Begriff und Sinn der Transkription

Einen Ausdruck einer Sprache zu transkribieren (wörtl. “umzuschreiben”) bedeutet, ihn in einem anderen Schriftsystem zu repräsentieren als in dem, in dem die Sprache gewöhnlich geschrieben wird bzw. in welchem er schriftlich vorliegt. Für den Begriff der Transkription ist es gleichgültig, in welchem Medium der Ausdruck vorliegt. Daher fallen alle folgenden Umkodierungen unter den Begriff der Transkription:

Das Ziel der Transkription ist in jedem Falle, den Ausdruck lesbar zu machen für Menschen, die das Schriftsystem, in welches transkribiert wird, beherrschen.

Transliteration

Die Transliteration eines Ausdrucks ist eine Sonderform der Transkription.1 Einen Ausdruck, der in einer Schrift S1 repräsentiert ist, in ein Schriftsystem S2 zu transliterieren heißt, die in dem Ausdruck vorkommenden Schriftzeichen von S1 durch Zeichen von S2 nach einer Zuordnungsvorschrift zu ersetzen. Diese Vorschrift besteht im einfachsten Falle aus einer Tabelle, die jedem Zeichen von S1 ein Zeichen von S2 zuordnet. Komplikationen des einfachsten Falles sind jedoch häufig, z.B. wenn einem Digraphen ein einzelnes Schriftzeichen zugeordnet wird oder umgekehrt oder wenn ein Zeichen im Kontext A durch ein gewisses Zeichen, im Kontext B jedoch durch ein anderes Zeichen wiedergegeben wird. Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl von kyrillischen Schriftzeichen und deren Wiedergabe in lateinischer Schrift nach deutscher Regel:

Transliteration des Kyrillischen
KyrillischLateinisch
еe/je
жž
хch
чč
шš
щšč
ъ-
ыy
ь'
юu/ju
яa/ja

Den Unterschied zwischen Transliteration und sonstiger Transkription zeigt z.B. der neugriechische Nachname Μπαμπινιώτης. Er wird so transliteriert: Mpampiniōtēs; zur Wiedergabe der phonologischen Form wird er jedoch so transkribiert: Babiniotis.

Der Ausdruck transliterieren enthält den Stamm litera “Buchstabe”. Wenn man den Terminus ‘Transliteration’ auf Nicht-Buchstaben-Schriften verallgemeinern will, so kann man ihn wie folgt auf deren Wiedergabe beziehen: Die Transliteration einer nicht-alphabetischen Schrift ist die Zuordnung einer Kette alphanumerischer Zeichen zu jedem Zeichen des Inputs. Z.B. wird das hethitische Wort für “über” in Keilschrift mit zwei Silbenzeichen geschrieben, die so transliteriert werden: <še-ir>; aber zur Wiedergabe der phonologischen Form wird es so transkribiert: sēr. Auch die Transkription chinesischer Schriftzeichen in Pinyin ist keine Transliteration, da sie an der Lautform orientiert ist; daher können z.B. chinesische Heterographen in Pinyin homograph sein, was bei einer Transliteration nicht passieren würde.

Verschiedene Schriftsysteme können denselben Zeichenvorrat (dasselbe Alphabet) benutzen. Z.B. benutzen viele Sprachen das lateinische Alphabet, aber jede hat ein eigenes Schriftsystem. Die Transliteration ist nicht einfach eine Überführung in bestimmte Buchstaben des Alphabets; denn dann könnte sie für alle Sprachen, die das Alphabet benutzen, dieselbe sein. Stattdessen werden Ausdrücke nach den Regeln der Zielsprache transliteriert. Z.B. wurde der russische Nachname Брежнев auf Englisch Brezhnev, auf Deutsch jedoch Breschnew transliteriert.

Grundsätze der Transkription

Manche Schriftsysteme sind speziell für den Zweck der Transkription entworfen worden. Das gilt z.B. für das Hamburger Notationssystem für Gebärdensprache, das IPA, aber auch für das chinesische Pinyin und das japanische Kunrei. Dies sind keine historisch gewachsenen, sondern nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten entworfene Schriftsysteme. Man benutzt sie typischerweise für andere Zwecke als historische Schriftsysteme. Z.B. wird der russische Nachname Брежнев in IPA so transkribiert: [briʒ'ɲɛf]. Aber so wird er in der gewöhnlichen Orthographie keiner Sprache wiedergegeben, sondern z.B. in deutscher Orthographie als Breschnew.

