Form von Sprachbeispielen

Für Form, Typographie und Layout sprachlicher Beispiele in einem Text gelten folgende Prinzipien:

  1. Die Funktion eines Ausdrucks als erwähnter (im Gegensatz zu gebrauchter) Ausdruck ist zu bezeichnen. Sprachliche Beispiele sind jedenfalls erwähnte Ausdrücke. In linguistischen Texten kann man sie entweder typographisch oder durch das Layout als solche identifizieren:
    1. Wird der objektsprachliche Ausdruck im laufenden Text angeführt, so wird er typographisch als solcher identifiziert. Erscheint er in derselben Schrift wie der laufende (metasprachliche) Text, so bleibt zur Markierung nur der Kursivsatz. Wird das Beispiel in einer anderen Schrift angeführt – Kyrillisch, Arabisch, Keilschrift, Hangul, Kanji oder was es sei –, dann genügt diese zur Markierung, und zusätzlicher Kursivsatz ist überflüssig.
    2. Erscheint der objektsprachliche Ausdruck außerhalb des laufenden Textes in einem Textblock, der als solcher der Anführung objektsprachlicher Ausdrücke gewidmet ist, so ist keine weitere Auszeichnung des angeführten Ausdrucks, also auch kein Kursivsatz nötig. Solche Textblöcke sind u.a. abgesetzte und numerierte Beispiele sowie Tabellen, z.B. Paradigmen, sprachlicher Ausdrücke.
  2. Je nach Adressatenkreis wird dem Beispiel eine Übersetzung und/oder eine morphologische Glosse beigegeben. Auch diese müssen typographisch oder durch das Layout als solche erkennbar sein. Wiederum gilt die Alternative, ob das Beispiel im laufenden Text oder in einem abgesetzten Block auftritt:
    1. Im laufenden Text folgen dem objektsprachlichen Ausdruck erst die morphologische Glosse, dann die Übersetzung. Die Glosse wird in Klammern gesetzt, die Übersetzung in Anführungszeichen; z.B.: lat. lauda-v-i (lob-PRF-1.SG) “ich habe gelobt”.
    2. Ist das Beispiel abgesetzt, so wird es in einer multilinearen Repräsentation wiedergegeben. Die Anzahl und Natur der einzelnen Repräsentationen variiert; hier stehen nur die interlineare Glosse und die Übersetzung zur Debatte. Sie nehmen in dieser Reihenfolge je eine Zeile (die Übersetzung evtl. mehr) unter dem Beispiel ein. Die Glosse wird in einer kleineren Schrift, die Übersetzung in Anführungszeichen gesetzt.
  3. Ob das Beispiel in den laufenden Text eingefügt oder in einem separaten Block abgesetzt wird, bestimmt sich nach zwei hierarchisch geordneten Bedingungen, nämlich 1) ob es aus dem Text Verweise auf das Beispiel geben soll und 2) wie viel visuelle Unterstützung der Leser zu seiner Analyse braucht:
    1. Soll das Beispiel referenzierbar sein, so benötigt es eine laufende Nummer. Numerierte Beispiele werden, auch wenn sie einfach sind, jedenfalls als separate Blöcke abgesetzt.
    2. Gibt Bedingung #a nicht den Ausschlag, so gilt: Ist das Beispiel einfach, d.h. hat es weder Übersetzung noch Glosse, so kann es in den laufenden Text eingefügt werden. Gibt es Übersetzung und/oder Glosse, so fällt dem Leser i.a. bei zwei laufenden Wörtern die Zuordnung noch leicht. Bei komplexeren Beispielen ist dem Leser besser mit einer multilinearen Repräsentation und folglich mit einem abgesetzten Layout gedient. Bei einem langen Beispiel stellt man in einem ersten Schritt sicher, daß die jeweils längste Repräsentation (meist die interlineare morphologische Glosse) noch auf eine Zeile paßt, und verschiebt ggf. in einem zweiten Schritt den Zeilenumbruch nach links an eine wichtige syntaktische Grenze, also am besten eine Klausengrenze. In diesem Falle besteht das Beispiel also aus mehr als einem multilinearen Block.
  4. Handelt der Text nur von einer Sprache, so versteht es sich, daß auch die Beispiele dieser entstammen. Gibt es Beispiele aus mehreren Sprachen, so ist pro Beispiel die Sprache zu identifizieren:
    1. Erscheint das Beispiel im laufenden Text, so wird seine Sprache in Form eines Adjektivattributs bezeichnet, das ihm vorangeht und, mindestens bei geläufigen Sprachen, traditionellerweise abgekürzt wird. Beispiel: engl. onion “Zwiebel” ist ein Zweisilbler.
    2. Ist das Beispiel abgesetzt, so wird die Sprache separat angegeben. Dies kann in einer ersten Zeile – also über dem eigentlichen Beispiel – geschehen. In dieser kann man dann noch weitere Information, z.B. genetische Affiliation der Sprache oder Herkunft des Beispiels, unterbringen. Es kann aber auch in abgekürzter Form unterhalb der Beispielnummer geschehen, wie unten in .
  5. Zu dem Beispiel wird seine Quelle angegeben. Ist diese publiziert, so wird sie wie bei einem Zitat angegeben. Ist sie unpubliziert – z.B. eine Datensammlung desselben Autors –, so empfiehlt es sich zur Vermeidung von Fragen und Mißverständnissen, sie dennoch anzugeben. Man kann dazu im Anhang der Arbeit eine Liste der Texte, aus denen die Beispiele stammen, geben, für jeden Text eine Abkürzung festlegen und diese in der Herkunftsangabe des Beispiels benutzen. Die Herkunftsangabe kann man am Schluß des Beispiels in Klammern machen. Ist aber z.B. nur der objektsprachliche Ausdruck zitiert, während interlineare Glosse und/oder Übersetzung vom zitierenden Autor stammen, so setzt man die Herkunftsangabe präzise hinter den Ausdruck, welcher aus der Quelle übernommen ist.

