Der Begriff der funktionalen Domäne (auch “kognitiv(-kommunikativ)e Domäne”) hat seinen Platz in einem onomasiologischen Ansatz in der allgemein-vergleichenden Sprachwissenschaft. Er setzt voraus, daß Sprache eine Vielfalt von Funktionen erfüllt, die sich in ihrem System als Kategorien, Konstruktionen, Operationen, Prozesse usw. niederschlagen.

Eine funktionale Domäne der menschlichen Sprache (‘langage’) ist ein Ausschnitt aus der Gesamtheit des durch Sprache Übermittelten, der wie folgt konzipiert wird:

  1. Er ist eine Menge von Begriffen und Operationen, die Funktionen auf einer oberen Ebene in der teleonomischen Hierarchie der Sprache erfüllen, also den obersten Funktionen der Sprache, der Kognition und Kommunikation, unmittelbar untergeordnet sind.
  2. Diesen Begriffen und Operationen sind Strukturmittel, also grammatische Kategorien und Prozesse, zugeordnet, welche die entsprechenden Funktionen erfüllen. Die Zuordnung ist – wie stets zwischen Funktion und Struktur – multipel, d.h. eine gegebene Funktion kann durch verschiedene Strukturmittel erfüllt werden; und ein gegebenes Strukturmittel kann gleichzeitig oder alternativ verschiedene Funktionen erfüllen.
  3. Eine funktionale Domäne ist universal in dem Sinne, daß ihre Funktionen in jeder Sprache durch grammatische Mittel erfüllt werden. Dieser Anspruch setzt freilich relativ abstrakte und allgemeine Funktionsbegriffe auf der einen und Grade der Grammatikalisierung auf der anderen Seite voraus.
  4. Die in einer funktionalen Domäne eingesetzten Strukturmittel werden auf übereinzelsprachlicher Ebene zu sogenannten Strategien (auch “Techniken”) zusammengefaßt. ‘Strategie’ ist bereits ein (allgemein-)grammatischer Begriff in dem Sinne, daß eine Strategie neben den funktionalen auch strukturelle Anteile hat. Es ist ein typologischer Begriff in dem Sinne, daß das Verfügen über eine bestimmte Strategie einen Sprachtyp charakterisiert, während andere Sprachen innerhalb derselben funktionalen Domäne andere Strategien verwenden.
  5. Die Hauptkomponenten einer funktionalen Domäne, welche sie konstituieren und gliedern, sind also semantischer, nicht strukturell-ausdrucksmäßiger Natur. Wegen des schrittweisen Übergangs von Funktion zu Struktur in der Onomasiologie folgt aber bereits die Untergliederung der funktionalen Domäne in Strategien teilweise strukturellen Kriterien. Anders gesagt, eine funktionale Domäne ist nicht rein logisch (oder psychologisch oder ethnologisch usw.) konzipiert, sondern nach sprachlichen Gesichtspunkten konstituiert und aufgebaut.
  6. Das allgemeinste strukturelle Kriterium, welches für die Konstitution einer funktionalen Domäne gilt, ist, daß es für die beteiligten Funktionen überhaupt grammatische Mittel gibt. Dieses Kriterium schließt aus, daß es z.B. eine funktionale Domäne des Einkaufens, Kochens oder des Hausbaus gibt: In keiner Sprache gibt es eine grammatische Kategorie, welche Werte in diesen semantischen Bereichen annähme. Dies sind vielmehr Domänen des Sprachgebrauchs, die i.w. durch die Verfassung der Welt, in der wir leben, vorgegeben sind und sich in der Sprache vor allem in lexikalischen Feldern niederschlagen.
  7. Mithin umfaßt die Gesamtheit der funktionalen Domänen die Gesamtheit der grammatischen Begriffe und Operationen, die in den Sprachen vorkommen. Sie ist folglich eine universale Basis für die onomasiologische Beschreibung eines Ausschnitts der Grammatik einer Sprache. Die funktionalen Domänen geben das Einteilungsprinzip einer funktionalen Grammatik ab, so wie die Ausdrucksmittel und ihre Strukturen das Einteilungsprinzip einer strukturalen Grammatik abgeben.
  8. Die funktionalen Domänen sind nicht scharf gegeneinander abgegrenzt. Dies liegt z.T. daran, daß das Begriffssystem (noch) nicht sauber definiert ist bzw. daß viele Begriffe prototypischer Natur sind. Es liegt aber auch an dem in #2 genannten Umstand, daß die Domänen in bezug auf die Strategien, welche die Funktionen umsetzen, überlappen.

Die obige Bedingung #1 kann als Definition von ‘funktionale Domäne der Sprache’ gelten. Eine Definition per ostensionem wird in der folgenden Tabelle geboten, die die meisten der bisher in der Literatur eingeführten funktionalen Domänen aufzählt.

Funktionale Domänen der Sprache
funktionale Domänewichtigste Teilbereiche
Apprehension und Nomination Begriffstypen, Kategorisierungssysteme
Begriffsbildung Modifikation (Attribution, Apposition), Begriffsverankerung (inkl. durch Partizipation)
Quantifikation und Ordnung Quantifikation in der Referenz, Quantifikation in der Prädikation, Ordnung
Referenz Individuation, Verankerung (inkl. Deixis), Phora, Referenzverfolgung, Determination
Possession Possession in der Referenz, possessive Prädikation, Possession und Partizipation
Raumkonstruktion Bezugspunkte, lokale Relationen, Raumregionen, räumliche und Gestalteigenschaften sowie Posituren von Gegenständen
Prädikation Präsentation, Existenz/Befinden, Identifikation, Charakterisierung
Partizipation Kontrolle und Affiziertheit, zentrale vs. periphere Partizipantenrollen
SituationsgestaltungSituationstypen, Aspektualität (Verbalcharaktere, Aktionsarten), Modifikation von Situationen, Taxis
Temporale Orientierungabsolutes Tempus, temporale Relation
Illokution und Modalität Aussage, Frage, Ausruf, Bitte und Befehl, Hortation/Monition, Obligation, Volition, Möglichkeit, Evidentialität, Abtönung
Kontrast Negation, Vergleich, Abstufung, Intensivierung
Junction Proposition vs. Sachverhalt, Redewiedergabe, Inhaltssätze, interpropositionale Relationen, Interdependenz von Propositionen
Diskursstruktur Informationsstruktur (Topic vs. Comment; Präsupposition vs. Assertion, Fokus, Emphase)

Es kann angenommen werden, daß diese Aufstellung den größten Teil der Funktionen, die von den in herkömmlichen Grammatiken beschriebenen grammatischen Mitteln erfüllt werden, umfaßt. Da der Gesichtspunkt onomasiologisch ist, kann, wie in #2 gesagt, ein gegebenes grammatisches Mittel einer Sprache mehreren solcher Domänen zugeordnet sein. Aber gemäß #8 sind die Domänen auch deshalb nicht disjunkt, weil die sprachlichen (kognitiven und kommunikativen) Funktionen vielfach miteinander verflochten sind. Z.B. ist die Domäne der Quantifikation intern nach Gesichtspunkten gegliedert, welche sich aus zwei anderen Domänen ergeben.

Als Beispiel kann die Beschreibung der funktionalen Domäne der Possession gelten.