Persönliche und unpersönliche Konstruktion
Gegeben ein Prädikat, von dem mittelbar oder unmittelbar ein
persönliches Argument (d.i. eine Entität, die hoch auf der
Empathiehierarchie steht) abhängt, dann ist die diese Konstellation
kodierende Konstruktion
- persönlich, wenn das Argument als Subjekt erscheint,
- unpersönlich andernfalls.
Z.B. ist ich bereue es
eine persönliche, es reut mich
eine unpersönliche Konstruktion.
Konstruktion von Modalverben
'Müssen', 'können' und 'wollen' sind drei modale Prädikate, die in
den Sprachen der Welt teils persönlich, teils unpersönlich konstruiert
werden.
- Alle drei Prädikate werden persönlich konstruiert im Deutschen,
Englischen, Spanischen: Ich
muß/kann/will es tun.
- Alle drei modalen Prädikate werden unpersönlich konstruiert im
Yukatekischen: yaan / ku beeytal /
tak [in beetik] "DEB / POT / DESID [SBJ.1.SG tu-INCMPL].
- 'Müssen ' wird unpersönlich, 'können' und 'wollen' werden jedoch
persönlich konstruiert im Französischen und Italienischen: Il faut que je le fasse. / Je peux le faire. / Je veux le faire.
- 'Müssen' und 'können' werden unpersönlich, 'wollen' jedoch
persönlich konstruiert im Russischen: Nužno
mne delat' eto. / Možno mne delat' eto. / Ja xoču delat' eto.
- Die Kombinationen
- 'müssen' persönlich, die anderen unpersönlich
- 'müssen' und 'können' persönlich, 'wollen' unpersönlich
kommen in keiner Sprache vor.
Die beobachtete typologische Variation läßt sich wie folgt
systematisieren: die drei Prädikate liegen auf einer Hierarchie
müssen
- können
- wollen
über der folgendes doppelte universale implikative Prinzip waltet:
- Wenn ein Prädikat auf einer gegebenen Position der Hierarchie
persönlich konstruiert wird, werden die Prädikate rechts davon
ebenfalls persönlich konstruiert.
- Wenn ein Prädikat auf einer gegebenen Position der Hierarchie
unpersönlich konstruiert wird, werden die Prädikate links davon
ebenfalls unpersönlich konstruiert.
Die Hierarchie mit dem zugehörigen Prinzip ist offensichtlich
kognitiv motiviert:
- Notwendigkeit ist etwas vom Menschen nicht Kontrollierbares.
- Willen ist etwas vom Menschen Kontrollierbares.
- Möglichkeit ist für diese Alternative offen. (Genauer betrachtet,
wäre an dieser Stelle noch zwischen epistemischer und
situationsinterner Möglichkeit zu unterscheiden.)
Gegeben die Logik der Implikation - das Implicans ist immer
komplexer, voraussetzungsbehafteter und beschränkter als das Implicatum
-, resultieren zwei Default-Lösungen für das Doppelprinzip, nämlich die
in den Sprachen der Typen 3 und 4 implementierten Lösungen. Die
Sprachen der Typen 1 und 2 dagegen repräsentieren die Extreme in dem
durch das Prinzip eröffneten Raum typologischer Variation. Sie führen
eine allgemeine Strukturregel durch, anstatt flexibel auf semantische
Unterschiede zu reagieren.
Es gibt auch die alternative Konstruktion eto mne
xočets'ja "das will sich mir"; aber es ist durch Reflexivierung
von der oben angeführten Konstruktion abgeleitet und also deutlich
sekundär und komplexer.