Grundbegriffe

Sprache ist auf Kognition und Kommunikation zielende Tätigkeit. Dazu dient dem Menschen primär die Lautsprache. Diese ist jedoch in vielfacher Weise auf Kommunikation vermittels anderer Medien bezogen.

Die primäre Unterscheidung in diesem Bereich ist die folgende:

Parasprachliche Kommunikation

Unter der Voraussetzung, daß mit ‘sprachlicher Kommunikation’ lautsprachliche Kommunikation gemeint ist,2 ist parasprachliche Kommunikation, wörtlich genommen, eine Kommunikation, die “neben” der Lautsprache stattfindet. Damit sind zwei Weisen des Kommunizierens gemeint:

  1. Phonetische Eigenschaften der Lautsprache, die nichts mit dem Sprachsystem zu tun haben: Modulation von Lautstärke, Tonhöhe, Sprechmelodie und Tempo außerhalb der Prosodie, aber einschließlich des Tonfalls, der eine Sprache oder einen Dialekt (einen “Akzent”) kennzeichnet
  2. Lautäußerungen, die nicht aus sprachlichen Einheiten bestehen: Räuspern, Seufzen, Grunzen, Lachen, Schluchzen und anderes Unartikulierte.

Nichtsprachliche Kommunikation

Unter nichtsprachliche Kommunikation fallen in erster Linie Kommunikationsmodi, die das visuelle Medium in flüchtiger Weise nutzen (in nichtflüchtiger Weise nutzt es die Schrift), die also im Prinzip in denselben Kommunikationssituationen wie die Lautsprache auftreten. Man faßt sie unter dem Begriff ‘Körpersprache’ zusammen und gliedert sie wie folgt:

  1. Mimik
  2. Gestik
  3. Haltung
  4. Proxemik.

Mimik

Mimik ist das bedeutungsvolle Bewegen bzw. Verziehen des ganzen Gesichts oder von Teilen davon (Augen, Mund, Nase). Z.B. kann eine steile Stirnfalte in Kombination mit zusammengekniffenem Mund bedeuten “das kommt mir ziemlich unglaubwürdig vor”. Und Naserümpfen übermittelt in unserer Kultur eine ablehnende Einstellung, also Widerwillen oder gar Abscheu.

Gestik

Gestik ist das bedeutungsvolle Bewegen von Armen, Händen und Kopf. Z.B. kann Hochziehen der Schultern bedeuten “ich weiß es nicht”. Drehen der erhobenen, nach außen gekehrten Hand nach links und rechts bedeutet “ich bezweifle das / das scheint mir nicht sicher”. Zu den Gesten gehören auch Nicken, Winken, Zeigen u.v.a.m.

Haltung

Die Haltung als Kommunikationsmodus umfaßt die Positur, soweit sie nicht bereits durch Gestik erfaßt ist. Sie betrifft vor allem:

Proxemik

Proxemik ist das bedeutungsvolle Gestalten des Raumes in der Kommunikationssituation und insbesondere von Nähe und Distanz zum Kommunikationspartner. Sie bemißt sich einerseits als schiere physikalische Entfernung, andererseits aber auch durch den Winkel, den die Gesprächspartner zueinander einnehmen.

Extreme Nähe geht über in Berührung, also geht visuelle in taktile Kommunikation über. Insofern fallen auch Akte wie Streicheln oder Schulterklopfen unter Proxemik.

