Zuweisung syntaktischer Funktionen an Partizipanten

Die Partizipantenrollen sind sprachliche Konzepte, aber sie sind rein semantisch und daher mit syntaktischen Funktionen nicht identisch. Vielmehr besteht zwischen den beiden Arten von Konzepten dieselbe Art multipler Zuordnung, wie sie immer zwischen sprachlichen Ausdrücken und Konzepten besteht.

Wird eine Situation sprachlich umgesetzt, so werden die Partizipanten im einfachsten Falle als nominale Ausdrücke kodiert. Alle drei Arten semantischer Merkmale von Partizipanten, also

manifestieren sich strukturell in Form von syntaktischen Funktionen der sie repräsentierenden nominalen Ausdrücke. Wir betrachten zunächst nur die semantischen Rollen der Partizipanten und deren Umsetzung in syntaktische Funktionen, so als ob die anderen genannten Variablen keine Rolle spielten. Voraussetzung für diese Umsetzung ist einerseits die Hierarchie der semantischen Rollen und andererseits die Hierarchie der syntaktischen Funktionen. Dabei werden den semantischen Rollen syntaktische Funktionen zugeordnet (es findet eine Abbildung (engl. mapping) statt) nach folgendem Prinzip:

  1. Den Partizipanten wird in der Reihenfolge abnehmender Zentralität eine syntaktische Funktion zugewiesen.
  2. Den zentralen Partizipanten wird in der Reihenfolge abnehmender Kontrolle eine syntaktische Funktion zugewiesen.
  3. Die syntaktischen Funktionen werden gemäß ihrer Hierarchie, also von oben nach unten, vergeben.

Regel 2 ist für syntaktisch ergativische Sprachen umzukehren; hier beginnt die Vergabe syntaktischer Funktionen bei der niedrigsten Kontrolle.

Vereinfacht gesprochen, wird also das System der semantischen Rollen auf die Hierarchie der syntaktischen Funktionen abgebildet.1 Durch die genannten Prinzipien wird also der Actor Subjekt, der Undergoer direktes Objekt; Experiens, Adressat und evtl. weitere Partizipanten (die deshalb auch unter der Makrorolle ‘Indirectus’ zusammengefaßt werden) werden indirektes Objekt; und die peripheren Partizipanten werden Adjunkte. B1 zeigt die Befolgung aller dieser Prinzipien.

B1. Erna schickte ihrem Freund einen Brief mit der Schiffspost von Erfurt nach Weimar.

Mit dieser schlichten Abbildung semantischer Rollen auf syntaktische Funktionen interferieren nun die anderen beiden Dimensionen, auf denen Partizipanten angesiedelt sind:

Dies wird hier nicht weiter vertieft.

Literaturhinweise

Lehmann 1991

Dik 1997

Agentivität


1 Es gibt auch eindimensionale Fassungen der Hierarchie semantischer Rollen. Dik (1997:267) formuliert folgende Semantic Function Hierarchy: Agent > Patient > Recipient > Beneficiary > Instrument > Locative > Temporal; eine Position weiter links ist eine hierarchisch höhere Position. Dazu gehört eine implikative Generalisierung: Wenn eine Sprache den Träger einer gegebenen semantischen Rolle zum Satzsubjekt machen kann, kann sie auch Träger aller hierarchisch höheren semantischen Rollen zum Subjekt machen.