Die Aussagenlogik – auch Aussagenkalkül oder propositionale Logik genannt – ist der Teil der Logik, dessen Ziel es ist, die Schlüssigkeit eines Arguments zu begründen. Ein Argument bzw. eine Schlußfolgerung ist eine Folge von Aussagesätzen, genannt Propositionen.1

Aufgabe der Aussagenlogik ist es, zu gewährleisten, daß aus wahren Prämissen nur wahre Konklusionen abgeleitet werden können, und andererseits zu zeigen, wie ein Theorem (eine Proposition in einer Theorie) sich aus den Prämissen der Theorie ableiten läßt.

Der fundamentale Begriff der Aussagenlogik ist die Wahrheit eines Satzes. Im Allgemeinen wird – mit Alfred Tarski – angenommen, daß eine Aussage genau dann wahr ist, wenn ihr eine Tatsache entspricht. Ob das der Fall ist, ist nicht Sache der Logik, sondern der empirischen Wissenschaften. Die Logik setzt die Wahrheit bzw. Falschheit einfacher Aussagen voraus. Z.B. ist folgender Satz wahr:

Wenn ein Mensch ein Geräusch hört, das lauter als 120 dB ist, so platzt ihm das Trommelfell.
In dieser Aussage sind drei Propositionen enthalten: Die Logik stellt nicht fest, ob die drei Propositionen wahr sind. Sie untersucht auch nicht, ob der zuvor angeführte komplexe Satz zutrifft, geschweige denn, aufgrund welchen Kausalzusammenhangs er gilt. Das ist vielmehr Angelegenheit der Akustik und der Physiologie. Die Logik dagegen sagt nur, in welcher Weise die Wahrheit einer komplexen Aussage wie der genannten abhängt von der Wahrheit der sie bildenden Einzelaussagen. Damit sorgt sie dafür, daß z.B. folgendes Schlußverfahren funktioniert: Auf diese Weise stellt die Logik die formalen Voraussetzungen dafür zur Verfügung, daß eine Wissenschaft auf Basis der von ihr festgestellten Gesetze Voraussagen machen kann. Das ist in allen Wissenschaften mit praktischen Anwendungen wichtig, von der Medizin bis zur Ingenieurskunst.

Die Aussagenlogik heißt auch deswegen so, weil die betrachteten Propositionen in der Tat nur Aussagen sind. Dies ist nämlich die einzige Art von Sätzen, die überhaupt wahr oder falsch sein können. Ein Fragesatz wie ‘Platzt dem Menschen das Trommelfell?’ oder ein Aufforderungssatz wie ‘Hör dir ein Geräusch an, das lauter als 120 dB ist!’ können nicht wahr oder falsch sein. (Statt dessen lösen sie verschiedenartige Reaktionen, etwa eine Antwort oder die Befolgung der Aufforderung, aus.)

Das illustrierte Schlußverfahren funktioniert unabhängig vom spezifischen Inhalt der beteiligten Sätze, nämlich allein aufgrund von deren Wahrheitswerten und der (logischen) Form ihrer Verknüpfung. In der Aussagenlogik werden daher der Inhalt und die innere Form der (einfachen) Propositionen ignoriert. Propositionen werden einfach durch Symbole repräsentiert, nämlich Variablen und, gelegentlich, Konstanten. Für Propositionenvariablen werden die Kleinbuchstaben des Alphabets von p an (für ‘Proposition’) benutzt. Das Augenmerk gilt nur den Kombinationen solcher Symbole zu komplexen Aussagen, z.B. ‘wenn p, dann q’.

Die Operatoren, die mit Propositionen bzw. durch welche Propositionen miteinander kombiniert werden, heißen Junktoren (lateinisch für “Verknüpfer”). Eine einfache Aussage ist entweder wahr oder falsch. Es gibt also genau diese zwei Wahrheitswerte. Die Kombination zweier (einfacher oder komplexer) Propositionen durch einen Junktor bildet eine komplexe Aussage, die ebenfalls wahr oder falsch ist. Der Wahrheitswert einer komplexen Aussage hängt in gesetzmäßiger Weise vom Wahrheitswert der sie bildenden einzelnen Aussagen sowie vom Junktor ab. Z.B. ist die komplexe Aussage ‘p und q’ genau dann wahr, wenn sowohl p als auch q, je für sich genommen, wahr sind, sonst jedoch falsch. Jeder Junktor ist definiert durch die Weise, wie er in Abhängigkeit vom Wahrheitswert der Einzelaussagen den Wahrheitswert der durch ihn gebildeten komplexen Aussage bestimmt. Dazu werden Wahrheitswerttabellen gebildet, die auf der folgenden Seite zusammengestellt sind.


1 Genau genommen, ist Wahrheit/Falschheit eine Eigenschaft nicht von Propositionen, sondern von Aussagen, also von konstativen Äußerungen. Dies wird hier vernachlässigt.