Da die beiden Verfahren, wie gesehen, verschiedene Funktionen erfüllen, ist nicht zu erwarten, daß sie interlingual1 in komplementärer Verteilung stehen. In der Tat kommen alle denkbaren Kombinationen vor:
Der nicht ganz seltene letzte Fall unterstreicht noch einmal, daß Kasusmarkierung und externe Kongruenz nicht dasselbe leisten, denn sonst wäre ihre Kookkurrenz in einer einzigen Konstruktion völlig redundant.
Konzentrischer vs. exzentrischer Satzbau sind also (wieder einmal) nicht Basis einer Klassifikation von Sprachen. Es sind Bauprinzipien, die in einer Sprache bis zu einem gewissen Grade vorherrschen und sie charakterisieren. Der Grad jedoch, zu dem eines der Prinzipien in einer Sprache ausgebaut ist, folgt den oben erwähnten implikativen Gesetzen.
Europas Sprachen sind im Weltvergleich hochgradig dependent-marking und schwach head-marking. Lateinisch z.B., das das Bild einer “normalen” Sprache über Jahrtausende geprägt hat, hat Head-marking nur für die Relation des Verbs zum Subjekt; in allen anderen Relationen ist es dependent-marking. Im Englischen (das das Lateinische mittlerweile in der Funktion der “normalen” Sprache abgelöst hat) ist dies womöglich noch stärker ausgeprägt. Die nächste Sprache, die wenigstens zu einem gewissen Grade head-marking ist, ist Baskisch; aber Baskisch ist zu einem noch höheren Grade dependent-marking.
Das Vorherrschen von Dependent-marking in den europäischen Sprachen hat auch den Rektionsbegriff geprägt. Vor allem in traditionellen grammatischen Theorien ist Rektion gleichbedeutend mit Kasusrektion. Zwar zeigt bereits das Englische, daß in einer syntaktischen Konstruktion Rektion herrschen kann, ohne daß sie durch Kasus markiert ist. In systematischer Weise wird jedoch erst an den konzentrischen Sprachen sichtbar, daß Rektion im klarsten Falle ein nacktes NS betrifft. Kasusrektion ist insofern ein abgeleiteter Begriff. Dies zeigt sich auch daran, daß man sowohl sagt, das Verb regiere sein direktes Objekt, als auch, es regiere den Akkusativ seines direkten Objekts. Beides ist korrekt und drückt eben den Sachverhalt aus, daß das Verb an seinem Rektum den Kasus bestimmt. Solange der Akkusativ noch nicht so stark grammatikalisiert ist, daß er ein vollständig konditionierter Marker am Objekt ist, kann man die Konstruktion auch so analysieren, daß das Verb das direkte Objekt mittelbar, nämlich vermittels des Akkusativs, regiert.
Lehmann 1982, Milewski 1950, Nichols 1986.
1 Interlingual ist “zwischensprachlich” (engl. cross-linguistic). In solchem Zusammenhang wird oft auch typologisch gesagt; aber das ist so, wie wenn man auf eine Menge von Zahlenwerten das Prädikat statistisch anwendet.