie in B9, kann man ihm nur solche Prädikate zuschreiben, deren Selektionsrestriktionen auf Gegenstände dieser Art passen. Deswegen sind B8.a und b grammatisch, B8.c und d jedoch nicht.

Hieraus lassen sich für die Unterscheidung zwischen einem Nomen actionis und einem Nomen patientis zwei Tests ableiten:

B10 ist ein abschließendes Beispiel hierzu:

B10.a.Die Lieferung der Ware dauerte drei Wochen.
b.Ich habe Ihre Lieferung endlich erhalten.

Lieferung ist in B10.a ein Nomen actionis (“das Liefern”), in B10.b dagegen ein Nomen patientis (“das Gelieferte”).

Ein Nomen acti ist ein Verbalsubstantiv, das das Ergebnis einer dynamischen Situation bezeichnet. Ein solches Ergebnis ist in erster Linie ein Zustand, in zweiter Linie aber auch ein Gegenstand, der aus der Situation resultiert.

B11.die von Cäsar angerichteten Zerstörungen waren noch jahrzehntelang zu spüren
B12.ich habe deine Beschreibung gelesen
B13.überall waren die Wirkungen der segensreichen Tätigkeit des Ordinarius zu beobachten
B14.deine Klassifikation ist schwer zu verstehen

So bezeichnet Zerstörungen in B11 nicht Cäsars zerstörende Tätigkeit und auch nicht den von ihm zerstörten Gegenstand, sondern das Resultat seiner Tätigkeit. Es ist folglich weder ein Nomen actionis noch ein Nomen patientis, sondern ein Nomen acti. Dito bezeichnet Beschreibung in B12 weder die Tätigkeit des Beschreibens noch den beschriebenen Gegenstand, sondern das Resultat der Tätigkeit, in diesem Falle ein durch die Tätigkeit entstandenes Produkt. Ebenso ist es mit B13 und B14.

Handlungen wie beschreiben und klassifizieren schaffen ein Ergebnis, das als effiziertes Objekt verstanden werden kann. Intransitive Verben wie träumen und tanzen ergeben Verbalsubstantive wie Traum und Tanz, die ebenfalls als Resultate der zugrundeliegenden Vorgänge verstanden werden können. Auch diese sind mithin Nomina acti.

Ein Nomen acti hat dieselben kombinatorischen Eigenschaften wie ein Nomen actionis, ist also durch syntaktische Tests von diesem nicht zu unterscheiden.