Transitivität ist in erster Linie eine grammatische Eigenschaft bestimmter Verben: ein Verb ist transitiv gdw es ein direktes Objekt nimmt. (Mehr zur Einführung anderswo.) Ob wiederum ein verbaler Dependent direktes Objekt ist, überprüft man an bestimmten syntaktischen Eigenschaften, insbesondere anhand des Kriteriums, ob er bei Passivierung Subjekt wird (Weiterführendes anderswo). Auf diese Weise gewinnt man einen rein strukturellen Begriff des direkten Objekts und somit des transitiven Verbs.

Ein typisches Beispiel für ein transitives Verb zeigt B1.

B1.Erna schließt die Tür.

Der Actor ist hier ein typisches Agens, der Undergoer ein typisches Patiens, zwischen ihnen herrscht somit ein klares Kontrollgefälle. Das Beispiel weist noch eine Reihe weiterer Eigenschaften auf, auf die wir sogleich zurückkommen.

Der transitive ist nur einer von den bivalenten Valenzrahmen. Die folgenden Beispiele illustrieren einige andere bivalente Valenzrahmen:

B2.Erna folgt dem Einbrecher.
B3.Erna schaut auf den Einbrecher.
B4.Erna bedarf des Trostes.
B5.Der Einbrecher dauert Erna.
B6.Der Einbrecher gefällt Erna.

Die syntaktischen Funktionen in diesen Beispielen sind:

Dieses sind nur einige der Situationstypen, die sich aus unterschiedlichen Konstellationen von Partizipanten ergeben, nur einige der Valenzrahmen, die sich aus unterschiedlichen Kombinationen syntaktischer Funktionen in der Valenz eines Verbs ergeben, und nur einige der möglichen Abbildungen von ersteren auf letztere. Es stellt sich daher die Frage, ob Transitivität eine Funktion hat, die dafür verantwortlich ist, daß manche bivalenten Verben transitiv sind, andere nicht. Bei den relevanten funktionalen Korrelaten kann es sich um semantische Eigenschaften der betreffenden Verben oder um solche der sie enthaltenden Sätze handeln. Denn Valenzalternationen haben ja eine lexikalische Seite, die man als einen Derivationsprozeß beschreiben kann, und eine syntaktische Seite, die man als syntaktische paradigmatische Relation darstellen und ggf. durch eine Transformation beschreiben kann.

Die Transitivität des Verbs bzw. der Satzkonstruktion ist in erster Linie die strukturelle Manifestation des Kontrollgefälles. Eine nochmalige Durchsicht von B2 – B6 ergibt, daß in keinem der Beispiele das Kontrollgefälle so klar ist wie in B1. Nur in B2 hat man überhaupt noch einen Actor und einen Undergoer; aber auch hier ist der Undergoer nur schwach affiziert. In den anderen Beispielen hat man entweder keinen Actor oder keinen Undergoer oder keines von beiden. Insbesondere liegt in B5 und B6 ein Experiens vor, welches in Bezug auf Agentivität vs. Betroffenheit ambivalent ist.

B2 – B6 heben sich aber noch durch andere semantische Eigenschaften von B1 ab: Insbesondere ist keine der Situationen hoch dynamisch; B4 – B6 sind sogar vollkommen statisch. Zudem ist in B4 der Undergoer nicht individuiert. Diese und einige weitere Faktoren konstituieren zusammengenommen das, was man die Effektivität einer Situation nennt.1 Die Faktoren, die die höhere Effektivität einer Situation ausmachen, sind in folgender Tabelle zusammengestellt:

Je effektiver eine Situation gemäß diesen 10 Parametern ist, desto wahrscheinlicher wird ihr Kern durch ein transitives Verb kodiert. Die obigen Beispiele kann man kurz wie folgt nach diesen Parametern analysieren:

Beispiel
Parameter ╲
B1B2B3B4B5B6
A++++++
B++?----
C+-----
D+-----
E+++---
F++++++
G++++++
H+++---
I++/---+-
J+++-++

Die Parameter F und G wurden hier nicht mit Beispielen illustriert, weil sie für das Deutsche kaum einen Unterschied machen. Wenn man diese beiden unberücksichtigt läßt, ergibt sich, daß B1 nach sämtlichen Parametern hohe Effektivität aufweist, während B4 – für eine Zwei-Partizipanten-Situation – minimal effektiv ist. Die anderen nicht-transitiven Beispiele sind in verschiedenem Maße ineffektiv.

Hieraus ergibt sich ein Erklärungsansatz für die Verteilung von Valenzmustern, insbesondere transitiver Valenz, über die Verben und insbesondere Prädikatklassen eines Lexikons und über Sätze, die sich in gewissen semantosyntaktischen Eigenschaften (F, G) unterscheiden. Danach haben unter den bivalenten Verben vorzugsweise diejenigen transitive Valenz, welche einen hoch-effektiven Situationskern gemäß obiger Tabelle bezeichnen.

Literaturhinweise

Hopper & Thompson 1980, Tsunoda 1985


1 In Hopper & Thompson 1980, woher die Idee stammt, wird die Summe dieser semantischen Eigenschaften Transitivität genannt. Tsunoda 1985 erinnert daran, daß Transitivität eine Struktureigenschaft ist, und schlägt für deren funktionales Korrelat den Terminus ‘Effektivität’ vor.