Somit würde das Sprichwort lat. errare humanum est (Hier. ep. 57,12) (irr:inf.prs.akt menschlich:nom.sg.n sei:3.sg.prs.ind) “Irren ist menschlich” leserunfreundlicherweise im laufenden Text auf diese Weise angeführt, als abgesetzter Textblock hingegen wie in :

.errarehumanumest   (Hier. ep. 57,12)
Latirr:inf.prs.aktmenschlich:nom.sg.nsei:3.sg.prs.ind
“Irren ist menschlich”

Zum Layout eines solchen mehrzeiligen Beispiels gehört übrigens auch, dass die Zeile der interlinearen Glosse auf derselben Seite wie die Originaltextzeile steht (die Übersetzung kann schlimmstenfalls beim Seitenumbruch auf der nächsten Seite landen).

Genaueres zu den interlinearen morphologischen Glossen auf der Website 'Interlinear morphological glossing'.

Bezugnahme auf Beispiele

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es in der Linguistik üblich, Beispiele durchzunumerieren (so wie zuvor schon Diagramme u.ä. numeriert wurden). Jedes Beispiel ist dann durch seine Nummer identifiziert; und somit kann man diese zur Bezugnahme auf das Beispiel verwenden. Daher heißt es im Text oberhalb von “wie in ” und nicht “wie in folgendem Beispiel”. Wenn freilich alle solche Bezugnahmen auf ein Beispiel in seinem unmittelbaren Kontext stehen, braucht man die Nummer nicht. Man braucht sie für distale Verweise wie den im vorletzten Satz.

Andererseits gibt es einen jüngeren Trend, der es für böse hält, dem Leser Anaphern über längere Strecken und somit gar noch das Blättern (bzw. Scrollen) zuzumuten. Glaubt man das, würde man im vorigen Absatz nicht einfach schreiben; sondern man würde schreiben: “This was already shown in , repeated here for convenience as :”

.errarehumanumest   (Hier. ep. 57,12)
Latirr:inf.prs.aktmenschlich:nom.sg.nsei:3.sg.prs.ind
“Irren ist menschlich”

Wenn man freilich einem solchen Prinzip folgt, gibt es keine vereinfachte Anapher auf Beispiele mehr, und man braucht diese folglich auch nicht mehr zu numerieren.