Beziehungen zwischen den Kommunikationsmodi

Die oberste Einteilung der Beziehungen zwischen den Kommunikationsmodi ist (wie so oft in der Linguistik) eine gemäß paradigmatischen und syntagmatischen Relationen:

Vergleich der Kommunikationsmodi

Sprache ist eine gleichermaßen auf Kommunikation und Kognition zielende Tätigkeit. Allerdings verfügt unter den hier besprochenen Kommunikationsmodi nur die Sprache (Lautsprache oder Gebärdensprache) über ein ausgebautes Sprachsystem. Nur in dieser steht die Kognition als Funktion gleichberechtigt neben der Kommunikation. Die parasprachliche und nichtsprachliche Kommunikation dagegen heißt mit Recht gerade so: es ist ganz überwiegend bloß Kommunikation, die keine kognitive Funktion erfüllt. Die Lautsprache ist in hervorragender Weise zur Erfüllung der kognitiven Funktion befähigt durch ihre zweifache Gliederung. Gebärdensprache weist dazu ein – noch zu wenig untersuchtes – Analogon auf; aber Gestik im allgemeinen sowie die anderen Modi para- und nichtsprachlicher Kommunikation weisen i.a. keine zweifache Gliederung auf und werden deshalb weniger zur Übermittlung von Information eingesetzt.

Para- und nichtsprachliche Kommunikation hat im Vergleich zu sprachlicher Kommunikation folgende Eigenschaften:

  1. Emotional: Es werden eher Emotionen ausgedrückt als Inhalte übermittelt.
  2. Schnell: Nichtsprachliche Reaktionen auf Stimuli haben typischerweise niedrigere Latenz als sprachliche. Bei Äußerungen, die verschiedene Kommunikationsmodi kombinieren, eilt die nicht- und parasprachliche Kommunikation typischerweise der sprachlichen um ein paar Zehntelsekunden voraus.
  3. Unmittelbar: Sprachliche Kommunikation läuft typischerweise reflektiert ab, para- und nichtsprachliche dagegen typischerweise unwillkürlich. Sie ist daher typischerweise aufrichtiger (um durch para- und nichtsprachliche Kommunikation zu lügen, braucht man schauspielerische Fähigkeiten).
  4. Universal: Während Ausdrücke der Lautsprache als solche niemals universal sind und höchstens universalen Prinzipien folgen, folgen Äußerungen para- und nichtsprachlicher Kommunikation nicht nur universalen Prinzipien, sondern sind manchmal auch selbst universal. Z.B. ist die soziale Bedeutung der Distanz in der Proxemik universal, die senkrechte Stirnfalte drückt überall eine negative Einstellung aus, usw.
  5. Phylogenetisch primär: In der Evolution von Homo sapiens war die nicht- und parasprachliche Kommunikation zuerst da, die sprachliche kam zuletzt.

Im Anschluß an Punkt #4 ist jedoch sogleich festzustellen, daß auch para- und nichtsprachliche Kommunikation den Konventionen von Sprachgemeinschaften unterliegt und insoweit auch kulturabhängig ist. Als Beispiel dienen die folgenden beiden Nachrichten:

“Komm mal her!”

“Ober, zahlen!”

Gesten, die eine universale Grundlage haben, können in einer Kultur auch ritualisiert werden. So ist das Verneigen oder die Verbeugung in allen Gesellschaften ein ikonisches Zeichen, das Unterwerfung andeutet. Eine attenuierte, ritualisierte Form davon ist das Kopfnicken; die Unterwerfung reduziert sich hier auf die Zustimmung.


1 Die englischen Entsprechungen der Termini sind verbal / paraverbal / non-verbal communication. Das Adjektiv verbal bedeutet hier (wie in verbalize “in Worte fassen”) “auf das (gesprochene) Wort bezogen”. Wie so viele andere linguistische Termini sind auch diese sinnlos ins Deutsche kopiert worden in der Form verbale / paraverbale /nonverbale Kommunikation. Das deutsche Adjektiv verbal bedeutet (außer in Verbalinjurien) ausschließlich “auf ein Verb bezogen”.– Daneben finden sich auch Verwendungen des Terminus paralinguistisch, die auf der verbreiteten Verwechslung von sprachlich und linguistisch beruhen.

2 Es könnte auch schriftliche Kommunikation gemeint sein; die zugehörige parasprachliche Kommunikation wären dann Eigenschaften der Schrift, mit denen sich z.B. die Graphologie befaßt.