Der Wortstellungswandel folgt dem Penthouse Principle. D.h. Umstellungen sind nur auf den obersten Ebenen möglich. Wortstellungswandel auf niederen Ebenen kann nicht durch freie Umstellung, sondern nur dadurch eintreten, daß auf einer höheren Ebene eine neue, anders gestellte Konstruktion geschaffen und diese dann grammatikalisiert (und folglich auf eine niedere Ebene geschoben) wird.

Ursemitisch war eine rein rechtsverzweigende Sprache, so wie es Arabisch und Hebräisch bis heute sind. Einige semitische Sprachen jedoch gerieten über ein rigide linksverzweigendes Substrat. So ist Sumerisch das Substrat für Akkadisch und Kuschitisch das Substrat für die äthio-semitischen Sprachen. Diese semitischen Sprachen übernahmen in unterschiedlichem Maße das Wortstellungsmuster ihres Substrats.

Greenberg 1980:235-238 (zusammengefaßt in Gensler 1997, §5) weist nach, wie der Wandel von Rechtsverzweigung zu Linksverzweigung schrittweise in den äthiopischen Sprachen vonstatten geht, derart daß Ge'ez nur das inzipiente Stadium und Harari das Endstadium des Wandels aufweist und daß der Wandel schrittweise die syntaktischen Ebenen abwärts geht:

From right- to left-branching word order in Ethiopic languages (after Gensler 1997:139)
language
construction  ╲
Ge'ezTigreTigrinyaAmharicHarari
VSO / SOVVSOSOVSOVSOVSOV
N Adj / Adj NN AdjN Adj ~ Adj N?Adj NAdj NAdj N
N Gen / Gen NN GenN GenN Gen ~ Gen NGen NGen N
N Adp / Adp NAdp NAdp NAdp NAdp N + N Adp*N Adp

* Amharic has circumpositions.

Wie man an der Tabelle sieht, lassen sich die Wortstellungssysteme der Sprachen auf einem Kontinuum zunehmender Linksverzweigung anordnen. Die Einführung von Postpositionen ist der letzte Schritt, der alle anderen voraussetzt.

Das Beispiel zeigt auch, daß die Hierarchie der Konstruktionen – als ein Teil der Grammatik – nicht restlos universal ist, sondern auch Spezifika der einzelnen Sprache bzw. des Sprachtyps aufweist. Das betrifft das Verhältnis der Adjektivattribution zur Genitivattribution. Es gibt durchaus Sprachen, wo dieses Varianten derselben Konstruktion sind, z.B. Latein. Und es gibt auch Sprachen wie Deutsch und Englisch, wo die possessive Attribution loser gefügt ist als die Adjektivattribution, was sich u.a. darin erweist, daß es prä- und postnominale possessive Attribute, aber nur pränominale Adjektivattribute gibt. In den äthiopischen Sprachen dagegen, wie in den semitischen überhaupt, ist Adjektivattribution eine lose, der Apposition ähnliche Konstruktion, während Genitivattribution mit dem Bezugsnomen im Status Constructus stattfindet, also eine sehr enge Konstruktion ist, die schon an Komposition grenzt. Folglich rangiert Genitivattribution in den semitischen Sprachen hierarchisch tiefer als Adjektivattribution.

Die Konstruktion zwischen Adposition und ihrem Komplement dagegen ist in sehr vielen Sprachen, unabhängig von ihrem Typ, nach dem Muster der Genitivattribution gestaltet, insofern nämlich Adpositionen denominalen Ursprungs sind. Das ist auch im Semitischen der Fall, und die Konstruktion der Adpositionen hat alle Merkmale der Genitivattribution.

Wenn also eine Sprache sich Postpositionen anstelle von Präpositionen zulegt, so sind es normalerweise nicht dieselben Wörter, die zunächst Präpositionen sind und dann als Postpositionen konstruiert werden. Vielmehr wird die Adpositionskonstruktion als Postpositionskonstruktion neu geschaffen, und es werden – normalerweise durch Grammatikalisierung – neue Postpositionen geschaffen. Die alten Präpositionen kommen nach und nach außer Gebrauch.

Im Harari allerdings gibt es schließlich doch noch zwei Fälle von “adposition hopping” (cf. Gensler 1997:141): Die ererbten semitischen Präpositionen lə- “zu” und bə-, die sogar von Anfang an proklitisch sind, erscheinen im Harari zunächst optional, im modernen Harari dann obligatorisch als Postpositionen. Dies passiert freilich erst, nachdem die Sprache ein ganzes Paradigma von Postpositionen auf die dargestellte Weise ausgebildet hat. Die ererbten Präpositionen werden also nicht frei umgestellt, sondern sie schließen sich per Analogie dem nunmehr dominanten Muster an.

Literatur

Greenberg, Joseph H. 1980, "Circumfixes and typologic change." Traugott, Elizabeth C. & LaBrum, Rebecca & Shepherd, Susan (eds.), Papers from the 4th International Conference on Historical Linguistics. Stanford, March 26-30, 1979 Amsterdam: J. Benjamins (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science, IV, 14); 233-241.

Gensler, Orin D. 1997, "Mari Akkadian i? "to, for" and preposition-hopping in the light of comparative Semitic syntax." Orientalia 66(2):129-156.