1. Lebensdaten

August Schleicher
ZeitOrtEreignis
09.02.1821Meiningenals Sohn eines Heilers geboren
1831CoburgGymnasium
1840LeipzigStudium der Theologie
1841TübingenStudium der Indogermanistik und Slavistik
1843Bonnweitere Studien
1846BonnHabilitation in vergleichender Sprachwissenschaft; Privatdozent
1850Pragaußerordentlicher Professor für Klassische Philologie. Studium der slavischen Sprachen
1852Preußisch-LitauenFeldforschung (Stipendium der Wiener Akademie der Wissenschaften)
1853PragOrdinarius für Deutsch, Indogermanistik und Sanskrit
1857JenaProfessor der Philologie
06.12.1868Jenagestorben

2. Person und Werk

Humboldts ideale evolutive Typologie wird bei Schleicher zur wirklichen prähistorischen Evolution der Sprachen. Eine Sprache ist ein Organismus mit Genese, Entwicklung, Reife und Verfall. Die Geschichte der Sprachen zerfällt in zwei Abschnitte:

  1. vorhistorisch: Entwicklung;
  2. historisch: Verfall.

1853 führt er die Stammbaumdarstellung genetischer Sprachverwandtschaft ein. Als Urformen gibt Schleicher nicht mehr altindische, sondern mit Sternchen versehene rekonstruierte urindogermanische Formen an. Auch sonst arbeitet er gern mit Formeln. Sein Handbuch von 1856/7 ist das erste Handbuch der litauischen Sprache. Daneben veranstaltet Schleicher Chrestomathien und Textausgaben und verfaßt sogar eine urindogermanische Fabel (Das Schaf und die Pferde).

Das zweibändige Compendium von 1861f ist Schleichers Hauptwerk. Darin rekonstruiert er das Urindogermanische. Das Werk hat folgenden Aufbau:

  1. Lautlehre
    1. Vokale
    2. Konsonanten
  2. Formenlehre
    1. Wurzeln und Stämme
    2. Worte

Schleicher erkennt an, daß die größte zu untersuchende sprachliche Einheit der Satz ist, aber weil die Wissenschaft noch nicht so weit fortgeschritten ist, beschränkt er sich auf Phonologie und Morphologie. Der ersteren gibt er für lange Zeit einen prominenten Platz in der Linguistik.

3. Wissenschaftliches Umfeld

Um die Mitte des 19. Jh. feierten die Naturwissenschaften, insbesondere die Biologie, große Erfolge. Schleicher ist von Hegel und von Ch. Darwin's Origin of species beeinflußt; er ist in Kontakt mit Darwin und E. Haeckel. Der evolutive Stammbaum der Biologie ist für Schleicher Vorbild für die genetische Klassifikation von Sprachen.

4. Bedeutung und Nachwirkung

Für Schleicher ist die Sprache ein Naturphänomen, das eine Evolution hat. Linguistik (so nennt Schleicher die Sprachwissenschaft) ist folglich eine Naturwissenschaft (s. Zitat), hebt sich mithin methodologisch von den Geisteswissenschaften ab. Schleichers Stammbaumtheorie der Sprachverwandtschaft ist eines der dauerhaftesten Modelle der Linguistik überhaupt.

5. Schriftenverzeichnis

Schleicher, August 1848, Sprachvergleichende Untersuchungen. I. Zur vergleichenden Sprachgeschichte. Bonn: H.B. König.

Schleicher, August 1850, Linguistische Untersuchungen. 2. Teil: Die Sprachen Europas in systematischer Übersicht. Bonn: H.B. König. Nachdruck: Amsterdam: J. Benjamins (ASTHoLS, ser. 1, vol. 4), 1983.

Schleicher, August 1852, Die Formenlehre der kirchenslawischen Sprache erklärend und vergleichend dargestellt. Bonn: König. Nachdruck: Hildesheim: Gerstenberg, 1976; Hamburg: H. Buske, 1998.

Schleicher, August 1856/7, Handbuch der litauischen Sprache. Prag: Calve.

Schleicher, August 1861f, Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Kurzer Abriß der indogermanischen Ursprache, des Altindischen, Alteranischen, Altgriechischen, Altitalischen, Altkeltischen, Altslawischen, Litauischen, und Altdeutschen. 2 Bde. Weimar: H. Böhlau (4. Auflage: 1876).

Schleicher, August 1863, Die Darwin'sche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar: H. Böhlau. (2. Aufl.: 1873)

Schleicher, August 1871, Laut- und Formenlehre der polabischen Sprache. St. Petersburg: Kaiserliche Akademie der Wissenschaft. Nachdruck: Wiesbaden: Sändig, 1967.