Es liegt in der Natur der Sache, daß wissenschaftliche Schriftsysteme oft eine bessere Transkription gestatten als historisch gewachsene Orthographien. Zudem ergibt sich die Transkription eines Ausdrucks in eine historische Orthographie nicht in trivialer Weise von selbst, sondern bereitet Probleme, die auf prinzipienbasierte Weise gelöst werden müssen. Es sind also in jedem Falle Transkriptionsrichtlinien nötig. Da die Zielorthographie zur Wiedergabe eines anderssprachigen Ausdrucks oft noch Schlechteres leistet als die vernakulare Orthographie, entstehen hier typischerweise Konflikte zwischen dem Wunsch, die herkömmliche, allgemein übliche Orthographie der Zielsprache zu benutzen, und dem Wunsch, den fremdsprachigen Ausdruck optimal schriftlich zu repräsentieren. Um in diesem Konflikt einen vernünftigen Kompromiß zu finden, ist daher zunächst zu klären, was eine optimale schriftliche Repräsentation eines Ausdrucks heißen soll.

Das optimale Schriftsystem ist ein morphophonemisches (s. weitere Diskussion). Während es bei historisch gewachsenen Schriftsystemen verständliche Schwierigkeiten gibt, sie im Sinne dieses Ideals zu ändern, werden Transkriptionssysteme verhältnismäßig frei festgelegt (und häufiger geändert). Hier besteht also die Möglichkeit, nach sinnvollen Prinzipien zu transkribieren. So gibt es z.B. für das Japanische zwei alphabetische Transkriptionssysteme, das Kunrei-System und das Hepburn-System. Das erstere entspricht japanischer Morphophonemik. Das letztere kombiniert zwei Unzuträglichkeiten: Erstens, es versucht, die japanische Aussprache wiederzugeben; zweitens, es tut dies nach den englischen Schreibkonventionen (mehr Information). In solchen Fällen haben morphophonemische, an international standardisierten Lautwerten der Buchstaben orientierte Transkriptionen den Vorrang.

Einige Regeln einzelsprachlicher Schriftsysteme sind sehr idiosynkratisch. Es ist deshalb nicht immer von Vorteil, sie zu befolgen, wenn in ein solches Schriftsystem transliteriert werden soll. Dazu gehört z.B. die deutsche Repräsentation von /ʃ/ durch <sch> und erst recht die Neutralisation der Opposition zwischen /ʃ/ und /ʒ/ durch <sch>. In solchen Fällen ist es vernünftig, sich an (alphabetischen) Schriftsystemen zu orientieren, die aus dem einen oder anderen Grunde Besseres leisten. Im Falle von kyrillisch geschriebenem Russisch ist das z.B. die Transliteration im Tschechischen, das dem Russischen historisch nahesteht und daher die fraglichen Phoneme nicht erst zum Zwecke der Transliteration aus dem Russischen unterscheidet. Der obige Auszug aus der Transliterationstabelle des Russischen verwendet einige Buchstaben, die im Tschechischen – aber nicht nur dort – zur Unterscheidung der betreffenden Sprachlaute üblich sind.

Die lateinische Schrift heißt deswegen so, weil sie ursprünglich für die lateinische Sprache entwickelt wurde. Die lateinische Phonologie ist nicht sehr exotisch, so daß diese Schrift in viele andere Sprachen mit nur geringen Anpassungen und Abweichungen übernommen werden konnte. Das ist auch der Grund, warum die lateinischen Lautwerte der lateinischen Buchstaben ihrer Verwendung als IPA-Symbole zugrundeliegen. Abweichungen von diesem Grundsatz, z.B. der Ersatz von [j] durch [y] in phonetischer Repräsentation, führen zu Verschlechterungen des Systems.

Derzeit werden viele fremdsprachige Wörter zuerst auf Englisch transkribiert, bevor sie in anderen Sprachen wiedergegeben werden. Das englische Schriftsystem sieht allerdings eine besonders komplizierte Zuordnung von Sprachlauten zu Buchstaben vor und weicht darin am stärksten von allen anderen alphabetisch geschriebenen Sprachen ab. Die Folge davon ist, daß die englische Transkription vieler fremdsprachiger Wörter besonders schwer zu interpretieren ist. Ein klares Beispiel dafür ist die Transkription koreanischer Wörter in alphabetischen Schriften.So wird etwa der koreanische Nachname /ku/ auf Englisch Koo geschrieben; und hinter der englischen Schreibung Park verbirgt sich der koreanische Nachname /pak/. Solche Transkriptionen fremdsprachiger Ausdrücke auch in nicht-englischen Kontexten zu verwenden ist unvereinbar mit dem Ziel der Transkription, einen Ausdruck für Benutzer des Zielschriftsystems lesbar zu machen. Wenn der Name des nordkoreanischen Machthabers /kim il sɤŋ/ so geschrieben wird: Kim Il-Sung, so wird ihn ein deutscher Leser natürlich [kim il zuŋ] aussprechen. Und das ausgerechnet in dem Musterländle in Sachen politische Korrektheit bei ausländischen Namen.


1 Der Duden (Bd. 1, Aufl. 1986, S. 85-90) enthält einen Abschnitt zu Transliterations- und Transkriptionssysteme, wo die Basis der Unterscheidung unklar ist.