Ungarische Vokalharmonie 1

Die kurzen Vokale des Ungarischen zerfallen in vordere, geschrieben <i e ü ö>, und hintere, geschrieben <u o a>. Dasselbe gilt für die Langvokale, die die Orthographie mit Akut bezeichnet.

Nr.Form BedeutungVerhalten
1kettõzwei Die Sprache hat Vokalharmonie, wonach alle Vokale eines Worts denselben Wert für das Merkmal [± hinten] haben. Das gilt erstens für Stämme.
tanulóSchüler
fehérweiß
sárgagelb
ügyesgeschickt
súlyosschwer
2kertbenim Garten Außerdem richten sich Suffixe in der Vokalharmonie nach dem Stamm.
házbanim Haus
vízbenim Wasser
késbenin dem Messer
hozunkwir bringen
varrunkwir nähen
verünkwir schlagen
ülünkwir sitzen
3virágBlume Es gibt aber Ausnahmewörter derart, dass die Vokale <i e> und ihre langen Gegenstücke in Stämmen mit hinteren Vokalen auftreten.
kocsiWagen
gyertyaKerze
vékonydünn
4kocsibanim Wagen Wenn solche Wörter ein Suffix haben, bekommt dies einen hinteren Vokal.
5kínbanin der Folter Dasselbe gilt für einige Stämme, die nur diese Ausnahmevokale enthalten.
célbanim Ziel

(8 P.) Welche Vorgänge sind in der Geschichte des Ungarischen in welcher Reihenfolge passiert, so dass der heutige Zustand resultierte?

[Hinweis: Es inspiriert, sich das ungarische Vokaldreieck dreidimensional aufzuzeichnen.]




Musterlösung:

Auf einer ersten Stufe hatte das Ungarische zusätzlich zu den heute bestehenden Vokalen noch die hinteren ungerundeten Vokale /ɯ/, /ɤ/ und deren lange Gegenstücke. Solche lagen u.a. in den Wörtern /vɯra:g/, /kotʃɯ/, /tsɤ:l/ usw. (den heutigen Ausnahmewörtern) vor.

In diesem Sprachzustand wurde die Vokalharmonie eingeführt. Die betroffenen Wörter nahmen daher Suffixe mit hinterem Vokal: /kotʃɯban/ usw.

Nachdem diese Formen konventionell geworden waren, fand folgender Lautwandel statt.:

[+ hinten]
[- rund]
[- hinten]

Es wurden also /ɯ/ zu /i/, /ɤ/ zu /e/ und entsprechend die langen Pendants. Die durch Vokalharmonie bedingten Vokale wurden dadurch nicht betroffen.

Es resultiert das heutige System.




1nach Trask 1996:99