Einleitung

Die Kategorien einer Sprache werden manchmal als etwas unverrückbar Zementiertes betrachtet. Das ist aber überhaupt nicht so. Sprachliche Ausdrücke müssen in Kategorien fallen, sonst können sie nicht in regelmäßige Konstruktionen eingehen. Für jede gewünschte Konstruktion müssen die beteiligten Ausdrücke bestimmten Kategorien angehören. Einer bestimmten Kategorie gehören sie entweder bereits qua Lexeme an, oder sonst werden sie durch eine Operation in die benötigte Zielkategorie überführt. Dazu dienen Umkategorisierungs- bzw. Konversionsoperationen auf den Ebenen der Derivation und der Syntax. Die Sprachen unterscheiden sich zwar darin, welcher Kategorie sie eine gegebene semantische Klasse auf lexikalischer Ebene zuweisen. Aber diese Entscheidung hat nichts Endgültiges, sondern ist lediglich eine Reaktion auf die Notwendigkeit, daß jeder Ausdruck irgendeiner Kategorie angehören muß, gleichgültig welcher. Wird er in einer anderen Kategorie benötigt, kann er jederzeit umkategorisiert werden. Insofern ist die grammatische Kategorie, der ein Lexem angehört, nur seine Default-Kategorisierung.

Man nehme z.B. eine Bedeutung wie ‘brennen’. Es gibt Brände, die von selbst in Gang kommen, z.B. infolge eines Blitzschlags, und es gibt welche, die von jemandem entzündet werden. Es gibt also nichts in der Natur des Konzepts, aus dem sich ergäbe, daß das Verb ‘brennen’ natürlicherweise transitiv oder intransitiv sein müßte. Es ist im Prinzip auch gleichgültig. Im Deutschen ist brennen zunächst intransitiv. Will man es in transitiver Version haben, bildet man eine Ableitung wie anbrennen oder verbrennen. Im Lateinischen ist urere transitiv. Um es intransitiv zu haben, braucht man es nur zu passivieren: uri “verbrannt werden, brennen”. Hier wie überall gilt, daß die im Lexikon vorgegebenen Kategorisierungen die Sprecher in keiner Weise im Sinne von Whorfs sprachlicher Relativität einschränken. Es ist halt nur aufwendiger, im Deutschen agentives Brennen auszudrücken; vgl. Mithun 2004.

Die Notwendigkeit, ein transitives Verb in intransitiver Version zu haben, und die umgekehrte Notwendigkeit, entstehen in jeder Sprache ständig und in völlig regelhafter Weise. So erklärt es sich, daß die Sprachen über Transitivierungs- und Intransitivierungsoperationen verfügen, die nahezu spiegelbildlich zueinander sind.

Transitivitätsoperationen
Argument
Operation     ╲
ActorUndergoer
HinzufügungKausativExtraversiv
BlockadeAntikausativIntroversiv

Im folgenden wird das morphologische Verhältnis zwischen der transitiven und der intransitiven Version eines Stamms illustriert, untergliedert nach der Transitivitätsoperation, die die beiden zueinander in Beziehung setzt.

Deagentiv = Antikausativ

dt. umdrehen - sich umdrehen

Kausativ

jap. aku “sich öffnen” - ak-er-u “öffnen”

jap. or-u “brechen (intr.)” - or-er-u “brechen (tr.)”

Ungerichtet

1. Labil

dt. kochen

jap. hirak-u “öffnen”

2. Äquipollent

versinken - versenken

jap. kowa-re-ru “zerstört werden” - kowa-su “zerstören”

3. Suppletiv

sterben - töten

jap. sin-u “sterben” - koros-u “töten”

Insoweit Passiv dem Deagentiv ähnlich ist, können Passiv und Kausativ als alternative Strategien angesehen werden. In Europas Sprachen herrscht Passiv gegenüber Kausativ mehr als sonstwo in der Welt vor.

Überwiegende Basistransitivität

Sprachen unterscheiden sich darin, welches der o.a. Muster sie bevorzugen. Dies kann man wie folgt untersuchen: Man definiert eine Menge prozessualer Bedeutungen (“Verbbegriffe”), die mit und ohne Agens vorkommen. Diese Begriffe übersetzt man in verschiedene Sprachen, wobei man jeweils die agentive und die nicht-agentive Version mit dem geringstmöglichen Aufwand bildet.

Dann stellt man folgendes fest:

  1. Einige Sprachen bevorzugen Basisintransitivität. D.h. für die meisten Begriffe gibt es basisintransitive Verbstämme, zu denen ein kausatives Pendant gebildet werden kann. Japanisch ist eine solche Sprache.
  2. Andere Sprachen bevorzugen Basistransitivität. D.h. für die meisten Begriffe gibt es basistransitive Verbstämme, zu denen ein deagentives Pendant gebildet werden kann. Russisch ist eine solche Sprache.
  3. Andere Sprachen sind weniger einseitig:
    1. Sie benutzen entweder Kausativ und Deagentiv in ungefähr dem gleichen Umfang; yukatekisches Maya ist eine solche Sprache;
    2. oder sie halten überhaupt je zwei Verbstämme zur Verfügung, deren Verhältnis im obigen Sinne ungerichtet ist; Latein ist eine solche Sprache.

Die Existenz des zweiten Typs ist typologisch erstaunlich, wegen der o.a. implikativen Generalisierung betreffs der Stelligkeit.

Das typologische Verhältnis von ‘sein’ zu ‘haben’ ist in vieler Hinsicht ein Parallelfall oder einer Spezialfall der Basistransitivität.

Literaturhinweise

Kulikov & Vater (eds.) 1998; Lehmann et al. 2000[D]

Haspelmath 1993, Nichols et al. 2004