Einführung

Nach konservativen Einschätzungen gibt es am Anfang der 21. Jh. auf der Welt über 6.000 Sprachen. Die Anzahl der Dialekte liegt natürlich noch weit darüber. Die genaue Zahl ist aus mehreren Gründen nicht leicht festzustellen, u.a. deshalb, weil die Meinungen darüber, ob etwas als Sprache oder Dialekt gelten soll, auseinandergehen.

Weltsprachenkarte

Quelle: Website des Summer Institute of Linguistics, 26.11.2008

Auf der Karte ist jede Sprache durch einen in ihrem geographischen Zentrum lokalisierten Punkt dargestellt. Kleckse repräsentieren nicht große Sprachen, sondern Ansammlungen vieler Sprachen.

Derzeit ist von der Hälfte dieser Sprachen wenig mehr als der Name bekannt. Vollständige Beschreibungen gibt es nur von einem Bruchteil davon. Voraussichtlich werden die meisten Sprachen im 21. Jh. aussterben, ohne daß sie für die Nachwelt hinreichend dokumentiert und beschrieben worden sind. Hier liegt die größte und dringendste Aufgabe der Sprachwissenschaft.

Wie bereits in dem Abschnitt über den Begriff ‘Sprache’ dargestellt, tritt uns die Sprache (frz. langage) als allgemein-menschliche Tätigkeit nicht unmittelbar, sondern ausschließlich in Gestalt der einzelnen Sprachen (frz. langue) entgegen. Das Verhältnis zwischen den beiden ist gültig zusammengefaßt in dem hier wiederholten Zitat:

Damit ist zweierlei gesagt:

  1. Jede Sprache ist eine gleiche Inkarnation des ‘langage’. Im Prinzip kann eine jede von ihnen den ‘langage’ repräsentieren, nicht nur für den denkenden und kommunizierenden Menschen, sondern auch für den Linguisten.
  2. Allerdings hat jede Sprache Besonderheiten, die nicht allgemein-notwendig sind (wie das halt im Wesen einer Variante liegt).

Trotz #1 und wegen #2 ist der Schluß von einer Einzelsprache auf die menschliche Sprache (wie er in der Linguistik tausendfach gezogen worden ist) wissenschaftlich ungültig. Es ist keine Methode bekannt, die diesen Schluß rechtfertigen würde. Die Invariante hinter der Variation kann nur durch Sprachvergleich gefunden werden. Daher gibt es vergleichende Sprachwissenschaft neben der einzelsprachlichen (deskriptiven) Linguistik.

Der Vergleich ist natürlich kein Selbstzweck, in der Linguistik ebensowenig wie sonstwo. Er ist lediglich eine Methode; man vergleicht mit einer bestimmten Zielsetzung oder Fragestellung. Sprachvergleich ist die fundamentale Methode in drei Disziplinen der Sprachwissenschaft:

  1. Wenn die allgemeine Sprachwissenschaft typologischen Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie allgemein-vergleichende Sprachwissenschaft.
    1. Wenn die historische Sprachwissenschaft historischen/genetischen Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie historisch-vergleichende Sprachwissenschaft.
    2. Wenn die geographisch-vergleichende Sprachwissenschaft arealen Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie Areallinguistik.
  2. Wenn die angewandte Sprachwissenschaft den kontrastiven Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie kontrastive (oder konfrontative) Linguistik.

Die beiden unter #2 vereinigten Subdisziplinen haben gemeinsam, daß sie nach Ähnlichkeiten zwischen Sprachen suchen, die durch historischen oder prähistorischen Zusammenhang zwischen ihnen entstanden sind.

Literatur

Baldi 1983, Comrie 1981, Sapir 1921.